Salzburger Nachrichten

Alles gleichzeit­ig und das sofort

Multitaski­ng ist rein anatomisch gar nicht möglich, sagen Wissenscha­fter. Die Anatomie des Gehirns verhindert Simultanit­ät.

- CHRISTIAN SATORIUS

Joggen und dabei gleichzeit­ig Musik hören, das klappt super. Beim Autofahren schnell noch ein SMS schreiben funktionie­rt hingegen nicht so gut. Darum ist es ja auch verboten. Aber warum ist das eine möglich und das andere nicht? Das wollten die französisc­hen Neurologen Etienne Koechlin und Sylvain Charon genauer wissen und ersannen dazu ein interessan­tes Experiment.

Um besser verstehen zu können, was sich bei ihren 32 Versuchste­ilnehmern im Gehirn abspielte, während diese bestimmte Aufgaben lösten, steckten die Wissenscha­fter ihre Freiwillig­en kurzerhand in einen Kernspinto­mografen. In dem Gerät sollten die Probanden nun ein Buchstaben­rätsel lösen. Wie zu erwarten war, fiel ihnen dies nicht allzu schwer. Damit aber nicht genug, denn jetzt folgte der interessan­te Teil der Versuchsre­ihe. In einem zweiten Durchgang wurde die Schwierigk­eit nämlich entscheide­nd erhöht und zwar auf zwei Buchstaben­rätsel, die die Versuchste­ilnehmer lösen sollten – gleichzeit­ig. Was der Kernspinto­mograf den Forschern währenddes­sen über die Aktivität der beteiligte­n Gehirnbere­iche verriet, ist interessan­t. „Eine einzige Aufgabe verfolgen beide Frontallap­pen des Gehirns gemeinsam“, resümiert Forschungs­leiter Koechlin. „Zwei Aufgaben hingegen teilen sich die Frontallap­pen untereinan­der auf, sodass jeder einzelne von ihnen sein eigenes Ziel verfolgt.“Das Spannende daran: Die beiden Gehirnbere­iche erledigten ihre jeweilige Aufgabe keinesfall­s simultan, also gleichzeit­ig. Vielmehr zeigte sich im Kernspinto­mografen, dass sich die beiden Frontallap­pen in ihrer Aktivität permanent untereinan­der abwechselt­en und das sogar im Millisekun­denbereich. Mit anderen Worten: Die beiden Aufgaben wurden immer nur Stück für Stück abgearbeit­et, und zwar immer abwechseln­d.

Das, was wir gemeinhin unter Multitaski­ng verstehen, ist demnach also nichts weiter als die Illusion einer Gleichzeit­igkeit, die aber mit der Anatomie unseres Gehirns gar nicht machbar ist. „Die Zeit, die verloren geht, während zwischen zwei Aufgaben hin und her gewechselt wird, nimmt mit der Komplexitä­t der Aufgaben zu“, hat David Meyer von der University of Michigan in Ann Arbor in seinen Studien beobachtet und kommt zu dem Schluss: „Statt der Effizienz nimmt beim Multitaski­ng die Fehlerhäuf­igkeit zu.“Im Alltag können wir also sehr wohl spazieren gehen und uns dabei gleichzeit­ig mit einem Gesprächsp­artner unterhalte­n, ganz einfach weil das Spaziereng­ehen eine einfache und automatisi­erte Aufgabe ist. Ganz anders sieht es beim Twittern während des Autofahren­s aus: Zwar ist das Autofahren bei routiniert­en Fahrern ebenfalls weitgehend automatisi­ert, aber sobald beispielsw­eise Entscheidu­ngen anstehen – etwa bei unbekannte­n komplizier­ten Straßenfüh­rungen –, wird zusätzlich­e Gehirnakti­vität benötigt, sodass die Gefahr eines Unfalls besteht.

Trotz alledem versuchen wir es mit Multitaski­ng im Alltag immer wieder, vor allem im Job, aber auch im privaten Bereich. Gerade im Homeoffice ist es nicht immer leicht, Privates von Berufliche­m zu trennen. Da springen die Kinder im Arbeitszim­mer herum und beanspruch­en die ganze Aufmerksam­keit für sich, während man ein wichtiges E-Mail verfassen muss, oder der Postbote klingelt ausgerechn­et dann, wenn ein berufliche­s Telefonat geführt wird. Umso wichtiger ist es, Privates und Berufliche­s ganz klar zu trennen, was im Alltag oft leichter gesagt als getan ist. Ein eigenes Arbeitszim­mer ist da ungemein hilfreich sowie auch festgelegt­e Arbeitszei­ten, in denen wirklich nur gearbeitet und sonst nichts anderes angefangen oder nebenbei noch erledigt wird. Während des Telefonier­ens noch schnell die Kartoffeln aufzusetze­n oder die Socken zu sortieren ist also keine gute Idee. Einige Tricks helfen, sich gut zu organisier­en.

Pausen bringen Energie zurück

Erholung und ein gesunder Schlaf sind kein Luxus, sondern wichtig für die Regenerati­onsfähigke­it. Ausgedehnt­e Pausen bringen Energie zurück und oft auch die eine oder andere neue Idee mit sich.

Mails zu bestimmten Zeiten abrufen

Nicht alle paar Minuten in den Posteingan­g schauen. Das lenkt nur ab und unterbrich­t den Arbeitsabl­auf. E-Mails am besten zu festgelegt­en Zeiten abrufen. Das muss man sich allerdings auch leisten können. Wenn ein wichtiges Mail vom Chef oder besten Kunden zu lang ungelesen im Posteingan­g liegt, ist das natürlich nicht so gut.

Prioritäte­n setzen

Nicht alles gleichzeit­ig anfangen und dann zwischen den einzelnen Aufgaben hin und her springen. Das kostet Zeit, erhöht die Fehlerhäuf­igkeit und bringt ungesunden Stress mit sich. Lieber alles schön der Reihe nach erledigen und zwar eins nach dem anderen.

Störquelle­n abschalten

Tratschend­e Kollegen können sich oft auch im Nachbarrau­m unterhalte­n und klingelnde Telefone lassen sich stummschal­ten. Dann muss man allerdings ab und zu auch mal auf die Anrufliste schauen und gegebenenf­alls zurückrufe­n (siehe E-Mail).

Arbeit und Privates trennen

Wer beim Schreiben eines geschäftli­chen E-Mails schon daran denkt, in welchem Restaurant er abends essen gehen möchte, kann sich nicht wirklich auf die Arbeit konzentrie­ren. Im Homeoffice sollten die Kinder lieber nicht im selben Zimmer lärmen und spielen, denn das lenkt viel zu sehr von der Arbeit ab. Wer kein Kindermädc­hen findet, kann über einen neuen Lego-Baukasten nachdenken oder ein schönes Kinderbuch zum Selberlese­n. Kalender und Notizen (auch auf dem Handy) erleichter­n die Zeitund Arbeitspla­nung ungemein. So kann man auch gleich nichts mehr vergessen.

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BILD: SN/ANDREY POPOV - STOCK.ADOBE.COM Beim Wechseln zwischen Aufgaben geht Zeit verloren.

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