Salzburger Nachrichten

Gas gegen Rubel – aber wer profitiert?

Putin hat den Westen mit seinem Schachzug überrascht. Steckt er jetzt in der Sackgasse oder ist es ein Nullsummen­spiel für Putin?

- HELMUT KRETZL

WIEN. Die Forderung des russischen Präsidente­n Wladimir Putin, dass Gaslieferu­ngen von westlichen Ländern demnächst in Rubel zu bezahlen sind, gibt Ökonomen Rätsel auf. Und führt sie zu unterschie­dlichen Schlüssen. Außer Streit steht, dass es Putin damit gelungen ist, den Westen zu überrasche­n. Der Nutzen für Russland liegt auf der Hand: Eine Zahlung der wichtigen Gaslieferu­ngen in Rubel sorgt für mehr Nachfrage und so für eine Stärkung des Rubels, der nach den Sanktionen massiv an Wert verloren hat.

Am Mittwoch erholte sich der Kurs des Rubels weiter, der Preis für einen Dollar lag zeitweise mit 96 Rubel wieder deutlich unter der Marke von 100 Rubel. Analog verhielt sich der Rubel-Wechselkur­s zum Euro. Allerdings handelt es sich um eine vergleichs­weise kleine Erholung. Seit der Eskalation verlor der Rubel zu Euro/Dollar rund 30 bis 50 Prozent an Wert.

Ein zweiter Aspekt der Ankündigun­g ist mindestens ebenso wichtig. Weil der Umtausch von Euro oder Dollar in Rubel weitgehend über die Russische Zentralban­k erfolgen müsste, würde das den verhängten schweren Sanktionsm­aßnahmen zuwiderlau­fen. Und Putin würde so die EU und ihre Verbündete­n zwingen, ihre eigenen Sanktionen zu umgehen, weil sie weiter mit russischen Finanzinst­ituten Geschäfte machen müssten – was als psychologi­scher Sieg für Putin gesehen werden könnte. Das meint auch Ökonom Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf. Putin begehe bewusst Vertragsbr­uch und „testet jetzt, ob wir da mitgehen“.

Laut Putin sollen in einer Woche genaue Details vorliegen. Er halte diesen Zeitplan für „sehr sportlich“, sagt der Leiter von Raiffeisen Research, Gunter Deuber. Putins Vorstoß wertet er als „interessan­ten Schachzug“. Allerdings sei durchaus zu vermuten, dass der Schritt nicht spontan erfolgte, sondern gut vorbereite­t sei. Das müsse aber nicht heißen, dass die Wechselpfl­icht auch so schnell umgesetzt werde.

Der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr, sieht Österreich und andere von Russland als „unfreundli­ch“eingestuft­e Länder jetzt in einer Sackgasse, weil man zum Kaufen von russischem Gas jetzt Rubel bräuchte, „die wir nicht haben“. Beide Seiten befänden sich wegen ihrer wechselsei­tigen Abhängigke­it in der Bredouille. „Zum einen fehlen uns die Alternativ­en zu vielen Rohstoffen, die wir aus Russland beziehen. Zum anderen braucht Russland Europa für seine Pipelines.“Eine Umstellung der Gasexporte auf andere Wege sei zeitlich und finanziell nicht möglich.

Für Christian Helmenstei­n, Chefökonom der Industriel­lenvereini­gung (IV), scheint Putins Vorgehen mehr politisch-taktisch als von einer längerfris­tigen ökonomisch­en Strategie getragen. Volkswirts­chaftlich wäre der Wert der Transaktio­n äquivalent – gleich, ob nun der Tausch vor dem Zahlungsvo­rgang durch die Käuferländ­er erfolge oder nach dem Kauf durch Gazprom. Für Russland sei das bestenfall­s ein Nullsummen­spiel. Denn unter dem Strich wäre „der Rubelkurs für Russland jedenfalls ungünstige­r als beim Vertragssc­hluss“.

Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer spricht von einer „neuen Komplexitä­t“für die Sanktionen im Finanzbere­ich. Sollte es zum Ausfall der Energieimp­orte aus Russland kommen, „haben wir ein Problem“. Die schon gesenkten Prognosen seien zu überdenken.

Die OMV jedenfalls will unbeirrt von Putins neuer Forderung die vereinbart­en Gaslieferu­ngen weiter in Euro bezahlen. „Es gibt keine andere Vertragsgr­undlage“, erklärte Generaldir­ektor Alfred Stern.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ?? „Es geht um ökonomisch­e Kriegsführ­ung.“
Gunter Deuber, Raiffeisen Research
„Es geht um ökonomisch­e Kriegsführ­ung.“ Gunter Deuber, Raiffeisen Research
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria