Wie bibelfest sind Sie?
Essen mit Geisteshaltung. Zwei fantastische Kochbücher lassen einen sprachlos, aber nicht tatenlos zurück.
Von einem Tag auf den anderen scheint alles vorbei zu sein. Diese Erfahrung musste die Ordensschwester Teresa Zukic 2020 machen. Die Diagnose lautete Gebärmutterkrebs. Ihr wurde gesagt, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt. Da blickt man zurück. Sie kam mit ihren Eltern aus Kroatien nach Deutschland, war dann Leistungssportlerin am Schwebebalken. Auch Fußball und Basketball mochte sie. Dann nahm sie eines Tages vor dem Schlafengehen die Bibel zur Hand. „Zufällig“, sagte sie. „Mit Gott hatte ich damals nichts am Hut. Aber dann habe ich so viele interessante und für mich wichtige Texte gefunden, dass ich nicht mehr los von diesem Buch kam.“Der Weg ins Kloster im Bistum Bamberg war vorgezeichnet. Schwester Teresa wurde zu einer Art Supernonne. Weil sie mit Jugendlichen Skateboard fuhr und mit ihnen Fußball und Basketball spielte. Sie schrieb Bestseller und trat vor Millionen Zuschauern im Fernsehen auf. Bei Schreinemakers, Markus Lanz und vielen anderen. Und dann diese Diagnose. „Deshalb gibt es dieses Buch, das jetzt vor Ihnen liegt“, sagt sie.
Dieses Buch trägt den Titel „Himmel im Mund“. Es ist wohl ihr zweitwichtigstes Buch. Nach der Bibel kommt also gleich ein Kochbuch, das sie mit dem Krebsspezialisten Jalid Sehouli geschrieben hat. Die Betonung liegt auf geschrieben. Denn darin sind nicht nur 44 faszinierende köstliche Rezepte enthalten, sondern auch Gedanken der beiden, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten. Die quirlige christliche Nonne und der nachdenkliche muslimische Professor der Berliner Universitätsklinik Charité. Es geht um das Leben und was es ausmacht. Und das sei eben in erster Linie das Essen. Die Worte, die er dafür im Kochbuch findet, klingen so: „Essen bedeutet am Leben zu sein, Essen bedeutet Achtsamkeit zu schenken, Essen bedeutet Liebe zu teilen, Essen bedeutet in den Regelkreis der Natur einzusteigen, Essen bedeutet Dankbarkeit zu zeigen. Essen kann nur bestehen, wenn Nehmen und Geben im Einklang sind.“Das sind wunderschöne Gedanken. Sie klingen wie ein Gebet. Dass es dann ein muslimisches Gebet wäre, bringt uns einander nur näher. So ist Essen. Sehouli wuchs als Kind marokkanischer Eltern in Berlin auf. Er arbeitete sich aus bescheidenen Verhältnissen zu einem der anerkanntesten Krebsspezialisten empor. Seit 15 Jahren wirkt er schon in der Charité. Wirken ist eigentlich zu wenig gesagt. Er rettet dort Leben. Auch jenes von Schwester Teresa hat er nach einer siebenstündigen Operation gerettet.
