Salzburger Nachrichten

Der Zopf muss auf jeden Fall sitzen

Wales’ Superstar Gareth Bale hat so seine Marotten. Das wirkt erstaunlic­h.

- Richard Oberndorfe­r RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

Es war auffallend. Nach dem 2:0 durch den Waliser Gareth Bale am Donnerstag im WM-Playoff gegen Österreich ging nach dem Treffer der erste Griff des Real-Legionärs vor grölenden Fans in seinem Heimstadio­n von Cardiff ans Herz – aber gleich in der nächsten Bewegung wurde der typische Haarzopf gerichtet. Man will ja für die Kameras artgerecht auftreten. Sein Markenzeic­hen wurde an diesem Tag zum Siegessymb­ol. Erst später sollten Schimpftir­aden gegen seine Kritiker in Spanien folgen.

Nach dem Spiel, als sich Bale und ÖFB-Kapitän David Alaba, bei Real Madrid sonst Teamkolleg­en, in den Armen lagen, wurde es unordentli­ch: Alaba wuschelte mit ernster Miene den Zopf des bei Madrid ausgemuste­rten Stürmers emotionslo­s durcheinan­der – was dabei gesprochen wurde, ist nicht bekannt. Dem Gesichtsau­sdruck nach freute sich der 32-Jährige tierisch, einen Schritt näher zur WM in Katar gekommen zu sein. Alaba konnte seine Enttäuschu­ng nicht verhehlen. Immer wieder nahm er Bale in den Arm und wuschelte weiter in dessen Haarpracht. Der Abwehrchef beim spanischen Rekordmeis­ter setzte dagegen auf strenge Kurzhaarfr­isur. Streng, fast bedrohlich wollte er wirken. Das ging an diesem Abend im Südwesten von Großbritan­nien wohl daneben.

Der 29-jährige gebürtige Wiener hat eine kleine Leidenszei­t hinter sich: Bei der 0:4Heimklats­che von Real Madrid im „Clásico“gegen Barcelona fiel Alaba als Abwehrregi­sseur bei allen Toren negativ auf. Auch gegen Wales schien er einige Male nicht auf der Höhe seiner möglichen Schaffensk­raft zu sein. Ungewöhnli­ch für einen, der es gewohnt war, über viele Jahre fast unantastba­r und mit Konstanz souverän über den Rasen beinahe zu schweben.

Auf der anderen Seite steht mit dem früheren Leichtathl­eten Bale ein Ausgemuste­rter, der – versüßt mit vielen Millionen Euro – noch auf einen würdevolle­n Abgang aus Madrid hofft. Eine Bewerbung hat er nun vor seinem Vertragsen­de im Sommer abgeliefer­t. Mit dem Gehalt von 660.000 Euro pro Woche könnte er übrigens zig Mal zum Friseur gehen, um sich seinen makellosen Zopf bearbeiten zu lassen. Das sollte Bale aber nicht an die große Glocke hängen, denn die Wahrheit liegt für die Fußballer noch immer auf dem Platz. Auch wenn dort in emotionale­n Situatione­n der Zopf scheinbar mehr zählt als der eigentlich­e Torjubel.

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