Der Quälgeist im Hinterkopf
ICHbin genervt. Von meinem schlechten Gewissen. Dauernd keimt es auf. Wenn ich Staub im Vorzimmereck finde, der mich daran erinnert: Es wäre an der Zeit zu putzen. Wenn ich ein Schnitzel bestelle und eigentlich umweltbewusst leben will. Wenn ich vor dem Computer sitze, obwohl die Sonne scheint. Oder, wenn ich einer Freundin ein Treffen absagen will.
Es ist wie ein Tinnitus, der nicht weggeht. Meine inneren Alarmglocken können manchmal ganz schön laut sein. Meist dann, wenn ich gerade meine Ruhe genieße. Oft denke ich mir, das schlechte Gewissen will mir absichtlich den Tag verderben.
Das ist auch sein Sinn und Zweck, sagen Forscher. Das ungute Gefühl, das sich da meist in der Magengegend breitmacht, hat seine guten Seiten und soll unser Überleben sichern, schreibt Psychologin Maja Storch in einem Buch über das schlechte Gewissen. Außerdem regelt es unser soziales Miteinander. Sonst würden wir alle ungeniert aufeinander rumtrampeln.
Jeder reagiert auf diese Warnsignale des Körpers aber unterschiedlich: Manche nehmen es leichtfüßig hin, andere lassen zu, dass sie der Quälgeist auf Schritt und Tritt verfolgt.
Ich gehöre wohl eher zu dieser Sorte. Ich habe manchmal sogar ein schlechtes Gewissen, nur weil es mir gut geht. Vor ein paar Wochen war ich im Urlaub. Ich hatte mich schon lange darauf gefreut. Endlich wieder Sand unter den Füßen, Sonne im Gesicht und sonst nichts zu tun. „Na, dir geht’s ja gut“, schrieb mir ein Freund. Und schwups, da war es wieder: das unangenehme Gefühl.
Es gibt Situationen, in denen dieses Gefühl eben durchaus berechtigt ist. Die Psychologin Maja Storch erzählte mir von einem Mann, der täglich zum Einschlafen Fruchtgummi aß, zwei Packerl
Zigaretten rauchte und irgendwie langsam ein mulmiges Gefühl hatte. Später erlitt er einen Herzinfarkt. Der Daueralarm war also durchaus angebracht.
In den meisten Fällen ist es aber überflüssig. Bei zu viel schlechtem Gewissen kann man am Stresshormon Cortisol ertrinken. Und davon hat niemand etwas.
Deshalb ist jetzt Schluss damit, habe ich beschlossen. Es ist okay, mal müde zu sein und ein Treffen abzusagen. Oft freut sich die oder der andere über einen freien Abend. Urlaub ist wichtig, um die Batterien aufzuladen. Wir brauchen Erholung, um nett zueinander sein zu können. Und überhaupt, für sein Glück sollte man sich nicht schämen müssen. Denn eigentlich geht es uns allen doch ähnlich: Manchmal sind wir Pechvögel, dann wieder Glückskinder. Meist ist es irgendetwas dazwischen. Den Putzlappen werde ich übrigens getrost noch zwei oder drei Tage im Eck liegen lassen.