Der Prolet Ares ist wieder da
Er ist wieder da, der Krieg. Oder, wie die alten Griechen meinten, der Kriegsgott.
Eigentlich waren Feldzüge ja längst etwas für die Geschichtsbücher. Zumindest in Europa glaubte man, die Zeiten, in denen man sich ständig die Schädel einschlug, seien vorbei. Schließlich hatte man sich auf dem Kontinent lange genug kriegerisch ausgetobt.
So selbstverständlich war schon im alten Europa das Sich-gegenseitig-Hinmetzeln für irgendeinen König oder für irgendeine Länderei, dass es logischerweise auch einen dafür Verantwortlichen im Olymp geben musste.
Nun tummelten sich ebendort gar nicht wenige Stänkerer und Zicken, Querulanten/-innen und Intriganten/ -innen von Zeus und Hera abwärts. Der eigentliche Kriegsgott aber, ein Typ namens Ares, war ein besonderer Unsympathler. Im Gegensatz zur weisen Athene, einer Meisterin der Kriegslist, handelt es sich bei Ares um einen primitiven Raufbold, einen streitsuchenden Tölpel. Eine recht anschauliche Charakteristik des Unruhestifters liefert Michael Köhlmeier in seinem Sagenbuch zum klassischen Altertum. Demnach ist Ares „derjenige, der sich nur im männerbündnerischen Einklang wohlfühlt, der Weitbrunzwettbewerbe im dampfenden Morgengrauen veranstaltet. Er ist derjenige, der mit Baseballschlägern auf die Schwächeren eindrischt, er ist derjenige, der bedenkenlos und gedankenlos die Kriege anzettelt“. Eine einprägsame Schilderung, bei der sich, wenn man den Baseballschläger durch die Hyperschallrakete oder anderes modernes Kriegszeug ersetzte, durchaus Parallelen zu diversen amtierenden Autokraten von Moskau bis Pjöngjang finden lassen.
Den Philosophen aber war schon vor Tausenden Jahren klar, dass all die Kriegszüge eine ziemlich sinnlose Angelegenheit
waren und das eroberte Land über kurz oder lang ohnehin wieder von jemand anderem erobert würde. Und auch das mit dem Ruhm und der Bewunderung lief nicht immer so, wie es sich die regierenden Könige und Tyrannen wünschten. Nicht einmal DauerKrieger Alexander der Große, der mit seiner Kriegsmaschinerie, mit gewaltigen Heerscharen und imposanten Kriegselefanten die halbe Welt eroberte, durfte sich uneingeschränkten Jubels erfreuen – wie man schon von der angeblichen Begegnung mit dem in einer Tonne hausenden Philosophen Diogenes weiß, der für Alexander kein Interesse zeigte und diesen nur aufforderte, ihm doch „aus der Sonne“zu gehen.
Noch ernüchternder muss für Alexander die Begegnung mit dem Weisheitslehrer Dandamis in Indien gewesen sein, der dem Griechenkönig klarmachte, dass er sterblich sei und die Gewalt liebe und schon deshalb kein Gott sein könne. Immerhin blieb Alexander die Erkenntnis erspart, dass seine weite Reise durch Asien zwar aufwendig, das Ergebnis aber höchst vergänglich war: Nach seinem Tod, der ihn mit 32 Jahren ereilte, zerbröselte Alexanders Reich umgehend und seine streithanseligen Nachfolger schlugen sich – was sonst – in den Diadochenkriegen die Schädel ein.
Unter diesen Diadochen war auch ein gewisser König Pyrrhus, der nur unter horrenden Verlusten siegte – woraus er schlussfolgerte: „Noch so ein Sieg und wir sind verloren.“Zudem musste sich Pyrrhus, bevor er sein Leben, angeblich von einem Dachziegel getroffen, im Straßenkampf aushauchte, von seinem Ratgeber Kineas lästige Fragen stellen lassen: Was er denn nach seinen nächsten Eroberungen vorhabe, wollte Kineas wissen. Der König protzte, er werde Italien und die ganze Welt unterwerfen und dann die Ruhe genießen. Worauf sein Berater meinte, nichts tun und das Leben genießen, das könne er ja jetzt auch schon, ganz ohne Krieg. Ein kluger Rat von zeitloser Gültigkeit, der sich auch im Kreml herumsprechen sollte.