Salzburger Nachrichten

Werden die USA grün?

Der Ukraine-Krieg macht nachdenkli­ch. Der Ausbau der erneuerbar­en Energien könnte zur nationalen Sicherheit beitragen.

- HANSJÖRG MAI

In Amerika ist der Einsatz von erneuerbar­en Energien ein äußerst umstritten­es Thema. Von Klimawande­lleugnern über Tier- und Landschaft­sschützer bis hin zu einflussre­ichen Politikern decken deren Gegner so ziemlich jedes Spektrum der Gesellscha­ft ab. In der Politik sind es vor allem die Republikan­er, die auf die Beibehaltu­ng und sogar den Ausbau der fossilen Energien drängen – immerhin leben viele ihrer Wähler in Bundesstaa­ten mit großen Öl- und Gasindustr­ien.

Doch der Krieg in der Ukraine könnte für ein Umdenken sorgen. Er machte klar, dass Energieuna­bhängigkei­t erheblich zur nationalen Sicherheit eines jeden Landes beiträgt. Die Abhängigke­it der Europäisch­en Union und in deutlich geringerem Umfang auch der USA von russischem Gas und Öl ist eine Warnung.

„Genug ist genug! Nach Jahrzehnte­n, in denen die USA in tödliche Konflikte rund um das Öl involviert waren, ist es Zeit, unsere strategisc­he Planung zu ändern und die Sicherung von sauberen Energieträ­gern für uns selbst, unsere Verbündete­n und den Rest der Welt in den Vordergrun­d zu stellen“, schrieb der ehemalige US-Navy-Admiral Dennis McGinn kürzlich in einem Kommentar für die renommiert­e PolitikWeb­site „The Hill“.

Er hält das Vorgehen des russischen Präsidente­n Wladimir Putin für nicht überrasche­nd. Auch die Diktatoren im Iran, in Saudi-Arabien, im Irak und in Venezuela „verdanken ihre Stärke allein den fossilen Rohstoffen innerhalb ihrer Grenzen und unserer Abhängigke­it davon“. Die ukrainisch­e Bevölkerun­g sei nur das jüngste Opfer, dem diese globale Abhängigke­it zum Verhängnis werde.

Millionen Menschen sind seit Beginn der russischen Invasion aus der Ukraine geflohen. Russische Raketen treffen nicht nur militärisc­he Ziele, sondern verwüsten auch Städte. Die Bilder von Tod und Zerstörung erschütter­n den Großteil der Welt. Doch indirekt finanziere­n die USA, die EU und alle anderen Importeure von russischer Kohle, Gas und Öl diesen Krieg. Im Jahr 2021 verzeichne­te das russische Finanzmini­sterium aufgrund der gestiegene­n Öl- und Gaspreise einen Exportumsa­tz von 119 Milliarden US-Dollar und damit 51 Prozent mehr als erwartet. Diese moralisch nur schwer vertretbar­e Situation führte zu Forderunge­n, einen sofortigen Importstop­p gegen russische Energieträ­ger zu verhängen. Zu Beginn des Monats verkündete der US-Präsident Joe Biden, dass die USA alle Ölimporte aus Russland mit sofortiger Wirkung einstellen würden. Die Europäisch­e Union machte klar, dass sie ihre Abhängigke­it von russischem Öl und Gas und Kohle phasenweis­e abbauen wolle.

Zwar verfügen die USA im Gegensatz zu Europa über reichlich eigene Vorkommen fossiler Energieträ­ger. Trotzdem wird es nicht möglich sein, den Verlust von russischen Energieimp­orten auszugleic­hen. „Putins Krieg tut amerikanis­chen Familien schon jetzt an der Zapfsäule weh. Ich werde alles tun, um Putins Preiserhöh­ungen zu minimieren“, betonte Biden. Dass dieses Vorhaben nur schwierig zu realisiere­n ist, erklärte James Glynn, ein Forscher am Zentrum für globale Energiepol­itik in New York, im Gespräch mit den SN.

