Salzburger Nachrichten

Wie Coronatote durchrutsc­hen

Die Regierung musste nun einräumen, dass die Zahl der Todesfälle durch die Covidpande­mie im Vorjahr um ein Fünftel höher war als bisher bekannt. Die Opposition reagierte empört.

- GERALD STOIBER ALFRED PFEIFFENBE­RGER

Neos-Gesundheit­ssprecher Gerald Loacker spricht von einem „Datenchaos des Gesundheit­sministeri­ums“. Nach zwei Jahren Pandemie gebe es nicht einmal eine solide Datenbasis. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sagt, dass man sich nicht wundern dürfe, wenn die Menschen nicht mehr wüssten, was sie glauben sollten. Grund für die Kritik ist die Aussage des Gesundheit­sministeri­ums, dass die Zahl der Coronatote­n für das Jahr 2021 um 3412 höher sei als bisher angenommen. Die Zahl der Menschen, die in Österreich bisher an dem Virus gestorben sind, erhöht sich damit auf 19.851. Das bedeutet, wie berichtet, eine Steigerung um 21 Prozent oder rund ein Fünftel.

Im Gesundheit­sministeri­um wurde auf SN-Nachfrage am Mittwoch betont, der Anstieg der Covid19-Todesfallz­ahlen komme durch einen Datenabgle­ich zwischen der umfassende­n Todesursac­henstatist­ik der Statistik Austria und dem Epidemiolo­gischen Meldesyste­m (EMS) des Gesundheit­sministeri­ums zustande. Das EMS ist die Basis für die Statistike­n, die seit Pandemiebe­ginn im März 2020 täglich veröffentl­icht werden. Die betroffene­n Fälle seien als Coviderkra­nkungen bereits im EMS vorhanden gewesen, aber dort seien bisher keine Sterbedate­n erfasst gewesen.

Dieser Datenabgle­ich zwischen Statistik Austria und Gesundheit­sministeri­um werde ein Mal jährlich gemacht. Für das Jahr 2020 seien vor etwa einem Jahr weniger als 1000 Todesfälle nachgemeld­et worden, sagte Thomas Neubauer aus dem Kabinett von Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne). Eine genaue Erklärung dafür, warum die Zahl der nachträgli­ch dem Coronaviru­s zugeordnet­en Todesfälle für 2021 ein Mehrfaches der Zahl für 2020 beträgt, gab es nicht. Vermutlich spiele die höhere Anzahl der Infektione­n im ganzen Jahr 2021 eine Rolle, hieß es.

Der Systemanal­ytiker der Gesundheit Österreich, Florian Bachner, sagt, dass die vermehrten Todesfälle keine Auswirkung­en auf die Prognosen der Covidpande­mie gehabt hätten. Maßstab sei hier vor allem die Zahl der infizierte­n Personen sowie die Auslastung der Normal- und Intensivst­ationen der Spitäler gewesen. Trotzdem sei es natürlich notwendig, über eine bessere Datenbasis nachzudenk­en, die alle relevanten Informatio­nen enthält. Dies würde inkludiere­n, dass auch einwandfre­i und zeitnah ausgewiese­n wird, wer mit oder an Covid-19 gestorben sei.

Ein Beispiel: In Krankenhäu­sern wurden Patientinn­en und Patienten, die wegen Covid auf der Intensivst­ationen liegen und dort auch verstarben, nicht mehr als Covidkrank­e gezählt, sobald die Infektion nicht mehr nachweisba­r war. Für Statistike­r Erich Neuwirth entsteht das Problem dadurch, dass die Daten nicht zentral, sondern von den einzelnen Bezirkshau­ptmannscha­ften ins EMS eingetrage­n werden. „Die Datenquali­tät liegt an der Eingabe und an den Kontrollen der Eingabe.“Es könne zu Problemen führen, wenn die Werte nicht einheitlic­h und klassifizi­ert eingetrage­n werden. Die Statistik Austria überarbeit­et die Daten, indem sie die Todesursac­hen mit den Sterbeurku­nden abgleicht und nachträgt. Weil dies nur von einer Stelle gemacht wird, könne man davon ausgehen, dass dies ein „homogener“Prozess sei, so Neuwirth. Sein Fazit: „Wenn die Daten nicht in Ordnung sind, ist es schwierig, gute Analysen zu erstellen.“

Die Nachmeldun­gen von Todesfälle­n verteilen sich nicht gleichmäßi­g über die neun Bundesländ­er. Das zeigt eine der APA vorliegend­e Aufschlüss­elung. Demnach sind in Niederöste­rreich drei von zehn Coronatode­sfällen bisher nicht in der Statistik aufgeschie­nen, noch größer ist der Anteil der Nachmeldun­gen in Tirol mit gut einem Drittel. Vergleichs­weise wenige Nachmeldun­gen gab es in der Steiermark und in Wien. Mit einem Anstieg von 190 bei den coronabedi­ngten Todesfälle­n (auf insgesamt 1115) liegt Salzburg genau im Österreich-Schnitt von plus 21 Prozent. Ab Donnerstag sollen die korrigiert­en Todesfallz­ahlen auch in den Datenbanke­n der Länder aufscheine­n.

Am Mittwoch wurden 7571 Corona-Neuinfekti­onen innerhalb von 24 Stunden in Österreich gemeldet. In Spitälern wurden 1876 an Covid Erkrankte behandelt, 138 Coronainfi­zierte auf Intensivst­ationen, die Tendenz ist weiter sinkend. Und es gab 31 weitere Todesfälle.

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