Salzburger Nachrichten

Frischer Wind an der Wiener Volksoper

Harald Schmidt als Operettenk­önig, originelle Regieideen und vertauscht­e Rollen prägen die erste Spielzeit von Lotte de Beer.

-

WIEN. „Gebt mir die Türkenoper“, soll Nurkan Erpulat gefordert haben. Der Berliner Regisseur türkischer Herkunft will Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“aus der Perspektiv­e von Bassa Selim inszeniere­n.

Die originelle Regieidee steht exemplaris­ch für den frischen Wind, der ab September durch die Wiener Volksoper wehen soll. „Wir wollen spielen. Wir wollen verzaubern. Wir wollen verführen. Wir wollen berühren. Und wir wollen auch scheitern“, verkündete die künftige Intendanti­n Lotte de Beer am Mittwoch zu Beginn ihrer Präsentati­on der neuen Spielzeit. Die niederländ­ische Regisseuri­n will das Haus am Gürtel „zu einer Volksoper im wahrsten Sinne des Wortes“ machen, zu einem „Zuhause für die Wienerinne­n und Wiener, aber auch für Künstler, wo die Tinte noch nass ist“.

Nach fünfzehn Jahren unter der soliden Leitung von Robert Meyer steht dem Haus am Gürtel eine Frischzell­enkur an, die sich durch alle Bereiche des Hauses zieht – vom neuen Musikchef Omer Meir Wellber über Elektromob­ilität bei den Dienstfahr­zeugen bis zum ambitionie­rten Spielplan. Die Saison beginnt mit einem Coup: Harald Schmidt wird in Carl Millöckers Operette „Die Dubarry“den König verkörpern. Gespielt wird eine Berliner und Wiener Mischfassu­ng – zwei Pole des Operetteng­enres treffen gleich zu Beginn der neuen Intendanz aufeinande­r.

„Zwischen Nostalgie und Utopie“bewege sich ihre Spielzeit, sagt Lotte de Beer. Die „Dreigrosch­enoper“von Bertolt Brecht und Kurt Weill nutzt sie für Cross-Gender-Casting, Sona MacDonald schlüpft in die Rolle des Macheath. Maria Happel wiederum übernimmt die Rolle des Frosch in der „Fledermaus“.

„Orpheus in der Unterwelt“wird von der britischen Künstlergr­uppe Spy Monkeys in Szene gesetzt, Lotte de Beer schwärmt von „den Monty Python unserer Zeit“. Die Intendanti­n führt Regie in der Uraufführu­ng von „Die letzte Verschwöru­ng“, einer Neo-Operette von Moritz Eggert über Schwurbler und andere Verschwöru­ngstheoret­iker, sowie in einer buchstäbli­chen Verflechtu­ng von Tschaikows­kys Operneinak­ter „Jolanthe“und dem Ballett „Der Nussknacke­r“.

Auch Staatsball­ettchef Martin Schläpfer lässt sich vom neuen Schwung an der Volksoper anstecken und zeigt am Eröffnungs­abend eine Arbeit des „Punk-Choreograf­en“Mark Morris. Gemeinsam mit den Wiener Festwochen will man eine Pop-Choreograf­ie von Anne Teresa de Keersmaeke­r nach Wien bringen.

Das Ziel der programmat­ischen Neuausrich­tung ist eindeutig. „Wir wollen neue Zielgruppe­n gewinnen“, bestätigt Geschäftsf­ührer Christoph Ladstätter. Für Unter-30Jährige soll es günstige Karten geben, an Wochenende­n locken familienfr­eundliche Beginnzeit­en. Zudem werden Ticketing, Notenmater­ial und Produktion­sprozesse digitalisi­ert. Zur inhaltlich­en Verjüngung­skur gesellt sich eine optische: Im Sommer wird die Fassade erneuert, ab Herbst erstrahlt die Volksoper in neuem Look.

 ?? ?? Die neue Intendanti­n Lotte de Beer richtet das Haus am Gürtel neu aus.
Die neue Intendanti­n Lotte de Beer richtet das Haus am Gürtel neu aus.

Newspapers in German

Newspapers from Austria