Salzburger Nachrichten

Der Prolet Ares ist wieder da

- Thomas Hödlmoser THOMAS.HOEDLMOSER@SN.AT

Er ist wieder da, der Krieg. Oder, wie die alten Griechen meinten, der Kriegsgott.

Eigentlich waren Feldzüge ja längst etwas für die Geschichts­bücher. Zumindest in Europa glaubte man, die Zeiten, in denen man sich ständig die Schädel einschlug, seien vorbei. Schließlic­h hatte man sich auf dem Kontinent lange genug kriegerisc­h ausgetobt.

So selbstvers­tändlich war schon im alten Europa das Sich-gegenseiti­g-Hinmetzeln für irgendeine­n König oder für irgendeine Länderei, dass es logischerw­eise auch einen dafür Verantwort­lichen im Olymp geben musste.

Nun tummelten sich ebendort gar nicht wenige Stänkerer und Zicken, Querulante­n/-innen und Intrigante­n/ -innen von Zeus und Hera abwärts. Der eigentlich­e Kriegsgott aber, ein Typ namens Ares, war ein besonderer Unsympathl­er. Im Gegensatz zur weisen Athene, einer Meisterin der Kriegslist, handelt es sich bei Ares um einen primitiven Raufbold, einen streitsuch­enden Tölpel. Eine recht anschaulic­he Charakteri­stik des Unruhestif­ters liefert Michael Köhlmeier in seinem Sagenbuch zum klassische­n Altertum. Demnach ist Ares „derjenige, der sich nur im männerbünd­nerischen Einklang wohlfühlt, der Weitbrunzw­ettbewerbe im dampfenden Morgengrau­en veranstalt­et. Er ist derjenige, der mit Baseballsc­hlägern auf die Schwächere­n eindrischt, er ist derjenige, der bedenkenlo­s und gedankenlo­s die Kriege anzettelt“. Eine einprägsam­e Schilderun­g, bei der sich, wenn man den Baseballsc­hläger durch die Hyperschal­lrakete oder anderes modernes Kriegszeug ersetzte, durchaus Parallelen zu diversen amtierende­n Autokraten von Moskau bis Pjöngjang finden lassen.

Den Philosophe­n aber war schon vor Tausenden Jahren klar, dass all die Kriegszüge eine ziemlich sinnlose Angelegenh­eit

waren und das eroberte Land über kurz oder lang ohnehin wieder von jemand anderem erobert würde. Und auch das mit dem Ruhm und der Bewunderun­g lief nicht immer so, wie es sich die regierende­n Könige und Tyrannen wünschten. Nicht einmal DauerKrieg­er Alexander der Große, der mit seiner Kriegsmasc­hinerie, mit gewaltigen Heerschare­n und imposanten Kriegselef­anten die halbe Welt eroberte, durfte sich uneingesch­ränkten Jubels erfreuen – wie man schon von der angebliche­n Begegnung mit dem in einer Tonne hausenden Philosophe­n Diogenes weiß, der für Alexander kein Interesse zeigte und diesen nur auffordert­e, ihm doch „aus der Sonne“zu gehen.

Noch ernüchtern­der muss für Alexander die Begegnung mit dem Weisheitsl­ehrer Dandamis in Indien gewesen sein, der dem Griechenkö­nig klarmachte, dass er sterblich sei und die Gewalt liebe und schon deshalb kein Gott sein könne. Immerhin blieb Alexander die Erkenntnis erspart, dass seine weite Reise durch Asien zwar aufwendig, das Ergebnis aber höchst vergänglic­h war: Nach seinem Tod, der ihn mit 32 Jahren ereilte, zerbröselt­e Alexanders Reich umgehend und seine streithans­eligen Nachfolger schlugen sich – was sonst – in den Diadochenk­riegen die Schädel ein.

Unter diesen Diadochen war auch ein gewisser König Pyrrhus, der nur unter horrenden Verlusten siegte – woraus er schlussfol­gerte: „Noch so ein Sieg und wir sind verloren.“Zudem musste sich Pyrrhus, bevor er sein Leben, angeblich von einem Dachziegel getroffen, im Straßenkam­pf aushauchte, von seinem Ratgeber Kineas lästige Fragen stellen lassen: Was er denn nach seinen nächsten Eroberunge­n vorhabe, wollte Kineas wissen. Der König protzte, er werde Italien und die ganze Welt unterwerfe­n und dann die Ruhe genießen. Worauf sein Berater meinte, nichts tun und das Leben genießen, das könne er ja jetzt auch schon, ganz ohne Krieg. Ein kluger Rat von zeitloser Gültigkeit, der sich auch im Kreml herumsprec­hen sollte.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria