„Vielen fehlt die Lust auf Arbeit“
Spar-Chef Fritz Poppmeier über den Mangel an Lehrlingen und warum er hofft, dass Lebensmittel nur moderat teurer werden.
SN: Die Lebensmittelpreise steigen weltweit rasant. Was kommt auf die Österreicher zu? Fritz Poppmeier: In der Beschaffung ist für Spar ein Miteinander mit den Produzenten wichtig, der große Teil unserer Produkte kommt ja von regionalen Produzenten. Neben dem Preis ist da die Versorgungssicherheit wichtig. Das wichtigste Credo von Spar ist aber, dass gute Lebensmittel für alle leistbar sein müssen. Schaut man die letzten Jahre an, auch die ersten Monate dieses Jahres, dämpfen die Lebensmittelpreise eher die Inflationsrate, die großen Treiber sind die Energiepreise.
SN: Die Kosten werden aber irgendwann durchschlagen. Bauern und Produzenten klagen, dass sie nötige Preiserhöhungen im Handel nicht durchbringen.
Finanziell geht es derzeit vor allem um eine Energiekrise. Energie ist teuer, weil spekuliert wird, Öl und Gas fließen ja derzeit weiter. Wenn – wie wir alle hoffen – in der Ukraine eine Entspannung kommt, hätte das einen extrem dämpfenden Einfluss auf die Energiepreise, das würde auch Lebensmittelpreise senken. Wir werden mit unseren Lieferanten alles tun, dass die Preise leistbar bleiben. Generell müssen sich in einer Krise alle mehr anstrengen, auch der Staat. Es ist hoch an der Zeit, dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden und die kalte Progression abgeschafft wird. Menschen, die arbeiten, die mitten im Leben stehen, müssen sich eine Krise leisten können. Das wäre sinnvoller, als nur nachzudenken, wer kann welche Zuschüsse bekommen.
SN: Lebensmittel werden dennoch teurer werden. Wie viel?
Da will ich keine Prognose abgeben, das Thema Energie haben wir ja nicht in der Hand. Wir als Spar werden darauf schauen, dass Kunden weiter günstig einkaufen. Bei den Produzenten gibt es große Industriebetriebe, die 20 Prozent Rendite haben, die könnten das aushalten. Auf der anderen Seite gibt es auch bäuerliche Betriebe und kleine Unternehmen, da werden wir bei den Einstandspreisen darauf achten, dass wir gemeinsam gut durch die Krise kommen. Wir sehen es als wesentlichen Auftrag, dass die Versorgung funktioniert. Kann ein Produzent langfristig seine Kosten nicht decken, gibt es ihn bald nicht mehr. Im Frischebereich wird es also eine moderate Preiserhöhung geben müssen.
SN: Sehen Sie Probleme bei der Versorgung?
Am Weltmarkt ja, bei uns nicht. Wir haben sehr gute Lieferantenbeziehungen und kaufen hauptsächlich in Österreich ein. Ich bin sehr zuversichtlich, dass bei Spar die Versorgung lückenlos gesichert ist.
SN: Wird gehamstert?
Nicht wirklich, bei Pflanzenöl oder bei Mehl wird vielleicht etwas mehr gekauft. Dass ein Haushalt einen gewissen Vorrat für 14 Tage zu Hause hat, ist im Zuge des Zivilschutzes sinnvoll, dafür machen wir auch Aktionen etwa bei Nudeln, damit man sich eindecken kann. Zu sehr auf den Alarmknopf zu drücken, halten wir für nicht sinnvoll.
SN: Spar ist selbst großer Produzent, mit Tann bei Fleisch oder mit eigenen Bäckereien. Schafft man es, billiger zu sein?
Momentan ist das schwierig, man ist seitens der Lieferanten mit extremen Forderungen konfrontiert, erstens, was den Preis angeht, und zweitens, dass man die Ware überhaupt bekommt.
SN: Trotzdem ist der Preiskampf im Lebensmittelhandel härter geworden. Minus 25 Prozent reicht nicht mehr, bei Interspar gibt es derzeit Schweinefleisch 50 Prozent billiger. Wie passt das zusammen mit dem immensen Kostendruck?
Das ist nur ein scheinbarer Widerspruch. Auf der einen Seite gibt es die Haushalte mit einer bestimmten Summe an verfügbarem Geld, auf der anderen Seite stehen ein breites Sortiment und Produzenten, die Übermengen verkaufen wollen, ein Produkt bekannt machen wollen oder neue Produkte in den Markt bringen wollen. Darum sind Aktionen sowohl für Konsumenten als auch für Produzenten und Händler wichtig.
SN: Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger sagt, der Handel sei unfair zu den Bauern.
Ich schätze Ministerin Köstinger, als Person und Politikerin. Sie ist eine scharfe Lobbyistin für genossenschaftliche Verarbeiter, nicht unbedingt und immer für die Bauern. Es gibt in Europa kein Land, wo die Zusammenarbeit zwischen kleinstrukturierten Bauern und kleinstrukturiertem Handel so gut ist wie in Österreich. Wir haben viele regionale Produkte und ein sehr hohes Kundenvertrauen. Jede Aussage einer Politikerin, die behauptet, hier stimme etwas nicht, schwächt das Kundenvertrauen. Sie schädigt damit auch die Bauern und hilft nur genossenschaftlichen Strukturen. Unser größter Lieferant ist übrigens die Berglandmilch, die hat über 50 Prozent Marktanteil und ist für uns ein größerer Lieferant als Unilever oder Nestlé. In diesem Fall ist der Produzent wesentlich mächtiger als wir, dennoch haben wir ein partnerschaftliches Verhältnis.
SN: Eine Genossenschaft ist aber im Eigentum der Bauern.
Da muss man streng unterscheiden zwischen einem Bauern, der seinen Hof betreibt, und den Funktionären. Wir kommen mit den Bauern gut aus. Da ist es verstörend, dass uns die Ministerin im Zwei-MonatsAbstand foult.
SN: Sie nennen als eines der größten Probleme den Mitarbeitermangel. Wie viele Mitarbeiter fehlen Ihnen?
Wir könnten in Österreich sicher 300 Lehrlinge und 1000 Leute zusätzlich einstellen.
SN: Bei der Zahl der Lehrlinge hatte Spar 2021 einen Rückgang um zehn Prozent. Ist der Handel für Junge nicht attraktiv?
Schon, ich glaube sogar, dass es bei uns besser geht als in anderen Bereichen. Wir bilden immerhin in 23 Berufen aus. Zweieinhalbtausend Lehrlinge hat kein anderer im Land. Aber wenn ich schaue, wer bewirbt sich mit welchem Engagement, zeigt sich auch hier das gleiche Problem: fehlende Lust auf Arbeit. Die ist in den vergangenen zweieinhalb Jahren ein bisschen unter die Räder gekommen, nicht nur bei Jugendlichen, in allen Altersschichten.
SN: Ist der Handel eine Branche, in der man zu wenig verdient?
Wir bemühen uns, immer besser zu zahlen. Es braucht aber auch mehr Netto vom Brutto. Bei uns wird auch bei kleinen Gehältern unglaublich viel weggefressen von Lohnnebenkosten oder von der kalten Progression. Menschen, die arbeiten, muss mehr zum Leben bleiben.
SN: Hat Spar russische Produkte?
Wir haben zwei Dinge sofort getan: Wir haben das Eigenmarkengeschäft, mit dem wir Spar Russland beliefern, auf Eis gelegt. Und wir haben bei russischen Produkten – vor allem Wodka – sofort die Bestellung beendet.