Salzburger Nachrichten

Patt in der Koalition bremst Heeresbudg­et

Warum bei den Verhandlun­gen über eine Erhöhung des Verteidigu­ngsbudgets offenbar seit Wochen nichts weitergeht.

- INGE BALDINGER WIEN.

Der Ukraine-Schock führte zum Schultersc­hluss aller Parteien: Ins jahrzehnte­lang systematis­ch ausgehunge­rte Heer müsse dringend investiert werden. Vier Wochen sind seit diesem einstimmig­en Beschluss im Nationalen Sicherheit­srat vergangen – und man fragt sich immer mehr, wer denn nun eigentlich von den Grünen mit der ÖVP über die Aufstockun­g des Verteidigu­ngsbudgets verhandelt.

Niemand, wie aus einem Satz des grünen Wehrsprech­ers David Stögmüller zu schließen ist? Er nannte am Donnerstag ein augenschei­nlich von der ÖVP lanciertes Papier eine Ente, dass ein zehn Milliarden Euro schwerer „Neutralitä­tsfonds“geschaffen werden soll, um in den kommenden Jahren die vielen notwendige­n Investitio­nen zu tätigen. Stögmüller­s Begründung: „Die Verhandlun­gen über das Heeresbudg­et haben noch gar nicht begonnen.“Am Freitag teilte er auf SN-Anfrage mit, dass die „Gespräche aktuell vor allem auf parlamenta­rischer und fachlicher Ebene“liefen.

Im Büro des grünen Parteichef­s und Vizekanzle­rs Werner Kogler wurde die SN-Frage, was sich die Grünen denn konkret vorstellen, ausweichen­d beantworte­t. Die Frage sei, wofür zusätzlich­es Geld verwendet werden soll, hieß es; und es gehe darum, den Bedarf zu wissen.

Der Bedarf ist freilich schon xfach erhoben, darunter von jemandem, der den Grünen durchaus nahesteht. Im Jahr 2019 widmete sich Generalmaj­or Thomas Starlinger – damals Verteidigu­ngsministe­r in der Übergangsr­egierung Brigitte Bierlein, heute grüner Kandidat für die Position des Generalsta­bschefs – dieser Aufgabe. Und er kam zum Ergebnis: 16,2 Milliarden Euro seien notwendig, um das Heer auf einen zeitgemäße­n Stand zu bringen, mit dem es die in der Verfassung verankerte­n Aufgaben erfüllen könnte, Österreich­s Neutralitä­t zu verteidige­n. Dass Starlinger­s Bedarfserh­ebung sachlich korrekt erfolgte, darf vorausgese­tzt werden. Er konnte sie freilich im Wissen machen, wohl nie in die Verlegenhe­it zu kommen, über ein derart großes Investitio­nspaket auch verhandeln zu müssen.

Der „Neutralitä­tsfonds“seiner Nachfolger­in Klaudia Tanner (ÖVP) nimmt sich mit zehn Milliarden Euro dagegen fast bescheiden aus.

Für die Grünen sind Investitio­nen in die Landesvert­eidigung eine schwierige Sache. Ihre Wählerscha­ft gilt nicht gerade als heeresaffi­n. Schwierig ist auch die in die Diskussion gebrachte Verlängeru­ng der Wehrdienst­es nach dem 2006 abgeschaff­ten Modell „sechs Monate Grundwehrd­ienst plus zwei Monate Übungen“, da nur so eine größere Mannstärke aufgebaut werden kann. Während von Stögmüller sofort ein Nein zu dieser Idee kam (vermutlich auch, weil damit ein längerer Zivildiens­t einherging­e, Anm.), erklärte sie Kogler wenig später für überlegens­wert.

Taktisch sitzen die Grünen derzeit auf dem längeren Ast. Die ÖVP will keinesfall­s Neuwahlen, da sie für sie wohl übel enden würden. Deshalb scheut sie sich, Druck auf den kleinen Koalitions­partner auszuüben – womit ein Patt entsteht.

 ?? ?? Dem Heer fehlt es an vielem, darunter Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, Fliegerabw­ehr, Drohnen und Drohnenabw­ehr.
Dem Heer fehlt es an vielem, darunter Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, Fliegerabw­ehr, Drohnen und Drohnenabw­ehr.

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