Ein Schloss erwacht
In Schloss Marchegg nahe der Slowakei entfaltet sich die Niederösterreichische Landesausstellung
MARCHEGG. Was jetzt so lieblich erscheint, was frisch herausgeputzt wie barock verspielt ist und heute, Samstag, mit der Niederösterreichischen Landesausstellung zu neuem Leben wachgeküsst wird, ist als Bollwerk in einem heißt umfehdeten Gebiet entstanden. Wie sehr um Schloss Marchegg europäische Herrschaftsansprüche aneinandergekracht sind, lassen drei geografisch-historische Details erahnen: Schloss und gleichnamiges Städtchen liegen in Österreich. Die namensgebende March ist Grenzfluss zur Slowakei, die nun dank eines mit EU-Förderung erbauten Stegs für Fußgänger und Radfahrer zu erreichen ist. Und über Jahrhunderte hat Schloss Marchegg der ungarischen Fürstenfamilie Pálffy gehört.
Jetzt ist es hier wunderschön, friedlich und angenehm. Umworben als Ausstellungsbesucher und umgarnt als potenzieller Tourist in der bis 1989 am Eisernen Vorhang touristisch brachliegenden Region darf man in der Landesausstellung die vielen Schlachten anhand von Exponaten erkunden – wie einem Abbild Ottokar II. Přemysl aus 1310. Der böhmische König hat Schloss Marchegg als Bollwerk gegen die Ungarn 1268 errichten lassen. Österreichisch sollte es werden, als der Habsburger Rudolf I. den Böhmen 1278 im 26 Kilometer entfernten Dürnkrut besiegte. Auch mährische Raubritter, Hussiten, Osmanen und Kuruzen stifteten hier Unfrieden, wie Theresia Hauenfels, Universität Krems, im fabelhaften, 426-seitigen Katalog schildert.
Mit der Landesausstellung setzt Niederösterreich neuerlich eine kulturpolitische Großtat: Hauptteil der zweijährigen Vorbereitung war die Sanierung des Schlosses, das die Familie Pálffy – Bauherr Paul Pálffy war Vertrauter Kaiser Ferdinand II. – vom Bollwerk in ein barock-italienisches Lust- und Repräsentationsgebäude umwandeln hat lassen. Damit
gelingt ein weiterer Glanzpunkt im Jahrhundertprojekt der Renovierung und touristisch-kulturellen Belebung der Marchfeldschlösser – nach Eckartsau, Hof und Niederweiden. Bei der Renovierung wurde übrigens ein vergessenes Detail entdeckt: Die Familiengruft der Pálffys entpuppte sich als Frühwerk des Architekten Clemens Holzmeister, der später die Salzburger Festspielhäuser erbauen sollte.
Zudem sind Landesausstellung und Schlossrenovierung Teil einer auf Jahre angelegten Strategie der regionalen Entwicklung, in die auch Verkehrsprojekte wie Ausbau der Eisenbahnlinie, die Wien und Bratislava verbindet, touristische Erschließung sowie Aufbau wirtschaftlicher wie kulturelle Verbindungen mit slowakischen Nachbarn eingebettet sind. Die Landesausstellung sei „ein klares Bekenntnis zu einer dynamischen Regionalentwicklung in der Kulturpolitik“, versicherte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).
Derart breit ist auch die Landesausstellung angelegt, die neben Marchegg auch das Marchfeld in vielen Facetten porträtiert. Dieses wichtige Herkunftsgebiet für Spargel ist überhaupt das größte Gemüseanbaugebiet Österreichs. Es gilt als „Gemüsegarten Wiens“, hier wurde 1941 das erste Tiefkühlgemüse Österreichs hergestellt, zunächst für U-Boot-Besatzungen im Zweiten Weltkrieg. Auch wenn die Produktion 1967 von Raasdorf nach Groß-Enzersdorf verlegt worden ist, verarbeitet sie nach wie vor Gemüse aus dem Marchfeld.
Nicht nur für Gemüse, auch für eine einzigartige Flora und Fauna ist das Klima günstig, wovon das seit 1927 bestehende älteste Naturschutzgebiet Österreichs in der Weikendorfer Remise zeugt; einzigartigen Lebensraum bieten die dortigen Binnendünen. Oder: Die Südrussische Tarantel und die Quirlesche hätten hier ihre westlichsten Lebensgebiete, schildert Armin Laussegger, wissenschaftlicher Leiter der Landesausstellung.
Weil diese Gunst der Natur Menschen anzog, beginnt die in der Landesausstellung erzählte Kulturgeschichte vor rund 7500 Jahren. Sie spannt sich über Barockzeit, Industrielle Revolution bis zur Energiewende. Weil das Marchfeld im Süden bis Hainburg reicht, darf die Landesausstellung das Marchfeld auch als Startrampe des österreichischen Umweltschutzes feiern.
„Das Marchfeld ist eine Grenz- und Kontaktzone.“Armin Laussegger, Nö. Landesausst.
Ausstellung: „Das Marchfeld“, NÖ Landesausstellung, Schloss Marchegg, bis 13. November.