Wie Coronatote durchrutschen
Die Regierung musste nun einräumen, dass die Zahl der Todesfälle durch die Covidpandemie im Vorjahr um ein Fünftel höher war als bisher bekannt. Die Opposition reagierte empört.
Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker spricht von einem „Datenchaos des Gesundheitsministeriums“. Nach zwei Jahren Pandemie gebe es nicht einmal eine solide Datenbasis. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sagt, dass man sich nicht wundern dürfe, wenn die Menschen nicht mehr wüssten, was sie glauben sollten. Grund für die Kritik ist die Aussage des Gesundheitsministeriums, dass die Zahl der Coronatoten für das Jahr 2021 um 3412 höher sei als bisher angenommen. Die Zahl der Menschen, die in Österreich bisher an dem Virus gestorben sind, erhöht sich damit auf 19.851. Das bedeutet, wie berichtet, eine Steigerung um 21 Prozent oder rund ein Fünftel.
Im Gesundheitsministerium wurde auf SN-Nachfrage am Mittwoch betont, der Anstieg der Covid19-Todesfallzahlen komme durch einen Datenabgleich zwischen der umfassenden Todesursachenstatistik der Statistik Austria und dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS) des Gesundheitsministeriums zustande. Das EMS ist die Basis für die Statistiken, die seit Pandemiebeginn im März 2020 täglich veröffentlicht werden. Die betroffenen Fälle seien als Coviderkrankungen bereits im EMS vorhanden gewesen, aber dort seien bisher keine Sterbedaten erfasst gewesen.
Dieser Datenabgleich zwischen Statistik Austria und Gesundheitsministerium werde ein Mal jährlich gemacht. Für das Jahr 2020 seien vor etwa einem Jahr weniger als 1000 Todesfälle nachgemeldet worden, sagte Thomas Neubauer aus dem Kabinett von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Eine genaue Erklärung dafür, warum die Zahl der nachträglich dem Coronavirus zugeordneten Todesfälle für 2021 ein Mehrfaches der Zahl für 2020 beträgt, gab es nicht. Vermutlich spiele die höhere Anzahl der Infektionen im ganzen Jahr 2021 eine Rolle, hieß es.
Der Systemanalytiker der Gesundheit Österreich, Florian Bachner, sagt, dass die vermehrten Todesfälle keine Auswirkungen auf die Prognosen der Covidpandemie gehabt hätten. Maßstab sei hier vor allem die Zahl der infizierten Personen sowie die Auslastung der Normal- und Intensivstationen der Spitäler gewesen. Trotzdem sei es natürlich notwendig, über eine bessere Datenbasis nachzudenken, die alle relevanten Informationen enthält. Dies würde inkludieren, dass auch einwandfrei und zeitnah ausgewiesen wird, wer mit oder an Covid-19 gestorben sei.
Ein Beispiel: In Krankenhäusern wurden Patientinnen und Patienten, die wegen Covid auf der Intensivstationen liegen und dort auch verstarben, nicht mehr als Covidkranke gezählt, sobald die Infektion nicht mehr nachweisbar war. Für Statistiker Erich Neuwirth entsteht das Problem dadurch, dass die Daten nicht zentral, sondern von den einzelnen Bezirkshauptmannschaften ins EMS eingetragen werden. „Die Datenqualität liegt an der Eingabe und an den Kontrollen der Eingabe.“Es könne zu Problemen führen, wenn die Werte nicht einheitlich und klassifiziert eingetragen werden. Die Statistik Austria überarbeitet die Daten, indem sie die Todesursachen mit den Sterbeurkunden abgleicht und nachträgt. Weil dies nur von einer Stelle gemacht wird, könne man davon ausgehen, dass dies ein „homogener“Prozess sei, so Neuwirth. Sein Fazit: „Wenn die Daten nicht in Ordnung sind, ist es schwierig, gute Analysen zu erstellen.“
Die Nachmeldungen von Todesfällen verteilen sich nicht gleichmäßig über die neun Bundesländer. Das zeigt eine der APA vorliegende Aufschlüsselung. Demnach sind in Niederösterreich drei von zehn Coronatodesfällen bisher nicht in der Statistik aufgeschienen, noch größer ist der Anteil der Nachmeldungen in Tirol mit gut einem Drittel. Vergleichsweise wenige Nachmeldungen gab es in der Steiermark und in Wien. Mit einem Anstieg von 190 bei den coronabedingten Todesfällen (auf insgesamt 1115) liegt Salzburg genau im Österreich-Schnitt von plus 21 Prozent. Ab Donnerstag sollen die korrigierten Todesfallzahlen auch in den Datenbanken der Länder aufscheinen.
Am Mittwoch wurden 7571 Corona-Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden in Österreich gemeldet. In Spitälern wurden 1876 an Covid Erkrankte behandelt, 138 Coronainfizierte auf Intensivstationen, die Tendenz ist weiter sinkend. Und es gab 31 weitere Todesfälle.