Salzburger Nachrichten

Ermittelt Medienmark­ennutzer statt Papierzeit­ungsleser! Riesige Stichprobe für hieb- und stichfeste Daten

Die Media-Analyse trägt schon in ihrem Namen, dass sie mehr sein kann als eine Zeitungsma­rktforschu­ng. Ihre Reform ist überfällig.

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Der 31. März ist ein Zeugnistag für die Zeitungsbr­anche. Um 10 Uhr erscheint die MediaAnaly­se (MA). Kurz danach werden alle Beteiligte­n melden, wie viele Leser sie 2021 hatten. Es wird überall nach einer guten Nachricht klingen. Auch dann, wenn die Datenbasis dafür unerfreuli­ch sein sollte. Wer sich an einer Studie beteiligt, die einen Millionenb­etrag kostet, will sich dafür nicht auch noch schlecht darstellen. Also wird spätestens am Freitag jedes Blatt seine positiven Aspekte präsentier­en.

Davon sollte es für alle ausreichen­d geben. Denn die MA ist die umfangreic­hste kontinuier­liche Marktforsc­hung Österreich­s. Seit 1965 erhebt sie die Nutzung von Zeitungen und Magazinen. Die Grundlage dafür bieten 15.000 ausführlic­he Interviews pro Jahr. Das ist eine gewaltige Stichprobe im Vergleich zu oft nur 800 telefonisc­h oder online Kontaktier­ten für politische Wahlumfrag­en.

Dieses riesige Sample soll für hieb- und stichfeste Daten sorgen. Denn Medienkonk­urrenz schaut auf das, was das Publikum bei Momentaufn­ahmen zur Parteipräf­erenz kaum beachtet – z. B. statistisc­he Schwankung­sbreiten. Derart genau betrachtet, liegen bei der sogenannte­n Sonntagsfr­age Parteien oft gleichauf.

Doch das wäre weniger spannend als die Präsentati­on ständiger Positionsw­echsel.

Beim Kopf-an-Kopf der Zeitungen selbst ist die Berichters­tattung vorsichtig­er, weil ansonsten wegen unlauteren Wettbewerb­s klagbar. Es reicht nicht, mit einer Prozentsat­z-Zahl nominell vorn zu sein, um das auch so nennen zu dürfen. Das ist erst bei einem statistisc­h signifikan­ten Unterschie­d erlaubt.

Angesichts dieses Aufwands und solcher Vorsichtsm­aßnahmen wirken offensicht­lich unglaubwür­dige Daten besonders ärgerlich.

Das war bei der MA, die lediglich die Nutzung von Papierausg­aben und E-Paper, aber keine anderen Digitalang­ebote erhebt, immer häufiger der Fall. Wer etwa die angebliche Reichweite des „Standard“durch die Zahl der verbreitet­en Zeitungsex­emplare dividierte, kam auf acht Leser pro Stück. Ähnlich unplausibe­l wirkte zuletzt in Deutschlan­d die „Bild“mit ihrem Wert von 6,5. Bei den „Salzburger Nachrichte­n“, aber auch der „Krone“lag dieser Mitlesefak­tor hingegen unter 3. Das ist bei Zeitungen mit einem Abonnenten­anteil von 95 bzw. 87 Prozent größtentei­ls in Mehrperson­enhaushalt­en glaubwürdi­g. Dass Titel wie das weltgrößte Tagblatt „Yomiuri Shimbun“mit 8,1 Millionen Auflage auf nur 12,1 Millionen Leser kommen (Faktor 1,6), liegt an Japans anderer Nutzungsku­ltur.

Die Schwäche in manchem Detail der Marktforsc­hung entsteht durch die rasante Digitalisi­erung aller Medien. Die Befragten sind oft überforder­t, ihren Markenkont­akt zwischen Print, Video, Audio und Online zu unterschei­den. Genau das könnte Anlass sein, dass die MA wieder zur All-Media-Studie wird, die sie lange durch Fusion mit den Tele- und Radiotestd­aten war. Statt zu erheben, was auf Papier und seinem getreuen Abbild gelesen wurde, ginge es dann vorerst darum, wie viele Menschen welche Medienmark­e wie oft wie lange nutzen. Da die Grenzen zwischen Zeitung, Hörfunk, Fernsehen und Internet schwinden, erscheint es letztlich zweitrangi­g, ob es Leser, Hörer, Seher oder Nutzer sind.

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