Der Westen hat erst den Krieg der Bilder gewonnen
Der Schulterschluss gegen den Despoten im Kreml ist geglückt. Nun geht es um Konsolidierung und Lastenausgleich im Inneren.
Drei Gipfeltreffen an einem Tag: NATO, G7 und EU. Die Spitzen der reichsten und in ihrer Gesamtheit mächtigsten Staaten der Welt treffen einander in Brüssel. Seit vier Wochen tobt Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Gipfelbeschlüsse bringen ein Ende der russischen Bombardements und Kriegsverbrechen kaum näher.
Doch dieses Treffen schafft Bilder, die bleiben werden. Sie zeigen den Schulterschluss des freien, demokratischen Westens. US-Präsident Joe Biden steht Seite an Seite mit mehr als 30 Staats- und Regierungsspitzen aus Europa, Nordamerika und Asien.
Dagegen wirkt ein anderes Bild, jenes aus Moskau, noch eindrücklicher: Es zeigt Kremlherrscher Wladimir Putin, wie er allein am Ende eines Riesentischs sitzt, seine Befehlsempfänger am anderen Ende zusammengedrängt auf großer Distanz.
Nichts könnte die Isolation und Ächtung Putins besser zum Ausdruck bringen. Und nichts zeigt deutlicher, dass es bei seinem Überfall um viel mehr geht als um die Ukraine: Es ist eine Auseinandersetzung zwischen den liberalen Gesellschaftsordnungen und den wieder erstarkten autoritären. Wladimir Putin will sie mangels politischer Chancen gewaltsam führen. China, der global stärksten antidemokratischen Macht, fällt eine Schlüsselrolle zu. Trotz der „grenzenlosen Freundschaft“, die einander Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im Februar im Vorfeld der Olympischen Spiele geschworen haben, schlägt sich China nicht eindeutig auf die Seite Russlands. Peking weiß: Gegen den gesamten Westen könnte es trotz seiner Wirtschaftskraft nicht so einfach bestehen. Dem Westen wiederum ist klar: Würde Peking den Kreml wirtschaftlich und militärisch unterstützen, verlören die Sanktionen an Kraft.
Nun kommt es darauf an, dass die Allianz des Westens keine Risse bekommt. Die Kriegsfolgen haben auf die Verbündeten unterschiedlich starke Auswirkungen. Einige Staaten – zuvorderst Polen – werden ungleich mehr Kriegsvertriebene aufnehmen und mehr Lasten zu tragen haben als andere. Hohe Energiepreise treffen alle, schmerzen aber die ärmeren Staaten um vieles mehr.
Daher liegt die nächste Aufgabe der freien Demokratien vielleicht gar nicht so sehr in neuen und weiteren Sanktionen gegen Russland. Ebenso wichtig ist es, für einen inneren Ausgleich zu sorgen – der Interessen, der Lasten und der finanziellen Ressourcen.
Damit die Reihen geschlossen bleiben und das Bild des geeinten Westens intakt.