Putins unsichtbare Armee von Trollen
Der Ukraine-Krieg ist auch ein Kampf um Wahrheit und Lüge. Vor allem in sozialen Medien tummeln sich sogenannte Trolle, die im Dienste Russlands Desinformation verbreiten wollen.
SALZBURG. „Nazi“, „Kriegstreiber“, „neuer Hitler“. Vielfältig sind die Beschimpfungen, die sich im Netz gegen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj richten. Kommentare wie diese – die sich zum Teil auch auf den Social-Media-Kanälen der SN finden lassen – greifen dabei auf ein Narrativ des russischen Propagandaapparats zurück: Die Ukraine müsse „entnazifiziert“werden. Doch stecken hinter diesen Kommentaren reale Personen oder sind „Trolle“dafür verantwortlich, die in sozialen Netzwerken Stimmung im Sinne der russischen Regierung machen?
Die Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig rät zunächst einmal zur Vorsicht: denn nicht alle prorussischen Kommentare auf Facebook, Twitter und Co. seien auf Trolle zurückzuführen und nicht alle Trolle seien im Auftrag des Kremls unterwegs. „Man muss in diesem Kontext aufpassen, was mit ,Troll‘ gemeint ist“, sagt Brodnig. Denn als Troll bezeichne man im Internet allgemein Menschen, die andere verärgern wollen – nicht immer stecke eine politische Absicht dahinter. „Das, was in diesem Kontext gemeint ist, sind Trolle, die von kremlnahen Akteuren finanziert werden und in deren Auftrag Kommentare verfassen“, führt sie aus.
Die wohl bekannteste „Trollfabrik“, ein Netz aus ebensolchen „Kremltrollen“, die für ihre Stimmungsmache bezahlt werden, sei die IRA (Internet Research Agency) mit Sitz in St. Petersburg. „Insbesondere während des US-Wahlkampfs im Jahr 2016 konnte eine starke Aktivität dieser Trollfabrik dokumentiert werden“, erklärt Brodnig. Auch während der Annexion der Krim seien sie aktiv gewesen.
Dass sich Trolle in Internetforen immer stärker professionalisieren, beobachtet auch Dominik Engel, Leiter des Zentrums für sichere Energieinformatik an der FH Salzburg: „Die Diskussionen werden dabei breit angelegt. Einer agiert gemäßigter, der andere weniger gemäßigt. Aber am Ende kommt eine gewünschte Meinung heraus.“
Ein falsches Profil auf sozialen Medien ist dabei schnell erstellt: Mehr als eine Telefonnummer oder eine E-Mail-Adresse ist meist nicht notwendig. „Denn Plattformen ist ja daran gelegen, den Zugang so niederschwellig wie möglich zu halten“, sagt Engel. Bei den Profilfotos wird es gefinkelter: „Es gibt aber mittlerweile viele Tools, die mit künstlicher Intelligenz täuschend echte Profilbilder generieren.“
KI erstellt täuschend echte Profilbilder
Diese Generatoren arbeiten auf Basis neuer Möglichkeiten zur Bilderzeugung – wie etwa dem Algorithmus von Nvidia. Entwickelt wurde diese Software für leistungsfähige Grafikkarten, die im Gamingbereich eine Rolle spielen. Trollfabriken verwenden diese Algorithmen zur Erstellung von Fake-Profilbildern. Die Basis dafür bieten etwa Fotodienste wie Flickr. „Vereinfacht gesagt wird diese künstliche Intelligenz mit einem Zusammenschnitt von Hunderttausenden Fotos von Personen gefüttert, erkennt darin
Muster und generiert daraus neue Profilbilder“, erklärt Engel.
Auf Webseiten wie this-persondoes-not-exist.com kann man sich ein Bild davon machen: Die Software analysiert und verfremdet im Sekundentakt unzählige Fotos – mit den Augen der Person A, der Kopfform von Person B, der Frisur von C und dem Teint der Person D. „Beim Ergebnis kann man sich sicher sein, dass die generierte Person nicht existiert“, sagt Engel.
Ingrid Brodnig warnt aber auch davor, nicht vorschnell zu urteilen. Denn nicht alle prorussischen Kommentare in sozialen Netzwerken seien auf bezahlte Propaganda zurückzuführen: „Es gibt auch Menschen, die hier in Österreich leben und dieses russische Narrativ für sich übernommen haben“, sagt sie. „Sie informieren sich dann beispielsweise seit einigen Jahren über russische Medien.“
Häufig sei nicht auf den ersten Blick ersichtlich, hinter welchen Kommentaren reale Personen und hinter welchen Kremltrolle stecken, sagt Brodnig. Es gebe aber ein paar Hinweise: „Bei einzelnen Kremltrollen, die in Zeitungsforen aktiv waren, konnte man feststellen, dass sie häufiger den Namen und Wohnort ändern.“Dies sei ein eher verdächtiges Verhalten und für reale
Personen eher „untypisch“. Auch wenn über die Profile immer nur dieselben Inhalte verbreitet würden, könne das ein Hinweis sein: „Bei Privatpersonen ist nicht immer, aber oft ein Mix aus Inhalten festzustellen.“
Am Ende unterhalten sich auf Social-Media-Kanälen aber nicht nur „reale“Menschen und Trolle, sondern es kommen auch sogenannte Chatbots zum Einsatz: Diese auch „Konversationsagenten“genannten Bots basieren ebenfalls auf künstlicher Intelligenz und „agieren nach bestimmten Suchbegriffen“, erklärt Engel. Sie liken Postings, die in eine bestimmte Richtung gehen, teilen Tweets auf Twitter „und erreichen damit eine Meinungsverstärkung, indem sie die Algorithmen der Social-MediaKanäle nutzen“, sagt Engel.
Und wie kann man sich generell vor Trollen und gezielter Meinungsmache schützen? „Man sollte Meinungen, die auf sozialen Medien verbreitet werden, immer kritisch hinterfragen“, sagt Engel. „Ich würde raten, soziale Medien nicht als einzige Informationsquelle zu nutzen, sondern auch objektiv recherchierte, aufbereitete Inhalte zu konsumieren.“