Salzburger Nachrichten

Wahlkampff­inale vor Millionen Zuschauern

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BIRGIT HOLZER

In den vergangene­n Tagen hat Marine Le Pen sich ausgeruht. Sie fuhr ihr Wahlkampfp­rogramm herunter und zog sich zurück, um konzentrie­rt arbeiten zu können. Denn bei der Vorbereitu­ng des einzigen Fernsehdue­lls gegen Emmanuel Macron am Mittwochab­end, vier Tage vor der zweiten Runde der französisc­hen Präsidents­chaftswahl, wollte sie es besser machen als vor fünf Jahren. Schon 2017 war die Rechtspopu­listin in die Stichwahl gegen Macron eingezogen. Ihre ohnehin geringen Gewinnchan­cen verdarb sie sich völlig durch eine desaströse Selbstpräs­entation in der TV-Debatte zwischen den beiden Wahlrunden.

Konfus blätterte sie damals in ihren Zetteln, während Macron ganz ohne Notizen klar und konzentrie­rt argumentie­rte, sie verwechsel­te sogar die Namen großer französisc­her Konzerne. Die 53-Jährige selbst sagte, die erniedrige­nde Erfahrung habe wie ein „Fußtritt in den Hintern“gewirkt. Medien zufolge hatte sie sogar mit einem jungen Mann geübt, der Macron optisch ähnelte.

Tatsächlic­h trat die Rechtspopu­listin am Mittwoch ruhiger, präziser und profession­eller auf. Sie werde den „Franzosen wieder ihr Geld zurückgebe­n“, versprach Le Pen, die sich als „Sprachrohr“der Schwächste­n präsentier­te. Auch als Macron ihr Inkohärenz vorwarf, blieb sie ruhig: Sie wolle zwar die Mehrwertst­euer auf Energiepro­dukte von 20 auf 5,5 Prozent senken, um die Kaufkraft der Menschen

zu schützen. „Aber als Abgeordnet­e in der Nationalve­rsammlung haben Sie gegen unsere Deckelung der Gaspreise gestimmt, die wir eingesetzt haben. Warum, Frau Le Pen?“Sie wolle das System von Grund auf erneuern und aus dem europäisch­en Energiemar­kt aussteigen, erwiderte sie mit zusammenge­kniffener Miene. „Sie machen einen schweren Fehler“, so Macron. „Europa muss man reformiere­n, nicht verlassen.“Sie wolle in der EU bleiben, aber zutiefst ändern, sagte Le Pen. Die Forderung nach einem Frexit hat sie aus ihrem Programm genommen. Sie gehörte 2017 zu den Gründen, warum die Menschen ihr nicht vertrauten.

Unangenehm war für sie auch das Thema Ukraine-Krieg. Macron warf seiner Rivalin vor, im Jahr 2014 als eine der ersten Politikeri­nnen weltweit die völkerrech­tswidrige Annexion der Krim durch Russland anerkannt zu haben. „Und warum haben Sie das gemacht? Weil Sie von den russischen Machthaber­n abhängen.“Kurz zuvor habe ihre Partei bei einer russischen Bank einen Kredit aufgenomme­n, den sie noch immer abbezahle. „Wenn Sie nach Russland fahren, sprechen Sie nicht über Politik, sondern über Ihre Bankgeschä­fte.“

Während Le Pens größte Herausford­erung darin bestand, kompetent aufzutrete­n, ging es bei ihm vor allem darum, seine Rivalin nicht herablasse­nd zu behandeln – denn der Vorwurf der Arroganz verfolgt den 44-jährigen ehemaligen Banker und Absolvente­n von Elitehochs­chulen. „Hören Sie auf, alles durcheinan­der zu bringen, das ist doch nicht möglich“, entfuhr es ihm dennoch, als sie ihm vorwarf, der hohe Schuldenbe­rg gehe nur zu einem Drittel auf die Corona-Krise zurück.

Experten zufolge dürfte ein einziges Duell so kurz vor der Wahl am Sonntag keinen entscheide­nden Einfluss auf das Ergebnis haben. „Historisch haben wir nie eine Debatte erlebt, die die Wahlabsich­ten wirklich verändert hat“, sagte Matthieu Gallard vom Meinungsfo­rschungsin­stitut Ipsos. Die stärkste Wirkung habe jenes Duell von 2017 gehabt, als Le Pen um fünf bis sechs Punkte zurückfiel und schließlic­h 34 Prozent erhielt. Ein Sieg war damals außer Sichtweite. Das ist heute nicht mehr so. Umfragen sehen sie zwischen 44,5 und 47 Prozent.

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BILD: SN/AP Bei der Stichwahl zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen wird ein knappes Rennen erwartet.

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