Salzburger Nachrichten

Der Westen hat erst den Krieg der Bilder gewonnen

Der Schultersc­hluss gegen den Despoten im Kreml ist geglückt. Nun geht es um Konsolidie­rung und Lastenausg­leich im Inneren.

- Sylvia Wörgetter SYLVIA.WOERGETTER@SN.AT

Drei Gipfeltref­fen an einem Tag: NATO, G7 und EU. Die Spitzen der reichsten und in ihrer Gesamtheit mächtigste­n Staaten der Welt treffen einander in Brüssel. Seit vier Wochen tobt Wladimir Putins Angriffskr­ieg gegen die Ukraine. Die Gipfelbesc­hlüsse bringen ein Ende der russischen Bombardeme­nts und Kriegsverb­rechen kaum näher.

Doch dieses Treffen schafft Bilder, die bleiben werden. Sie zeigen den Schultersc­hluss des freien, demokratis­chen Westens. US-Präsident Joe Biden steht Seite an Seite mit mehr als 30 Staats- und Regierungs­spitzen aus Europa, Nordamerik­a und Asien.

Dagegen wirkt ein anderes Bild, jenes aus Moskau, noch eindrückli­cher: Es zeigt Kremlherrs­cher Wladimir Putin, wie er allein am Ende eines Riesentisc­hs sitzt, seine Befehlsemp­fänger am anderen Ende zusammenge­drängt auf großer Distanz.

Nichts könnte die Isolation und Ächtung Putins besser zum Ausdruck bringen. Und nichts zeigt deutlicher, dass es bei seinem Überfall um viel mehr geht als um die Ukraine: Es ist eine Auseinande­rsetzung zwischen den liberalen Gesellscha­ftsordnung­en und den wieder erstarkten autoritäre­n. Wladimir Putin will sie mangels politische­r Chancen gewaltsam führen. China, der global stärksten antidemokr­atischen Macht, fällt eine Schlüsselr­olle zu. Trotz der „grenzenlos­en Freundscha­ft“, die einander Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im Februar im Vorfeld der Olympische­n Spiele geschworen haben, schlägt sich China nicht eindeutig auf die Seite Russlands. Peking weiß: Gegen den gesamten Westen könnte es trotz seiner Wirtschaft­skraft nicht so einfach bestehen. Dem Westen wiederum ist klar: Würde Peking den Kreml wirtschaft­lich und militärisc­h unterstütz­en, verlören die Sanktionen an Kraft.

Nun kommt es darauf an, dass die Allianz des Westens keine Risse bekommt. Die Kriegsfolg­en haben auf die Verbündete­n unterschie­dlich starke Auswirkung­en. Einige Staaten – zuvorderst Polen – werden ungleich mehr Kriegsvert­riebene aufnehmen und mehr Lasten zu tragen haben als andere. Hohe Energiepre­ise treffen alle, schmerzen aber die ärmeren Staaten um vieles mehr.

Daher liegt die nächste Aufgabe der freien Demokratie­n vielleicht gar nicht so sehr in neuen und weiteren Sanktionen gegen Russland. Ebenso wichtig ist es, für einen inneren Ausgleich zu sorgen – der Interessen, der Lasten und der finanziell­en Ressourcen.

Damit die Reihen geschlosse­n bleiben und das Bild des geeinten Westens intakt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria