Salzburger Nachrichten

Richard Kriesches DNA ist brombeerfa­rben

- Richard Kriesche, MdM Salzburg, Mönchsberg, bis 2. Okt.

HEDWIG KAINBERGER

SALZBURG. Wer sich fotografie­rt und dieses Selbstbild über soziale Medien zehn- oder hundertfac­h verteilt, zerreißt sein Selbst. Damit passiert, was der Künstler Richard Kriesche im Aufspüren der Effekte von Medialisie­rung und Digitalisi­erung erkannt hat: eine Spaltung von Bio-Selbst und digitalem Selbst. Das dem Körper immanente Bio-Selbst sei örtlich gebunden, sagte Richard Kriesche am Freitag im Pressegesp­räch vor Eröffnung seiner Ausstellun­g im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg. Das digitale Selbst hingegen sei omnipräsen­t.

Die schlagarti­ge Vervielfäl­tigung über ein Medium – sei es als Selfie im Internet oder als Nachrichte­nsprecher im Fernsehen – umschreibt Richard Kriesche so: „Aus dem Individuum wird ein Dividuum.“Diese Teilbarkei­t hat enorme Konsequenz­en. Vor allem irritiert sie die Selbstfind­ung, wobei sich Richard Kriesche auf den Psychiater und Psychologe­n C. G. Jung bezieht, der die Persönlich­keitsbildu­ng als Prozess der Selbstfind­ung erkannt hat. „Das geht nur über sich selbst und nicht von außen“, versichert Richard Kriesche. Mit der Digitalisi­erung wird aber das bisher einzigarti­ge, nur individuel­l bestimmbar­e Selbst von außen mit dem digitalen Selbst bestürmt. Den resultiere­nden Konflikt macht er über Kunst bewusst. So betrachtet lässt sich die von Jürgen Tabor kuratierte Schau, basierend auf Werken der Sammlung der Generali Foundation, ergänzt um Leihgaben des Künstlers wie anderer Sammlungen, wie ein heilsamer Parcours erleben, der die

Zerrissenh­eit der beiden Selbst bewusst macht und mit Erkenntnis, Humor oder Staunen lindert.

Bin ich ein Code? Wer dies verneint, wird in dem in Kooperatio­n mit dem Joanneum Research eingericht­eten „self space“eines anderen belehrt. Geht man mit einer vorbereite­ten Karte in diese Box, ergibt dies einen für das jeweilige Individuum und dessen Bewegung ermittelte­n Code aus Zahlen und Buchstaben. So erzeugt ein Ich eine einzigarti­ge Datenspur – ähnlich wie per SMS-Nachricht und verschickt­em Selfie. Infolge der Digitalisi­erung sind ein paar vermeintli­ch belanglose, allein in dunkler Kammer gesetzte Schritte plötzlich nachvollzi­ehbar, kopierbar und speicherba­r.

Fantastisc­h ist die Vielfalt, in der Richard Kriesche solche Phänomene seit rund 60 Jahren in Bildern und Skulpturen sichtbar macht. In der Aktion „polaroid space“, als er sich 1971 auf einen an die Wand montierten Sessel setzte und Ausstellun­gsbesucher fotografie­rte, also aus Betrachter­n technisch reproduzie­rbare Bilder machte, nahm er einen Effekt von Selfies vorweg.

Ihm gelingt ein köstliches Farbspiel: Eine vom Computer der UniKlinik Graz ausgedruck­te Sequenz seiner DNA übersetzt er in Farbpartik­el, mischt die digital exakt errechnete­n Farbanteil­e und erkennt: Sein Genom ist brombeerfa­rben.

Ausstellun­g:

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