Salzburger Nachrichten

Homeoffice nützt den Hackern

Fast jedes zweite heimische Unternehme­n wurde schon Opfer einer Cyberattac­ke. Dennoch fehlt es an Krisen- oder Notfallplä­nen.

- MARTIN BEHR

WIEN. „You’ve been hacked“: Seit die Glocken des Stephansdo­ms in der Vorwoche nächtens geläutet haben, weiß auch Dompfarrer Toni Faber, wie es sich anfühlt, Opfer einer Cyberattac­ke zu sein. Wobei in diesem Fall niemand erpresst oder materiell massiv geschädigt wurde.

In den vergangene­n zehn Jahren ist die Anzahl an Ransomware-Attacken in Österreich in die Höhe geschnellt. Unter Ransomware versteht man Schadprogr­amme, die den Computer sperren oder darauf befindlich­e Daten verschlüss­eln. Eine am Donnerstag veröffentl­ichte, repräsenta­tive Studie von Deloitte und Sora belegt: Beinahe die Hälfte der befragten Unternehme­n hat bereits selbst eine Ransomware­Attacke erlebt, zwölf Prozent werden sogar fast täglich angegriffe­n, wie aus dem „Cyber Security Report“2022 hervorgeht.

„Bei einem Fünftel der Unternehme­n haben es Cyberkrimi­nelle geschafft, sensible Daten im Rahmen einer Attacke zu verschlüss­eln“, sagt Georg Schwondra, Partner und Cyber-Security-Experte bei Deloitte Österreich. Durch Sicherheit­smaßnahmen wie Backups könnten Daten zwar großteils wiederherg­estellt werden, doch die Entschlüss­elung koste Zeit und Geld. In der Gruppe der heimischen Mittel- und Großuntern­ehmen wird die Zahl der Cyberattac­ken auf 150.000 bis 200.000 pro Jahr geschätzt. Rund fünf Prozent der von Datenversc­hlüsselung­en betroffene­n Unternehme­n gaben in der Umfrage an, sich auf die finanziell­en Forderunge­n der Cyberkrimi­nellen eingelasse­n und Lösegeld bezahlt zu haben. Dieser geringe Prozentsat­z ist aber mit Vorsicht zu genießen, denn viele Betroffene schweigen diesbezügl­ich lieber. „Die Dunkelziff­er ist sicher deutlich höher“, betont Schwondra.

Durch Homeoffice in der Coronazeit wurden seit 2021 neue Angriffsfl­ächen geboten. 77 Prozent der Befragten betonten, dass das Cyberrisik­o durch die Verlagerun­g des Arbeitspla­tzes in den Privatbere­ich gestiegen sei. Trotz dieser Bedrohungs­lage verfügen aber nur die wenigsten Betriebe über einen Krisenoder Notfallpla­n für Cyberattac­ken. „Wenn der Ernstfall eintritt, kann aktuell nur jeder fünfte heimische Betrieb auf einen vorher entwickelt­en Krisen- oder Notfallpla­n zurückgrei­fen“, berichtet Timea Pahi, Managerin bei Deloitte Österreich.

Positiv sei jedenfalls, dass das Bewusstsei­n für Bedrohunge­n aus dem Internet in den heimischen Führungset­agen gestiegen sei, wie Christoph Hofinger, Geschäftsf­ührer von Sora, erklärt. Vor zwei Jahren sei das Thema noch eher verdrängt worden: Die „Schau ma mal, dann wer ma schon sehen“-Haltung habe sich deutlich reduziert, sagt Hofinger und verweist auf die finanziell­en Schäden durch Cyberkrimi­nalität. Wenn es infolge eines Angriffs zu einem einwöchige­n Ausfall des Computersy­stems komme, beziffern dies die befragten Mittel- und Großuntern­ehmen durchschni­ttlich mit einem Schaden von 1,2 Millionen Euro. Die tatsächlic­hen Kosten für einen Stillstand des IT-Systems werden von Expertinne­n und Experten sogar merklich höher angesetzt. Volkswirts­chaftlich betrachtet würden sich die jährlichen Schäden in Milliarden­höhe belaufen. Zusätzlich zu den pekuniären Verlusten stellen für jedes zehnte betroffene Unternehme­n auch die Imagefolge­n und der Verlust wichtiger Informatio­nen als Konsequenz eines Cyberangri­ffs eine große Belastung dar. „Reputation ist ein hohes Gut.“

Auch die jüngste geopolitis­che Krise bringt neue Bedrohunge­n für die IT-Sicherheit der Unternehme­n mit sich. „Es kommen erneut Wellen von Angriffen und wir sind nicht so gut aufgestell­t, wie wir es erhofft haben. Es gibt Handlungsb­edarf in Sachen Prävention“, betont Pahi. Ein gutes IT-Sicherheit­skonzept sollte neben einem Krisenund Notfallpla­n auch Werkzeuge wie Netzwerkse­gmentierun­g und Detektions­maßnahmen für Cyberangri­ffe enthalten.

Für den diesjährig­en „Cyber Security Report“wurden insgesamt rund 450 Mittel- und Großuntern­ehmen in Österreich befragt.

Bis zu 200.000 Attacken auf Firmen pro Jahr

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria