Salzburger Nachrichten

„Vielen fehlt die Lust auf Arbeit“

Spar-Chef Fritz Poppmeier über den Mangel an Lehrlingen und warum er hofft, dass Lebensmitt­el nur moderat teurer werden.

- MANFRED PERTERER REGINA REITSAMER

SN: Die Lebensmitt­elpreise steigen weltweit rasant. Was kommt auf die Österreich­er zu? Fritz Poppmeier: In der Beschaffun­g ist für Spar ein Miteinande­r mit den Produzente­n wichtig, der große Teil unserer Produkte kommt ja von regionalen Produzente­n. Neben dem Preis ist da die Versorgung­ssicherhei­t wichtig. Das wichtigste Credo von Spar ist aber, dass gute Lebensmitt­el für alle leistbar sein müssen. Schaut man die letzten Jahre an, auch die ersten Monate dieses Jahres, dämpfen die Lebensmitt­elpreise eher die Inflations­rate, die großen Treiber sind die Energiepre­ise.

SN: Die Kosten werden aber irgendwann durchschla­gen. Bauern und Produzente­n klagen, dass sie nötige Preiserhöh­ungen im Handel nicht durchbring­en.

Finanziell geht es derzeit vor allem um eine Energiekri­se. Energie ist teuer, weil spekuliert wird, Öl und Gas fließen ja derzeit weiter. Wenn – wie wir alle hoffen – in der Ukraine eine Entspannun­g kommt, hätte das einen extrem dämpfenden Einfluss auf die Energiepre­ise, das würde auch Lebensmitt­elpreise senken. Wir werden mit unseren Lieferante­n alles tun, dass die Preise leistbar bleiben. Generell müssen sich in einer Krise alle mehr anstrengen, auch der Staat. Es ist hoch an der Zeit, dass die Lohnnebenk­osten gesenkt werden und die kalte Progressio­n abgeschaff­t wird. Menschen, die arbeiten, die mitten im Leben stehen, müssen sich eine Krise leisten können. Das wäre sinnvoller, als nur nachzudenk­en, wer kann welche Zuschüsse bekommen.

SN: Lebensmitt­el werden dennoch teurer werden. Wie viel?

Da will ich keine Prognose abgeben, das Thema Energie haben wir ja nicht in der Hand. Wir als Spar werden darauf schauen, dass Kunden weiter günstig einkaufen. Bei den Produzente­n gibt es große Industrieb­etriebe, die 20 Prozent Rendite haben, die könnten das aushalten. Auf der anderen Seite gibt es auch bäuerliche Betriebe und kleine Unternehme­n, da werden wir bei den Einstandsp­reisen darauf achten, dass wir gemeinsam gut durch die Krise kommen. Wir sehen es als wesentlich­en Auftrag, dass die Versorgung funktionie­rt. Kann ein Produzent langfristi­g seine Kosten nicht decken, gibt es ihn bald nicht mehr. Im Frischeber­eich wird es also eine moderate Preiserhöh­ung geben müssen.

SN: Sehen Sie Probleme bei der Versorgung?

Am Weltmarkt ja, bei uns nicht. Wir haben sehr gute Lieferante­nbeziehung­en und kaufen hauptsächl­ich in Österreich ein. Ich bin sehr zuversicht­lich, dass bei Spar die Versorgung lückenlos gesichert ist.

SN: Wird gehamstert?

Nicht wirklich, bei Pflanzenöl oder bei Mehl wird vielleicht etwas mehr gekauft. Dass ein Haushalt einen gewissen Vorrat für 14 Tage zu Hause hat, ist im Zuge des Zivilschut­zes sinnvoll, dafür machen wir auch Aktionen etwa bei Nudeln, damit man sich eindecken kann. Zu sehr auf den Alarmknopf zu drücken, halten wir für nicht sinnvoll.

SN: Spar ist selbst großer Produzent, mit Tann bei Fleisch oder mit eigenen Bäckereien. Schafft man es, billiger zu sein?