Wie man dann auf die Idee kommt, ausgerechnet ein Kochbuch zu schreiben? „Ich habe Jalid ein paar Kochrezepte geschickt. Auf einmal hat er marokkanische zurückgeschickt. Der Rest ergab sich von selbst.“
An das erste Rezept, das sie ihm geschickt hat, erinnert sie sich sofort. Während ihrer Chemotherapie wurde sie süchtig nach Wassereis. „Weil ich ständig das Gefühl hatte, dass ich innen brenne.“Also bereitete sie eine kalte Suppe aus Wassermelone, Minze und Zitronensaft zu. Die fror sie dann ein. Schon hatte sie ihr eigenes Eis. „Oder gefüllte Himbeeren“, erinnert sie sich. Was nach einem Haubengericht klingt, ist eine simple Idee – eine Art kulinarisches Ei des Kolumbus. „Der Krebs mag ja keine Himbeeren“, sagt sie. „Also hab ich Minze, Ingwer, Zitronensaft und Agavensaft gemixt und in Himbeeren gefüllt. Wenn man das einfriert, hat man Bonbons zum Lutschen.“
Dieses Kochbuch ist deshalb so herausragend, weil es Weltoffenheit mit gesundheitlichen Aspekten verbindet. „Im Grund ist unser Kochbuch der Beweis, dass man sich gesundschlemmen kann“, sagt Schwester Teresa mit einem Augenzwinkern. So sind auch Gerichte wie Ceviche, also roher Fisch, der mit Mango, Avocado, Zwiebel und Koriander in seinem eigenen Saft gart, darin enthalten. Oder Miso-Suppe, Goldbrasse auf Fenchelgemüse, Wachtel mit Karfiol, Spagettini auf Ziegenfrischkäse mit Honig und gerösteten Sesamkörnern.
Als Krönung nennt Schwester Teresa aber Pastilla. Das sind mit Fisch oder Huhn gefüllte Teigtaschen und das Lieblingsgericht ihres Lebensretters. „Der Krebs hat mein Leben umgedreht. Zuerst dachte ich: ,Warum ich?‘ Dann wurde mir klar, dass es die falsche Frage war. Sie muss lauten: ,Warum nicht ich?‘“Einen Tag vor ihrer Operation wurde sie von Sehouli gefragt, ob sie einen Wunsch hat. „Da bat ich um einen Schluck Champagner“, erzählt sie. Seitdem trinke ich immer Champagner, wenn die Gelegenheit es erlaubt. „Hat man etwas gewonnen, dann hat man sich Champagner verdient. Hat man etwas verloren, dann braucht man ihn.“
Die Bibel als Wegweiser nutzten auch zwei genießerisch veranlagte Pastorinnen. Sie brachten ein bemerkenswertes Werk namens „Himmlisch genießen“heraus. Es ist eine Kooperation der Deutschen Bibelgesellschaft und des Linzer Bibelwerks. Die Rezepte stammen von Kornelia Kraemer, die Texte von den Pastorinnen Ursula Verwold und Martina Baur-Schäfer. Appetitlich in Szene gesetzt wurde es von Sandra Then. Auch dieses Buch ist Koch- und Lesebuch zugleich. Denn die Autorinnen stellen jedem Rezept ein Zitat aus der Bibel gegenüber. Vor allem aber erklären sie, was es mit dem Zitat auf sich hat und wie es mit einem Gericht zum Ausdruck gebracht werden kann. Den philosophischen Anspruch zeigt schon das erste Bibelzitat: „Am Anfang schuf
Gott Himmel und Erde.“(Genesis 1,1). Darüber lässt sich trefflich sinnieren. „Was überwiegt?“, fragt Ulrike Verwold. „Die Zusammengehörigkeit von Himmel und Erde oder ihr Gegenübersein?“Verwold kommt zu dem Schluss, dass Himmel und Erde keine getrennten Welten sind. „Spätestens wenn Jesus selbst die Erde zu seinem Wohnort macht. Da kommt ein Stück Himmel auf die Erde.“Ihr Fazit: „Auch wenn der Himmel für uns unerreichbar scheint, so ist es die Erde für Gott nicht. Himmel und Erde gehören zusammen.“
Jetzt werden Sie womöglich fragen: Wie kann man das in ein Gericht umsetzen? Mit dem Gericht „Himmel und Ääd“. Sie sehen es im großen Bild ganz oben. Die Köchin Kraemer empfiehlt Kartoffeln und Äpfel. Die stehen für die Erde. Und einen Ring Blutwurst für den Himmel. „Wegen des Geschmacks. Damit wir’s nicht so schnell vergessen.“