Salzburger Nachrichten

Macron oder Le Pen: Europa steht mit zur Wahl

Rechtspopu­listische Abenteurer in Budapest oder Ljubljana sind verkraftba­r, in Paris sind sie brandgefäh­rlich für die EU.

- Sylvia Wörgetter SYLVIA.WOERGETTER@SN.AT

Am Sonntag entscheide­t Frankreich darüber, ob Emmanuel Macron in eine zweite Amtszeit als Staatspräs­ident geht oder Marine Le Pen in den Élysée-Palast einzieht. Die Wahl zwischen dem liberalen Proeuropäe­r und der rechtsextr­emen Nationalis­tin ist weit mehr als nur eine Angelegenh­eit der Grande Nation. Sie ist von europäisch­er Bedeutung. Entspreche­nd gebannt blickt man von Brüssel und den anderen Hauptstädt­en aus nach Paris.

Gewinnt Le Pen, erschütter­t das die Europäisch­e Union. Und zwar so sehr, dass als Erstes wohl die Mauer der Einigkeit gegenüber dem russischen Kriegsherr­n Wladimir Putin einbricht und als Nächstes die deutsch-französisc­he Achse.

Anders als noch vor fünf Jahren gibt sich Le Pen diesmal im Ton moderat. In der Sache aber bleibt sie: antieuropä­isch, prorussisc­h und nationalis­tisch. Ihr Programm: Frankreich kann es allein. Dass ihren Vorhaben – etwa der Diskrimini­erung ausländisc­her Bürger und Firmen, der Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e oder der Kürzung des EU-Beitrags – europäisch­e Gesetze entgegenst­ehen, ignoriert sie. So wie das auch Viktor Orbán in Ungarn immer wieder tut, auf den sie verweist. Ungarn freilich ist mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern eine vergleichs­weise kleine Nummer im Konzert der 27 EU-Staaten.

Frankreich ist ein anderes Kaliber: Gründungss­taat der EU, Reformmoto­r, einzige Atommacht und einziges ständiges Mitglied im UN-Sicherheit­srat. Die EU kann rechtspopu­listische Abenteurer in Budapest verkraften, auch in Ljubljana, wo sich am Sonntag Janez Janša wieder der Wahl stellt. Aber in Paris?

Le Pen will den Aachener Vertrag mit Deutschlan­d kündigen, der auch eine sicherheit­spolitisch­e Zusammenar­beit vorsieht. Sie hat vor, Frankreich aus der Kommandost­ruktur der NATO abzuziehen. Sie will den Green Deal aufkündige­n. Sie, die ihre Partei mit russischem Kredit finanziert hat, will Putin

„nach dem Ukraine-Krieg“wieder zum Verbündete­n und bis dahin keine weiteren Sanktionen zulassen.

Le Pen steht für ein „Europa der Vaterlände­r“, in dem die EU als Verwaltung­sapparat fungiert. Macron dagegen weiß, dass selbst so bedeutende Nationalst­aaten wie Frankreich nur mit Partnern bestehen können in globalem Wettbewerb und globalen Krisen. Die Erfahrunge­n mit Pandemie und russischer Aggression geben ihm recht. Aus europäisch­er Perspektiv­e ist zu hoffen, dass das am Sonntag auch die französisc­hen Wählerinne­n und Wähler tun. Denn Innenpolit­ik ist längst auch Europapoli­tik.

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