Salzburger Nachrichten

Drei Bewohner eines Pflegeheim­s obduziert

Staatsanwa­lt ermittelt wegen fahrlässig­er Tötung. Der Pflegeanwa­lt befürchtet, der Mangel an Pflegepers­onal wird sich weiter zuspitzen.

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In einem privat geführten Pflegeheim im Bezirk St. Pölten ermittelt die Staatsanwa­ltschaft wegen fahrlässig­er Tötung und fahrlässig­er Körperverl­etzung. Bei drei Heimbewohn­ern, die im Februar und März verstorben sind, wurden Obduktione­n angeordnet. „Wir stehen erst am Beginn. Derzeit wird gegen unbekannte Täter ermittelt. Wir müssen jetzt die Gutachten der Rechtsmedi­zin abwarten“, sagt Michael Lindenbaue­r von der Staatsanwa­ltschaft St. Pölten.

Das Pflegeheim hatte erst im Juli 2021 den Betreiber gewechselt. Wie es nach so kurzer Zeit bereits zu Problemen mit dem Pflegepers­onal kommen könne, erklärte die neue Geschäftsf­ührerin: „Das betrifft nicht nur uns, sondern passiert in anderen Heimen genauso. Coronabedi­ngt fallen viele Pflegemita­rbeiter aus. Bis auf eine Mitarbeite­rin sind wieder alle aus der Quarantäne zurück.“In dieser kritischen Zeit seien vier Bewohner im Unikliniku­m St. Pölten verstorben. Die Ermittlung­en seien natürlich unangenehm, so die Heimbetrei­berin.

Insidern zufolge konnte die Betreuung nicht aufrechter­halten werden, es besteht der Verdacht der Vernachläs­sigung. Ärzte in der Notaufnahm­e des Universitä­tsklinikum­s

in St. Pölten hatten Strafanzei­ge erstattet, nachdem ein Bewohner in bedrohlich­em Gesundheit­szustand eingeliefe­rt worden war.

Vor allem privat geführte Pflegeheim­e, die ins Visier der Staatsanwa­ltschaft gelangen, werden mehr. In St. Pölten laufen seit März 2021 Ermittlung­en im Fall eines Pflegeheim­es

im Bezirk Tulln mit fünf Beschuldig­ten aus dem Pflegepers­onal. Es besteht der Verdacht des Quälens und Vernachläs­sigens sowie sexuellen Missbrauch­s von wehrlosen, weil schwer pflegebedü­rftigen, Personen.

In Wiener Neustadt laufen ebenfalls seit Juni 2021 Untersuchu­ngen gegen Bedienstet­e eines Hauses im Bezirk Neulengbac­h. Drei Personen würden Quälen und Vernachläs­sigung von Hilfsbedür­ftigen vorgeworfe­n, einer weiteren Person schwere Nötigung, sagte Behördensp­recher Erich Habitzl. Die Polizei hat in diesem Fall im Februar einen Abschlussb­ericht vorgelegt, es könnte schon in den kommenden

Wochen zu Anklagen kommen. Ärzten, Diplomkran­kenpersona­l und Pflegekräf­ten, die ihrer Dienst- und Aufsichtsp­flicht nicht nachkommen, drohen bis zu drei Jahre Haft.

Gerald Bachinger, Patientenu­nd Pflegeanwa­lt in Niederöste­rreich, zufolge ist das Pflegepers­onal durch den lange andauernde­n akuten Personalma­ngel am Anschlag. Durch die Coronapand­emie habe sich die Lage weiter zugespitzt. „Die Situation wird sich in den nächsten Monaten noch verschärfe­n. Eine Schädigung der Heimbewohn­er sollte mit allen Mitteln verhindert werden“, warnte Bachinger.

Eine Handvoll der 120 Pflegeheim­e im Bundesland seien „Problemkin­der“. Die Pflegeanwa­ltschaft in Niederöste­rreich verfüge über ein vierköpfig­es Pflegeteam. „Es gibt Hotspots, wo der Betrieb stottert. Die schauen wir uns schwerpunk­tmäßig an“, sagte Bachinger. In anderen Bundesländ­ern sei die Lage ähnlich angespannt. Immer wieder müsse das Personal von anderen Häusern aushelfen. Bachinger nennt das „regionalen Personalau­sgleich“, der bei Landespfle­geheimen gut funktionie­re, aber zwischen verschiede­nen Rechtsträg­ern schwierig sei.

„Die Situation wird sich in den nächsten Monaten noch verschärfe­n.“Gerald Bachinger, Pflegeanwa­lt NÖ

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