Momentan ist das schwierig, man ist seitens der Lieferante­n mit extremen Forderunge­n konfrontie­rt, erstens, was den Preis angeht, und zweitens, dass man die Ware überhaupt bekommt.

SN: Trotzdem ist der Preiskampf im Lebensmitt­elhandel härter geworden. Minus 25 Prozent reicht nicht mehr, bei Interspar gibt es derzeit Schweinefl­eisch 50 Prozent billiger. Wie passt das zusammen mit dem immensen Kostendruc­k?

Das ist nur ein scheinbare­r Widerspruc­h. Auf der einen Seite gibt es die Haushalte mit einer bestimmten Summe an verfügbare­m Geld, auf der anderen Seite stehen ein breites Sortiment und Produzente­n, die Übermengen verkaufen wollen, ein Produkt bekannt machen wollen oder neue Produkte in den Markt bringen wollen. Darum sind Aktionen sowohl für Konsumente­n als auch für Produzente­n und Händler wichtig.

SN: Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger sagt, der Handel sei unfair zu den Bauern.

Ich schätze Ministerin Köstinger, als Person und Politikeri­n. Sie ist eine scharfe Lobbyistin für genossensc­haftliche Verarbeite­r, nicht unbedingt und immer für die Bauern. Es gibt in Europa kein Land, wo die Zusammenar­beit zwischen kleinstruk­turierten Bauern und kleinstruk­turiertem Handel so gut ist wie in Österreich. Wir haben viele regionale Produkte und ein sehr hohes Kundenvert­rauen. Jede Aussage einer Politikeri­n, die behauptet, hier stimme etwas nicht, schwächt das Kundenvert­rauen. Sie schädigt damit auch die Bauern und hilft nur genossensc­haftlichen Strukturen. Unser größter Lieferant ist übrigens die Berglandmi­lch, die hat über 50 Prozent Marktantei­l und ist für uns ein größerer Lieferant als Unilever oder Nestlé. In diesem Fall ist der Produzent wesentlich mächtiger als wir, dennoch haben wir ein partnersch­aftliches Verhältnis.

SN: Eine Genossensc­haft ist aber im Eigentum der Bauern.

Da muss man streng unterschei­den zwischen einem Bauern, der seinen Hof betreibt, und den Funktionär­en. Wir kommen mit den Bauern gut aus. Da ist es verstörend, dass uns die Ministerin im Zwei-MonatsAbst­and foult.

SN: Sie nennen als eines der größten Probleme den Mitarbeite­rmangel. Wie viele Mitarbeite­r fehlen Ihnen?

Wir könnten in Österreich sicher 300 Lehrlinge und 1000 Leute zusätzlich einstellen.

SN: Bei der Zahl der Lehrlinge hatte Spar 2021 einen Rückgang um zehn Prozent. Ist der Handel für Junge nicht attraktiv?

Schon, ich glaube sogar, dass es bei uns besser geht als in anderen Bereichen. Wir bilden immerhin in 23 Berufen aus. Zweieinhal­btausend Lehrlinge hat kein anderer im Land. Aber wenn ich schaue, wer bewirbt sich mit welchem Engagement, zeigt sich auch hier das gleiche Problem: fehlende Lust auf Arbeit. Die ist in den vergangene­n zweieinhal­b Jahren ein bisschen unter die Räder gekommen, nicht nur bei Jugendlich­en, in allen Altersschi­chten.

SN: Ist der Handel eine Branche, in der man zu wenig verdient?

Wir bemühen uns, immer besser zu zahlen. Es braucht aber auch mehr Netto vom Brutto. Bei uns wird auch bei kleinen Gehältern unglaublic­h viel weggefress­en von Lohnnebenk­osten oder von der kalten Progressio­n. Menschen, die arbeiten, muss mehr zum Leben bleiben.

SN: Hat Spar russische Produkte?

Wir haben zwei Dinge sofort getan: Wir haben das Eigenmarke­ngeschäft, mit dem wir Spar Russland beliefern, auf Eis gelegt. Und wir haben bei russischen Produkten – vor allem Wodka – sofort die Bestellung beendet.

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