Richard Kriesches DNA ist brombeerfarben
HEDWIG KAINBERGER
SALZBURG. Wer sich fotografiert und dieses Selbstbild über soziale Medien zehn- oder hundertfach verteilt, zerreißt sein Selbst. Damit passiert, was der Künstler Richard Kriesche im Aufspüren der Effekte von Medialisierung und Digitalisierung erkannt hat: eine Spaltung von Bio-Selbst und digitalem Selbst. Das dem Körper immanente Bio-Selbst sei örtlich gebunden, sagte Richard Kriesche am Freitag im Pressegespräch vor Eröffnung seiner Ausstellung im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg. Das digitale Selbst hingegen sei omnipräsent.
Die schlagartige Vervielfältigung über ein Medium – sei es als Selfie im Internet oder als Nachrichtensprecher im Fernsehen – umschreibt Richard Kriesche so: „Aus dem Individuum wird ein Dividuum.“Diese Teilbarkeit hat enorme Konsequenzen. Vor allem irritiert sie die Selbstfindung, wobei sich Richard Kriesche auf den Psychiater und Psychologen C. G. Jung bezieht, der die Persönlichkeitsbildung als Prozess der Selbstfindung erkannt hat. „Das geht nur über sich selbst und nicht von außen“, versichert Richard Kriesche. Mit der Digitalisierung wird aber das bisher einzigartige, nur individuell bestimmbare Selbst von außen mit dem digitalen Selbst bestürmt. Den resultierenden Konflikt macht er über Kunst bewusst. So betrachtet lässt sich die von Jürgen Tabor kuratierte Schau, basierend auf Werken der Sammlung der Generali Foundation, ergänzt um Leihgaben des Künstlers wie anderer Sammlungen, wie ein heilsamer Parcours erleben, der die
Zerrissenheit der beiden Selbst bewusst macht und mit Erkenntnis, Humor oder Staunen lindert.
Bin ich ein Code? Wer dies verneint, wird in dem in Kooperation mit dem Joanneum Research eingerichteten „self space“eines anderen belehrt. Geht man mit einer vorbereiteten Karte in diese Box, ergibt dies einen für das jeweilige Individuum und dessen Bewegung ermittelten Code aus Zahlen und Buchstaben. So erzeugt ein Ich eine einzigartige Datenspur – ähnlich wie per SMS-Nachricht und verschicktem Selfie. Infolge der Digitalisierung sind ein paar vermeintlich belanglose, allein in dunkler Kammer gesetzte Schritte plötzlich nachvollziehbar, kopierbar und speicherbar.
Fantastisch ist die Vielfalt, in der Richard Kriesche solche Phänomene seit rund 60 Jahren in Bildern und Skulpturen sichtbar macht. In der Aktion „polaroid space“, als er sich 1971 auf einen an die Wand montierten Sessel setzte und Ausstellungsbesucher fotografierte, also aus Betrachtern technisch reproduzierbare Bilder machte, nahm er einen Effekt von Selfies vorweg.
Ihm gelingt ein köstliches Farbspiel: Eine vom Computer der UniKlinik Graz ausgedruckte Sequenz seiner DNA übersetzt er in Farbpartikel, mischt die digital exakt errechneten Farbanteile und erkennt: Sein Genom ist brombeerfarben.
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