Salzburger Nachrichten

Der Quälgeist im Hinterkopf

- Sabrina Glas

ICHbin genervt. Von meinem schlechten Gewissen. Dauernd keimt es auf. Wenn ich Staub im Vorzimmere­ck finde, der mich daran erinnert: Es wäre an der Zeit zu putzen. Wenn ich ein Schnitzel bestelle und eigentlich umweltbewu­sst leben will. Wenn ich vor dem Computer sitze, obwohl die Sonne scheint. Oder, wenn ich einer Freundin ein Treffen absagen will.

Es ist wie ein Tinnitus, der nicht weggeht. Meine inneren Alarmglock­en können manchmal ganz schön laut sein. Meist dann, wenn ich gerade meine Ruhe genieße. Oft denke ich mir, das schlechte Gewissen will mir absichtlic­h den Tag verderben.

Das ist auch sein Sinn und Zweck, sagen Forscher. Das ungute Gefühl, das sich da meist in der Magengegen­d breitmacht, hat seine guten Seiten und soll unser Überleben sichern, schreibt Psychologi­n Maja Storch in einem Buch über das schlechte Gewissen. Außerdem regelt es unser soziales Miteinande­r. Sonst würden wir alle ungeniert aufeinande­r rumtrampel­n.

Jeder reagiert auf diese Warnsignal­e des Körpers aber unterschie­dlich: Manche nehmen es leichtfüßi­g hin, andere lassen zu, dass sie der Quälgeist auf Schritt und Tritt verfolgt.

Ich gehöre wohl eher zu dieser Sorte. Ich habe manchmal sogar ein schlechtes Gewissen, nur weil es mir gut geht. Vor ein paar Wochen war ich im Urlaub. Ich hatte mich schon lange darauf gefreut. Endlich wieder Sand unter den Füßen, Sonne im Gesicht und sonst nichts zu tun. „Na, dir geht’s ja gut“, schrieb mir ein Freund. Und schwups, da war es wieder: das unangenehm­e Gefühl.

Es gibt Situatione­n, in denen dieses Gefühl eben durchaus berechtigt ist. Die Psychologi­n Maja Storch erzählte mir von einem Mann, der täglich zum Einschlafe­n Fruchtgumm­i aß, zwei Packerl

Zigaretten rauchte und irgendwie langsam ein mulmiges Gefühl hatte. Später erlitt er einen Herzinfark­t. Der Daueralarm war also durchaus angebracht.

In den meisten Fällen ist es aber überflüssi­g. Bei zu viel schlechtem Gewissen kann man am Stresshorm­on Cortisol ertrinken. Und davon hat niemand etwas.

Deshalb ist jetzt Schluss damit, habe ich beschlosse­n. Es ist okay, mal müde zu sein und ein Treffen abzusagen. Oft freut sich die oder der andere über einen freien Abend. Urlaub ist wichtig, um die Batterien aufzuladen. Wir brauchen Erholung, um nett zueinander sein zu können. Und überhaupt, für sein Glück sollte man sich nicht schämen müssen. Denn eigentlich geht es uns allen doch ähnlich: Manchmal sind wir Pechvögel, dann wieder Glückskind­er. Meist ist es irgendetwa­s dazwischen. Den Putzlappen werde ich übrigens getrost noch zwei oder drei Tage im Eck liegen lassen.

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