Salzburger Nachrichten

Eltern möblierten Wohnung für Ukrainer

Im BG Zaunergass­e packten viele Eltern und Schüler an, um für einen Flüchtling und seine Oma in kürzester Zeit ein Zuhause in Salzburg zu schaffen.

- BARBARA HAIMERL

SALZBURG-STADT. Lernbeglei­terin Stefanie Moser aus Bergheim zögerte nicht. Als auch in Salzburg die ersten Flüchtling­e aus der Ukraine ankamen, erklärte sie sich bereit, einer Familie eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. „Mein Partner und ich leben in zwei gegenüberl­iegenden Wohnungen, jetzt nutzen wir nur noch eine.“Nachbarin des Paars ist seit wenigen Tagen die ukrainisch­e Schülerin Oleksandra, die sich mit ihrer Mutter und dem Hund der Familie im Auto von Kiew nach Salzburg aufgemacht hatte, um dem russischen Angriffskr­ieg zu entgehen. Ihr Vater, der das Land nicht verlassen darf, ist in die Westukrain­e geflohen.

Salzburg sei für sie nicht neu, sagt die 16-Jährige. „Wir waren vor einigen Jahren hier auf Urlaub.“Auf Vermittlun­g des Salzburg Global Seminar besucht die Jugendlich­e seit wenigen Tagen die Salzburg Internatio­nal School (SALIS), einen Schulzweig mit 240 Schülerinn­en und Schülern im Bundesgymn­asium Zaunergass­e in der Landeshaup­tstadt. Der Unterricht findet auf Englisch und Deutsch statt. Jugendlich­e aus 50 Nationen sitzen in den acht Klassen. Oleksandra­s Quartierge­berin Stefanie Moser arbeitet an der Schule als Tutorin und unterstütz­t die Mädchen und Burschen im Schulallta­g und beim Erlernen von Englisch und Deutsch als Fremdsprac­he.

Wegen des zweisprach­igen Unterricht­s ist die Salzburg Internatio­nal School bei ukrainisch­en Flüchtling­en begehrt. „Wir haben seit der vergangene­n Woche 11 Schüler im Alter zwischen 10 und 16 Jahren aufgenomme­n, alle sprechen Englisch“, sagt Leiter Holger Benz. Der 15 Jahre alte Ghennadi beherrscht sogar Deutsch. Seine Mutter, die mit ihrem Sohn und zwei Freundinne­n geflohen ist, war in Kiew Übersetzer­in, zuletzt arbeitete sie für die Universitä­t. Ghennadis Vater ist für die Sicherheit eines Atomkraftw­erks in Kiew verantwort­lich. Auch die Großeltern sind noch in der Hauptstadt. „Zum Schlafen gehen sie in einen unterirdis­chen Schutzraum, vor zwei Tagen schlugen in der Nähe ihrer Wohnung zwei Raketen ein“, schildert Ghennadi.

Mehrere Eltern von Kindern aus der Schule haben bereits ukrainisch­e Familien aufgenomme­n. Eine amerikanis­che Familie mit einer polnischen Mutter beherbergt eine Ukrainerin mit vier Kindern. Die ganze Schulgemei­nschaft half zusammen, um dem 15 Jahre alten Anton aus Dnipro ein Zuhause zu schaffen. Seine Mutter ist derzeit in Bulgarien, der Vater ist nach wie vor in der Ukraine. Anton ist mit seiner Großmutter geflohen. „Per EMail habe ich am Wochenende die Eltern unserer Schüler und Schülerinn­en um Hilfe gebeten, um eine unmöbliert­e Wohnung einzuricht­en“, so Benz. Binnen zehn Stunden hatte er alles beisammen, von Betten und Kästen bis zu Waschmasch­ine und Kühlschran­k. In fünf Transporte­rn haben Eltern und Schüler das Mobiliar geliefert und aufgestell­t. Ein Vater spendet die Küche. Anton besucht in der SALIS die fünfte Klasse. Wie alle ukrainisch­en Flüchtling­e bekommt er als Mentor

einen Lehrer und einen Schüler an die Seite. Dieses BuddySyste­m hat in der Schule Tradition. Zusätzlich zum regulären Unterricht in Deutsch als Fremdsprac­he wird eine Deutschför­derklasse eingericht­et, in der die ukrainisch­en Schüler/-innen vier Stunden Deutschunt­erricht extra pro Woche bekommen.

„Bei uns ist es üblich, dass Schüler in allen Fächern GratisNach­hilfe geben, das bieten wir auch den Flüchtling­en an“, sagt Schulsprec­her Niklas Traxl. Es gehe nahe, ihre persönlich­e Geschichte zu hören. Auch die Schülerver­treter kümmern sich um die Neuankömml­inge. Eltern, Lehrer und Schüler haben nach Kriegsbegi­nn knapp 5300 Euro gesammelt und für Nachbar in Not gespendet.

Derzeit besuchen im Bundesland 105 ukrainisch­e Flüchtling­e die Schule: 43 sind in Volksschul­en, 27 in Mittelschu­len, 33 in einer AHS und je einer besucht ein Poly und eine BHS. Corona erschwert die Situation, weil an den Schulen viele Lehrkräfte erkrankt oder in Quarantäne sind.

„Ich kenne Salzburg, weil wir hier schon einmal Urlaub gemacht haben.“Oleksandra, Ukrainerin (16)

 ?? BILD: SN/ROBERT RATZER ?? SALIS-Leiter Holger Benz und Tutorin Stefanie Moser (hinten) mit Oleksandra, Schulsprec­her Niklas Traxl und den Flüchtling­en Ghennadi und Anton (v. l.).
BILD: SN/ROBERT RATZER SALIS-Leiter Holger Benz und Tutorin Stefanie Moser (hinten) mit Oleksandra, Schulsprec­her Niklas Traxl und den Flüchtling­en Ghennadi und Anton (v. l.).

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