„Baustelle zwischen Forschung und Politik“
Experten diskutierten in Salzburg über den Spagat von Entscheidungsfindungen in der Pandemie.
Gerade in Krisenzeiten müssen Entscheidungen möglichst schnell und wohlüberlegt gefällt werden. In der Coronapandemie galt von Beginn an: Die Fachwelt liefert Expertise, die Entscheidungshoheit liegt aber letztlich bei der Politik. Anlässlich des internationalen Symposiums Forum Medizin 21 der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft, warum der Weg zur Entscheidungsfindung dabei nicht immer einfach war und ist.
„Auch Wissenschafter sind nicht immer einer Meinung“, sagte Lars Schaade, Vizepräsident des deutschen Robert-Koch-Instituts, bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Symposiums am Donnerstag.
Dazu kommt: Modelle hätten nur einen begrenzten Zeitraum, den sie überblicken könnten. Oft wissen auch Forscher nicht, wie stark ein Lockdown wirklich wirken kann. „Manchmal scheitert es auch an der Kommunikation komplexer Dinge“, ergänzte Simulationsforscher Niki Popper von der TU Wien.
Auch der ehemalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) schlug in diese Kerbe: „Das Problem ist, dass Wissenschaft und Politik manchmal aneinander vorbeireden, weil sie unterschiedliche Sprachen sprechen“, sagte er. Forschende hantieren mit Wahrscheinlichkeiten, Politikerinnen und Politiker könnten mit Konjunktiven oft nur wenig anfangen. Er sprach von einer „Baustelle“, die noch immer in der Kooperation der Bereiche existiere. Beide Seiten hätten jedoch dazugelernt, waren sich die Experten beim Symposium einig. Man näherte sich in der Sprache, aber auch im Fachwissen an.
Die Prognosen der Wissenschaft bilden aber nicht nur eine wichtige Basis für etwaige Coronamaßnahmen. Sie lieferten auch eine Argumentationsgrundlage gegenüber der Bevölkerung, ergänzte Anschober. Nur mithilfe der Wissenschaft könne man etwa erklären, was eine 80-prozentige Impfquote für den kommenden Herbst bedeuten könne. Ein wichtiger Punkt dabei: Transparenz. „Je transparenter ein Prozess ist, desto mehr wird er angenommen“, sagte er. Transparenz schaffe Vertrauen und nehme Misstrauen und „alternativen Fakten“den Nährboden, sagte Anschober.
Man müsse jedoch auch erkennen, dass eine Diskrepanz bleiben werde, betonte RKI-Vizepräsident Schaade: Die Forschung müsse alles sagen dürfen. „Aber es muss auch so sein, dass die Politik nicht alles tut, was die Wissenschaft empfiehlt. Wir müssen alle ein wenig Gelassenheit entwickeln, das zu akzeptieren.“