Ermittelt Medienmarkennutzer statt Papierzeitungsleser! Riesige Stichprobe für hieb- und stichfeste Daten
Die Media-Analyse trägt schon in ihrem Namen, dass sie mehr sein kann als eine Zeitungsmarktforschung. Ihre Reform ist überfällig.
Der 31. März ist ein Zeugnistag für die Zeitungsbranche. Um 10 Uhr erscheint die MediaAnalyse (MA). Kurz danach werden alle Beteiligten melden, wie viele Leser sie 2021 hatten. Es wird überall nach einer guten Nachricht klingen. Auch dann, wenn die Datenbasis dafür unerfreulich sein sollte. Wer sich an einer Studie beteiligt, die einen Millionenbetrag kostet, will sich dafür nicht auch noch schlecht darstellen. Also wird spätestens am Freitag jedes Blatt seine positiven Aspekte präsentieren.
Davon sollte es für alle ausreichend geben. Denn die MA ist die umfangreichste kontinuierliche Marktforschung Österreichs. Seit 1965 erhebt sie die Nutzung von Zeitungen und Magazinen. Die Grundlage dafür bieten 15.000 ausführliche Interviews pro Jahr. Das ist eine gewaltige Stichprobe im Vergleich zu oft nur 800 telefonisch oder online Kontaktierten für politische Wahlumfragen.
Dieses riesige Sample soll für hieb- und stichfeste Daten sorgen. Denn Medienkonkurrenz schaut auf das, was das Publikum bei Momentaufnahmen zur Parteipräferenz kaum beachtet – z. B. statistische Schwankungsbreiten. Derart genau betrachtet, liegen bei der sogenannten Sonntagsfrage Parteien oft gleichauf.
Doch das wäre weniger spannend als die Präsentation ständiger Positionswechsel.
Beim Kopf-an-Kopf der Zeitungen selbst ist die Berichterstattung vorsichtiger, weil ansonsten wegen unlauteren Wettbewerbs klagbar. Es reicht nicht, mit einer Prozentsatz-Zahl nominell vorn zu sein, um das auch so nennen zu dürfen. Das ist erst bei einem statistisch signifikanten Unterschied erlaubt.
Angesichts dieses Aufwands und solcher Vorsichtsmaßnahmen wirken offensichtlich unglaubwürdige Daten besonders ärgerlich.
Das war bei der MA, die lediglich die Nutzung von Papierausgaben und E-Paper, aber keine anderen Digitalangebote erhebt, immer häufiger der Fall. Wer etwa die angebliche Reichweite des „Standard“durch die Zahl der verbreiteten Zeitungsexemplare dividierte, kam auf acht Leser pro Stück. Ähnlich unplausibel wirkte zuletzt in Deutschland die „Bild“mit ihrem Wert von 6,5. Bei den „Salzburger Nachrichten“, aber auch der „Krone“lag dieser Mitlesefaktor hingegen unter 3. Das ist bei Zeitungen mit einem Abonnentenanteil von 95 bzw. 87 Prozent größtenteils in Mehrpersonenhaushalten glaubwürdig. Dass Titel wie das weltgrößte Tagblatt „Yomiuri Shimbun“mit 8,1 Millionen Auflage auf nur 12,1 Millionen Leser kommen (Faktor 1,6), liegt an Japans anderer Nutzungskultur.
Die Schwäche in manchem Detail der Marktforschung entsteht durch die rasante Digitalisierung aller Medien. Die Befragten sind oft überfordert, ihren Markenkontakt zwischen Print, Video, Audio und Online zu unterscheiden. Genau das könnte Anlass sein, dass die MA wieder zur All-Media-Studie wird, die sie lange durch Fusion mit den Tele- und Radiotestdaten war. Statt zu erheben, was auf Papier und seinem getreuen Abbild gelesen wurde, ginge es dann vorerst darum, wie viele Menschen welche Medienmarke wie oft wie lange nutzen. Da die Grenzen zwischen Zeitung, Hörfunk, Fernsehen und Internet schwinden, erscheint es letztlich zweitrangig, ob es Leser, Hörer, Seher oder Nutzer sind.