„Manche Schadstoffe bringt man gar nicht mehr raus“
Vor allem Pestizide und Dünger haben ein Fünftel des heimischen Grundwasservorrats verunreinigt. Wie sich das auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt.
WIEN. Rund 20 Prozent des Grundwassers in Österreich sind mit Schadstoffen verunreinigt, die vorwiegend durch landwirtschaftliche Nutzung (Dünger, Pestizide) in den Boden eingebracht werden. Bei 395 von insgesamt 1965 Messstellen sei das Grundwasser durch zumindest eine Substanz gefährdet, heißt es im Wassergütebericht 2016 bis 2018, der von Landwirtschaftsministerium (BMLRT), Umweltbundesamt (UBA) und den Ländern erstellt wurde. Besonders häufig genannt werden diesbezüglich Nitrat, Ammonium, Orthophosphat und diverse Abbauprodukte von Atrazin oder Terbuthylazin.
Überschreitungen der Qualitätsziele liegen bei 36 Einzelsubstanzen sowie dem Sammelbegriff „Pestizide“vor.
Was die akribischen Messungen betrifft – denn jede Messstelle wird jährlich mehrmals gecheckt –, könnte man sagen: so weit, so gut. Weniger gut sei das, was nach den akribischen Messungen komme, wie Dagmar Gordon von der Umweltschutzorganisation Global 2000 sagt: „Nämlich nichts. Außer, dass man die Augen verschließt und hofft, dass das Problem nicht allzu sehr auffällt.“
Geografisch lassen sich die Verunreinigungen leicht festmachen. Im Wesentlichen befinden sich jene Gebiete, wo das Grundwasser durch Stickstoffdüngung belastet ist, in drei Bundesländern: Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark. Besonders im Mostviertel und südlich von Wels ist der Stickstoffanteil mit 60 bis 70 Kilogramm (und darüber) pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche signifikant.
Im bundesweit wohl schlechtesten Zustand befinden sich aktuell die beiden Grundwasserkörper Böhmische Masse im nördlichen Waldviertel sowie Südliches Wiener Becken-Ostrand, das vom Süden Wiens bis Hainburg reicht. Dort wird an mindestens 50 Prozent der Messstellen eine Gefährdung angezeigt.
Gefahr für die ansässige Bevölkerung bestehe dennoch keine, erklärt Günter Liebel, Sektionschef der Abteilung Wasserwirtschaft im BMLRT: „Zwischen Grundwasser und Trinkwasser gibt es eklatante Unterschiede. Trinkwasser ist ein Lebensmittel. Jeder der 5500 Trinkwasserversorger in Österreich hat die Kriterien zu erfüllen. Was aus der Erde entnommen wird, muss aufbereitet werden.“Auch die landwirtschaftliche Nutzung sei nicht bedenklich. „Wenn jemand Grundwasser für landwirtschaftliche Zwecke entnimmt, braucht er eine Bewilligung. Und die Behörde, die diese erteilt, kennt den Zustand des Grundwassers. Das sind alles Einzelfallentscheidungen“, sagt Liebel.
Das große Problem mit Grundwasser: Ist es erst einmal kontaminiert, dauert es extrem lange, bis es sich wieder erholt. „Das ist kaum sanierbar. Manche Schadstoffe bringt man überhaupt nicht mehr raus“, ergänzt Dagmar Gordon von Global 2000. Beispiel Atrazin: Das Pflanzenschutzmittel wurde 1985 verboten. 37 Jahre später sind die nach wie vor nachweisbaren Metaboliten (Zerfallsprodukte) ein Grund dafür, dass das Grundwassergebiet Südliches Wiener Becken-Ostrand im Wassergüte-Bericht als „voraussichtliches Maßnahmengebiet“gehandelt wird.
„Schadstoffe im Wasser führen zu einer Belastung der Gesundheit, ganz klar“, konstatiert Gesundheitsmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien. „Die Frage ist, wie hoch diese Belastung ist.“Hutter appelliert an die Eigenverantwortung und zieht einen Vergleich: „Ich wollte wissen, ob es bei mir im Haus alte Bleileitungen gibt. Also habe ich Wasser entnommen und es testen lassen.“
Auch wenn Grundwasser nicht eins zu eins aus den Leitungen fließt und selbst Landwirte nur geprüftes Wasser verwenden dürfen: „Grundwasser ist eine ganz wichtige Ressource, die nicht beliebig nachwächst – das wird gerade in Zeiten großer Trockenheit deutlich“, bekräftigt Dagmar Gordon. Dass bereits 93 Prozent der heimischen Haushalte einen Wasseranschluss haben, lässt sie nicht gelten: „Und was ist mit all jenen, die sich Wasser aus ihren Hausbrunnen holen, um damit ihre Gärten zu bewässern?“
Akribische Messung, und dann?