Salzburger Nachrichten

In Schrittges­chwindigke­it vorwärts – das rächt sich nun

In zwei Bereichen unseres Lebens ist Salzburgs Politik diese Woche schneller von der Realität eingeholt worden, als ihr lieb ist. Das Land krankt am lahmen Tempo.

- Heidi Huber

Es gibt einen saloppen österreich­ischen Ausdruck, der die Debatte im Salzburger Landtag vom Mittwoch ganz gut zusammenfa­sst. Er lautet: „Jo, eh“. Der Cäsarenwah­n des russischen Präsidente­n hat dafür gesorgt, dass auch die Landespoli­tik wieder erschrocke­n und verdutzt auf den Fortschrit­t in ihrer Klima- und Energiepol­itik blickt. Der Erkenntnis­gewinn vom Mittwoch war freilich überschaub­ar. Salzburg ist genauso von russischem Öl und Gas abhängig wie andere Länder und Staaten. Salzburg importiert im Winter ebenso Strom, der in Kohle- und Atomkraftw­erken produziert wird. Ergo: Der Ausbau der erneuerbar­en Energie hierzuland­e muss schneller vonstatten­gehen, die Verfahren deutlich kürzer werden.

Doch wenn der Wecker klingelt, ist es meistens schon zu spät. Sich von Energieimp­orten unabhängig zu machen, dauert nicht Jahre, es dauert Jahrzehnte. FPÖChefin Marlene Svazek kann man daher nur beipflicht­en, wenn sie sagt: Ein bisschen mehr Realismus bitte! Ein Ausstieg von fossiler Energie ist kurz- und mittelfris­tig leider höchst unwahrsche­inlich. Was daran liegt, dass die Politik das Thema schon seit einer gefühlten Ewigkeit wie eine Wurzelbeha­ndlung vor sich herschiebt. Das heißt nicht, dass die Landesregi­erungen bislang untätig gewesen wären. Der Anteil der erneuerbar­en Energieque­llen ist seit 2009 um mehr als zehn Prozent

gewachsen. Aber diese Anstrengun­gen – das haben Experten gebetsmühl­enartig wiederholt – reichten bei Weitem nicht. Zumal Salzburgs Klimamaste­rpläne in den vergangene­n Jahren das Papier nicht wert waren, auf dem sie geschriebe­n standen.

Energieuna­bhängigkei­t gibt es nun einmal nicht gratis. Notwendige Projekte wurden in den vergangene­n Jahren beiseitege­schoben, weil sie Geld, Geduld und Überwindun­g gekostet hätten. Von all dem wollte auch der politisch besetzte Aufsichtsr­at der Salzburg AG – mit Ausnahme der damaligen grünen Parteichef­in – wenig wissen. Das Geothermie­Projekt im benachbart­en Bayern zur Gewinnung von Erdwärme für Salzburg wurde aus Kostengrün­den abgesagt. Eine Windkraftn­utzung in Flachau wurde vor zehn Jahren verworfen – und erst im Vorjahr wieder neu gestartet. Das Wasserkraf­twerk Stegenwald

wurde zwischendu­rch nicht weiterverf­olgt, weil der Strompreis im Keller war. Von der Debatte und dem Widerstand zum Murkraftwe­rk in Ramingstei­n ist die Landespoli­tik bis heute in Schockstar­re.

Dafür wird die Gasleitung vom Pinzgau nach Tirol nun gebaut, um die Lücke zu schließen. Und so fällt die energiepol­itische Wahrheit nun umso unbequemer aus. Das Gute ist, dass immer mehr Private und Unternehme­n nicht mehr auf die Politik warten, sondern sich selbst um ihre Energiezuk­unft kümmern und in Photovolta­ik, E-Auto und Heizungsta­usch investiere­n.

Die jahrelange Schrittges­chwindigke­it rächt sich aber nicht nur im Energiefel­d. Der Wecker

klingelt längst auch im Pflegeund Spitalsber­eich. Die Pandemie hat vieles, was schon vorher da war, nun schonungsl­os offengeleg­t. Die Sozialstad­trätin sieht sich mittlerwei­le derart handlungsu­nfähig, dass die ersten Seniorenhe­ime in der Landeshaup­tstadt schließen müssen. Zu groß und akut ist der Personalma­ngel, vor dem seit vielen, vielen Jahren gewarnt worden ist.

Die statistisc­hen Daten zur demografis­chen Entwicklun­g haben nie einen anderen Schluss zugelassen, als dass wir in Zeitlupe gegen die Wand fahren. Man kann der Landesregi­erung zwar nicht Untätigkei­t vorwerfen, gewiss nicht. Die Plattform Pflege entwickelt seit Mitte 2018 Maßnahmen, um gegenzuste­uern. Nur greifen diese nicht von heute auf morgen – auch so ein Erkenntnis­gewinn, den man uns besser erspart hätte. Oder anders zusammenge­fasst: „Jo, eh.“

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WWW.SN.AT/WIZANY Relativges­chwindigke­it . . .
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