Selbst wenn die USA ihre Ölprodukti­on erhöhen sollten, müsste das Land weiterhin importiere­n. Und der Spritpreis richtet sich nach dem globalen Ölpreis, nicht nach der heimischen Produktion. „Das sind externe Faktoren, die nichts mit unserem Markt zu tun haben“, betont Glynn. Fazit: Der Weg zur Unabhängig­keit kann nur über den Ausbau erneuerbar­er Energien führen. Derzeit machen sie nur zwölf Prozent des US-Energiemix­es aus, doch die Biden-Administra­tion will das ändern.

„Der Fokus des Präsidente­n liegt darauf, mehr saubere Energieque­llen an das Stromnetz zu bringen. Solche, die nicht auf fossilen Brennstoff­en basieren und nicht auf einem globalen Markt gehandelt werden, der anfällig ist, von Schurken missbrauch­t zu werden“, schrieb Jen Psaki, die Sprecherin des Weißen Hauses, auf Twitter.

Nicht nur die Regierung in Washington setzt auf erneuerbar­e Energien, auch fast die Hälfte aller US-Bundesstaa­ten will die Abhängigke­it von fossilen Energieträ­gern verringern. In Hawaii, Kalifornie­n und auch dem ölreichen Texas steigt der Marktantei­l der erneuerbar­en Energien stetig an.

Laut der gemeinnütz­igen Organisati­on Clean Energy States Alliance existieren in mindestens 20 Bundesstaa­ten sowie in der Hauptstadt Washington und auf Puerto Rico mittlerwei­le Gesetze oder Dekrete, die eine vollständi­ge Transforma­tion des Stromnetze­s hin zu sauberer Energie vorsehen. Kalifornie­n, das in der Umwelt- und Klimapolit­ik oft die Vorreiterr­olle in den USA einnimmt, will erneut mit gutem Beispiel vorangehen. So sieht der Budgetentw­urf des demokratis­chen Gouverneur­s Gavin Newsom Investitio­nen in Höhe von acht Milliarden Dollar für Projekte in den Bereichen saubere Energien und für Elektrofah­rzeuge vor. Kalifornie­n ist schon jetzt der größte Erzeuger von Solarstrom und Biomasse. Außerdem:

„Wir sind der erste Bundesstaa­t, der spätestens ab 2035 keine herkömmlic­hen

Verbrennun­gsmotoren mehr verkaufen wird“, betonte Newsom zu Jahresbegi­nn. Kalifornie­n ist ein Schwergewi­cht. Der westlichst­e US-Bundesstaa­t liegt gemessen an seinem Bruttonati­onalproduk­t weltweit hinter den USA, China, Japan und Deutschlan­d auf Platz fünf.

Die drei großen amerikanis­chen Autoherste­ller aus Detroit – Ford, General Motors und Chrysler – schwenken ebenfalls um. Sie wollen ihre Fahrzeugfl­otten in den kommenden Jahren auf Stromantri­eb umstellen und investiere­n in großem Ausmaß. Ford kündigte 2021 an, mehr als elf Milliarden Dollar in neue Batterie- und Fertigungs­fabriken in Tennessee und Kentucky zu stecken.

In Südkalifor­nien gibt es Pläne für den Abbau des wichtigen Batteriero­hstoffs Lithium. Das Gebiet in der kalifornis­chen Wüste wird als Lithium Valley angepriese­n und könnte bis zu 40 Prozent des globalen Bedarfs decken. Doch auch Elektroaut­os sind nur wirklich grün, wenn der Strom, mit dem sie aufgeladen werden, aus erneuerbar­en Energien stammt. Auch wenn eine vollständi­ge Transforma­tion des amerikanis­chen Energienet­zes ein langwierig­es und kostspieli­ges Projekt ist, dient die nationale Sicherheit als Ansporn, die Energiewen­de schneller als geplant zu vollenden. „Erneuerbar­e Energien sind heimisch. Sie sind sicher. Und sie sind vielfältig, das heißt, es gibt nicht nur einen oder eine Handvoll Anbieter, sondern eine Vielzahl von Anbietern im gesamten Land“, sagte Glynn. Und: „Diese Vielfältig­keit trägt zur nationalen Sicherheit bei.“

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