Alles gleichzeitig und das sofort
Multitasking ist rein anatomisch gar nicht möglich, sagen Wissenschafter. Die Anatomie des Gehirns verhindert Simultanität.
Joggen und dabei gleichzeitig Musik hören, das klappt super. Beim Autofahren schnell noch ein SMS schreiben funktioniert hingegen nicht so gut. Darum ist es ja auch verboten. Aber warum ist das eine möglich und das andere nicht? Das wollten die französischen Neurologen Etienne Koechlin und Sylvain Charon genauer wissen und ersannen dazu ein interessantes Experiment.
Um besser verstehen zu können, was sich bei ihren 32 Versuchsteilnehmern im Gehirn abspielte, während diese bestimmte Aufgaben lösten, steckten die Wissenschafter ihre Freiwilligen kurzerhand in einen Kernspintomografen. In dem Gerät sollten die Probanden nun ein Buchstabenrätsel lösen. Wie zu erwarten war, fiel ihnen dies nicht allzu schwer. Damit aber nicht genug, denn jetzt folgte der interessante Teil der Versuchsreihe. In einem zweiten Durchgang wurde die Schwierigkeit nämlich entscheidend erhöht und zwar auf zwei Buchstabenrätsel, die die Versuchsteilnehmer lösen sollten – gleichzeitig. Was der Kernspintomograf den Forschern währenddessen über die Aktivität der beteiligten Gehirnbereiche verriet, ist interessant. „Eine einzige Aufgabe verfolgen beide Frontallappen des Gehirns gemeinsam“, resümiert Forschungsleiter Koechlin. „Zwei Aufgaben hingegen teilen sich die Frontallappen untereinander auf, sodass jeder einzelne von ihnen sein eigenes Ziel verfolgt.“Das Spannende daran: Die beiden Gehirnbereiche erledigten ihre jeweilige Aufgabe keinesfalls simultan, also gleichzeitig. Vielmehr zeigte sich im Kernspintomografen, dass sich die beiden Frontallappen in ihrer Aktivität permanent untereinander abwechselten und das sogar im Millisekundenbereich. Mit anderen Worten: Die beiden Aufgaben wurden immer nur Stück für Stück abgearbeitet, und zwar immer abwechselnd.
Das, was wir gemeinhin unter Multitasking verstehen, ist demnach also nichts weiter als die Illusion einer Gleichzeitigkeit, die aber mit der Anatomie unseres Gehirns gar nicht machbar ist. „Die Zeit, die verloren geht, während zwischen zwei Aufgaben hin und her gewechselt wird, nimmt mit der Komplexität der Aufgaben zu“, hat David Meyer von der University of Michigan in Ann Arbor in seinen Studien beobachtet und kommt zu dem Schluss: „Statt der Effizienz nimmt beim Multitasking die Fehlerhäufigkeit zu.“Im Alltag können wir also sehr wohl spazieren gehen und uns dabei gleichzeitig mit einem Gesprächspartner unterhalten, ganz einfach weil das Spazierengehen eine einfache und automatisierte Aufgabe ist. Ganz anders sieht es beim Twittern während des Autofahrens aus: Zwar ist das Autofahren bei routinierten Fahrern ebenfalls weitgehend automatisiert, aber sobald beispielsweise Entscheidungen anstehen – etwa bei unbekannten komplizierten Straßenführungen –, wird zusätzliche Gehirnaktivität benötigt, sodass die Gefahr eines Unfalls besteht.
Trotz alledem versuchen wir es mit Multitasking im Alltag immer wieder, vor allem im Job, aber auch im privaten Bereich. Gerade im Homeoffice ist es nicht immer leicht, Privates von Beruflichem zu trennen. Da springen die Kinder im Arbeitszimmer herum und beanspruchen die ganze Aufmerksamkeit für sich, während man ein wichtiges E-Mail verfassen muss, oder der Postbote klingelt ausgerechnet dann, wenn ein berufliches Telefonat geführt wird. Umso wichtiger ist es, Privates und Berufliches ganz klar zu trennen, was im Alltag oft leichter gesagt als getan ist. Ein eigenes Arbeitszimmer ist da ungemein hilfreich sowie auch festgelegte Arbeitszeiten, in denen wirklich nur gearbeitet und sonst nichts anderes angefangen oder nebenbei noch erledigt wird. Während des Telefonierens noch schnell die Kartoffeln aufzusetzen oder die Socken zu sortieren ist also keine gute Idee. Einige Tricks helfen, sich gut zu organisieren.
Pausen bringen Energie zurück
Erholung und ein gesunder Schlaf sind kein Luxus, sondern wichtig für die Regenerationsfähigkeit. Ausgedehnte Pausen bringen Energie zurück und oft auch die eine oder andere neue Idee mit sich.
Mails zu bestimmten Zeiten abrufen
Nicht alle paar Minuten in den Posteingang schauen. Das lenkt nur ab und unterbricht den Arbeitsablauf. E-Mails am besten zu festgelegten Zeiten abrufen. Das muss man sich allerdings auch leisten können. Wenn ein wichtiges Mail vom Chef oder besten Kunden zu lang ungelesen im Posteingang liegt, ist das natürlich nicht so gut.
Prioritäten setzen
Nicht alles gleichzeitig anfangen und dann zwischen den einzelnen Aufgaben hin und her springen. Das kostet Zeit, erhöht die Fehlerhäufigkeit und bringt ungesunden Stress mit sich. Lieber alles schön der Reihe nach erledigen und zwar eins nach dem anderen.
Störquellen abschalten
Tratschende Kollegen können sich oft auch im Nachbarraum unterhalten und klingelnde Telefone lassen sich stummschalten. Dann muss man allerdings ab und zu auch mal auf die Anrufliste schauen und gegebenenfalls zurückrufen (siehe E-Mail).
Arbeit und Privates trennen
Wer beim Schreiben eines geschäftlichen E-Mails schon daran denkt, in welchem Restaurant er abends essen gehen möchte, kann sich nicht wirklich auf die Arbeit konzentrieren. Im Homeoffice sollten die Kinder lieber nicht im selben Zimmer lärmen und spielen, denn das lenkt viel zu sehr von der Arbeit ab. Wer kein Kindermädchen findet, kann über einen neuen Lego-Baukasten nachdenken oder ein schönes Kinderbuch zum Selberlesen. Kalender und Notizen (auch auf dem Handy) erleichtern die Zeitund Arbeitsplanung ungemein. So kann man auch gleich nichts mehr vergessen.