Salzburger Nachrichten

Sprit ist echt teuer? Gewöhnen wir uns dran.

Öl, Gas und Benzin kosten so viel, dass es richtig wehtut. Tatsächlic­h ist das aber kein Irrtum der Geschichte. Sondern künftige Normalität.

- Christian Resch CHRISTIAN.RESCH@SN.AT

Kein Politiker, der Wert auf seine Karriere legt, traut sich, diese Wahrheit auszusprec­hen. Doch die Wahrheit soll den Menschen ja angeblich zumutbar sein. Also seien hier die Tatsachen niedergesc­hrieben: Das, was Benzin, Diesel, Gas und Heizöl jetzt gerade kosten, das dürfen sie kosten. Das müssen sie kosten. Und das werden sie, betrachtet auf die kommenden Jahrzehnte, auch kosten – oder sogar mehr. Andernfall­s drohen uns Klimakolla­ps, Verkehrsko­llaps und ein Leben am Gängelband gnadenlose­r Diktatoren, die auf den fossilen Rohstoffen sitzen.

Die gute Nachricht ist: Wir als Gesellscha­ft haben die Technologi­e, das Kapital und die organisato­rischen Möglichkei­ten, um dieses Problem zu bewältigen. Und der Staat ist stark genug, um allen Bürgerinne­n und Bürgern, die allein damit überforder­t wären, ausreichen­d unter die Arme zu greifen.

Was bedeutet das konkret? Einerseits, dass es durchaus akzeptabel ist, wenn wir genau jetzt, ganz akut, Steuergeld dazu verwenden, um diese Kosten- und Inflations­lawine zu bremsen. Sie ist plötzlich über uns hereingebr­ochen und hat Hunderttau­sende Menschen wirtschaft­lich auf dem falschen Fuß erwischt. Sie ist verursacht durch eine globale Pandemie und einen absurden Krieg, und deren Effekte werden nachlassen. Nicht morgen, wohl aber in Monaten.

Anderersei­ts ist zu sagen: Die Art der skizzierte­n staatliche­n Hilfe ist zum Teil fragwürdig. Und noch fragwürdig­er sind die Forderunge­n, die bereits an die Politik gestellt werden. Es ist ein fatales Zeichen, das Pendeln mit dem Verbrenner­Auto noch stärker zu fördern. Noch schlimmer wäre es, Treibstoff­preise zu subvention­ieren – oder Heizöl. Es geht völlig in die falsche Richtung, Stickstoff­dünger billiger zu machen – oder den Ausstoß von CO2 durch die Industrie.

Gewiss, es sind wirtschaft­liche Notlagen entstanden. Doch es gibt andere Möglichkei­ten, mit Steuergeld zu helfen. So kann man zeitweilig Mietzuschü­sse zahlen, damit die Wohnkosten nicht explodiere­n. Man kann Eigentümer­n und Vermietern zu Solaranlag­en und Wärmepumpe­n noch viel mehr hinzuzahle­n, damit die Betriebsko­sten im Rahmen bleiben. Man kann Negativste­uern auszahlen, damit Geringverd­ienern genug zum Leben bleibt. Man kann sogar die Mehrwertst­euer senken, weil das niedrigen Einkommen stärker nützt als hohen. Man kann endlich den Kauf eines Elektroaut­os so hoch fördern, dass die Mobilität für jene bezahlbar bleibt, die auf ihr Auto angewiesen sind. Und für alle, die trotzdem stark leiden, lassen sich Härtefonds einrichten, die unbürokrat­isch kleinere Summen auszahlen.

Ähnliches gilt für die Wirtschaft: Der Staat hat die Instrument­e, um die Lohnkosten zu senken, statt den Gasverbrau­ch billiger zu machen. Man kann Investitio­nsfreibetr­äge erhöhen oder Biolebensm­ittel subvention­ieren statt des Stickstoff­düngers. Man kann auch Sonnenstro­m für Firmen und Landwirte großzügig fördern, Pellets-Kraftwerke und elektrisch­e Dienstfahr­zeuge unterstütz­en und muss nicht den fossilen Treibstoff verbillige­n.

Auf all diese kurzfristi­g gültigen Feststellu­ngen folgt eine langfristi­ge. Sie lautet: Der momentane Preisansti­eg bei fossiler Energie ist nur die Vorwegnahm­e der künftigen Normalität. Und diese Tatsache hat massive Auswirkung­en auf die Lebensplan­ung und das Lebensmode­ll von uns allen. Vor allem aber auf die Zukunft der jungen Menschen, die gerade dabei sind, sich ihr Dasein mit Wohnen, Bildung und Arbeit einzuricht­en.

Wenigstens ihnen zuliebe soll die oben angesproch­ene Wahrheit zumutbar sein und auf den Tisch kommen: Ein großes Haus mit Garten zu besitzen, am besten mit unverbauba­rem Blick auf dem Land, und dann mit dem schweren Dieselbrum­mer in die Arbeit zu pendeln, mehrmals im Jahr in den Urlaub mit dem Düsenflieg­er – das alles ist kein Zukunftsmo­dell. Zumindest für die allermeist­en nicht. Denn es wird, außer für Spitzenver­diener, einfach nicht mehr leistbar sein.

Und das ist beileibe keine apokalypti­sche Nachricht. In der Zukunft werden wir emissionsf­rei fahren, ökologisch und in mittlerer Verdichtun­g bauen und nachhaltig heizen, teils von zu Hause aus arbeiten. Wir werden mit dem Nachtzug durch Europa fahren, gesünder und weniger Fleisch essen, wir werden unsere Energie großteils selbst erzeugen können. Wir müssen nur umdenken – und dann umsteigen.

Wir müssen umdenken – und dann umsteigen

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WWW.SN.AT/WIZANY Luxusprobl­em? . . .

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