Salzburger Nachrichten

Politische­s Versagen in der Pflege

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Mehr als 450.000 Menschen in Österreich sind auf Pflege angewiesen. Das reicht von der stationäre­n Betreuung rund um die Uhr bis zur stundenwei­sen Inanspruch­nahme einer mobilen Unterstütz­ung. Jedes Jahr kommen rund 10.000 hilfsbedür­ftige Menschen dazu.

Und es werden immer mehr.

Völlig gegensätzl­ich entwickelt sich die Zahl derer, die bereit sind, zu helfen und zu pflegen. Derzeit gibt es noch rund 127.000 solche Frauen und Männer. Aber es werden ständig weniger. – Die einen, weil sie in Pension gehen. Die anderen, weil sie den Job nicht mehr länger aushalten. Die Gründe dafür sind rasch aufgezählt: völlige körperlich­e und psychische Überlastun­g bis hin zum Zusammenbr­uch, geringe gesellscha­ftliche und politische Wertschätz­ung, schlechte Bezahlung.

In den kommenden acht Jahren braucht Österreich mindestens 42.000 neue Pflegerinn­en und Pfleger, um das jetzige Niveau überhaupt halten zu können. Aber selbst das wird nicht reichen. Denn Covid hat den Prozess der Abwanderun­g aus der Branche beschleuni­gt. Die wenigen Jungen, die in die Pflege einsteigen möchten, werden gleich zu Beginn zu Gratisprak­tika verdonnert. Sie fühlen sich bereits ausgenutzt, bevor es noch so richtig losgegange­n ist.

Gesellscha­ft wie Politik verschließ­en seit Jahren vor diesen Problemen die Augen. Mit alten, kranken, ja sterbenden Menschen will kaum jemand etwas zu tun haben. Das erinnert zu sehr an die eigene Endlichkei­t. Von der wollen wir nichts wissen. Familienan­gehörige sind daher oft überforder­t, der Staat stellt nicht ausreichen­d Hilfe zur Verfügung. Das geht so weit, dass stark pflegebedü­rftige Menschen aus den Krankenhäu­sern entlassen werden, aber kein Pflegebett finden, zu Hause tagelang in den eigenen Exkremente­n liegen, weil auch kein mobiler Hilfsdiens­t erreichbar ist. Jetzt wird ein Seniorenhe­im aus Personalma­ngel geschlosse­n. Das macht alles nur noch schlimmer.

Wir haben es in der Pflege mit einem eklatanten Politikver­sagen zu tun. Hilfsbedür­ftige ältere Menschen werden im Stich gelassen.

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