Macron oder Le Pen: Europa steht mit zur Wahl
Rechtspopulistische Abenteurer in Budapest oder Ljubljana sind verkraftbar, in Paris sind sie brandgefährlich für die EU.
Am Sonntag entscheidet Frankreich darüber, ob Emmanuel Macron in eine zweite Amtszeit als Staatspräsident geht oder Marine Le Pen in den Élysée-Palast einzieht. Die Wahl zwischen dem liberalen Proeuropäer und der rechtsextremen Nationalistin ist weit mehr als nur eine Angelegenheit der Grande Nation. Sie ist von europäischer Bedeutung. Entsprechend gebannt blickt man von Brüssel und den anderen Hauptstädten aus nach Paris.
Gewinnt Le Pen, erschüttert das die Europäische Union. Und zwar so sehr, dass als Erstes wohl die Mauer der Einigkeit gegenüber dem russischen Kriegsherrn Wladimir Putin einbricht und als Nächstes die deutsch-französische Achse.
Anders als noch vor fünf Jahren gibt sich Le Pen diesmal im Ton moderat. In der Sache aber bleibt sie: antieuropäisch, prorussisch und nationalistisch. Ihr Programm: Frankreich kann es allein. Dass ihren Vorhaben – etwa der Diskriminierung ausländischer Bürger und Firmen, der Wiedereinführung der Todesstrafe oder der Kürzung des EU-Beitrags – europäische Gesetze entgegenstehen, ignoriert sie. So wie das auch Viktor Orbán in Ungarn immer wieder tut, auf den sie verweist. Ungarn freilich ist mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern eine vergleichsweise kleine Nummer im Konzert der 27 EU-Staaten.
Frankreich ist ein anderes Kaliber: Gründungsstaat der EU, Reformmotor, einzige Atommacht und einziges ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Die EU kann rechtspopulistische Abenteurer in Budapest verkraften, auch in Ljubljana, wo sich am Sonntag Janez Janša wieder der Wahl stellt. Aber in Paris?
Le Pen will den Aachener Vertrag mit Deutschland kündigen, der auch eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit vorsieht. Sie hat vor, Frankreich aus der Kommandostruktur der NATO abzuziehen. Sie will den Green Deal aufkündigen. Sie, die ihre Partei mit russischem Kredit finanziert hat, will Putin
„nach dem Ukraine-Krieg“wieder zum Verbündeten und bis dahin keine weiteren Sanktionen zulassen.
Le Pen steht für ein „Europa der Vaterländer“, in dem die EU als Verwaltungsapparat fungiert. Macron dagegen weiß, dass selbst so bedeutende Nationalstaaten wie Frankreich nur mit Partnern bestehen können in globalem Wettbewerb und globalen Krisen. Die Erfahrungen mit Pandemie und russischer Aggression geben ihm recht. Aus europäischer Perspektive ist zu hoffen, dass das am Sonntag auch die französischen Wählerinnen und Wähler tun. Denn Innenpolitik ist längst auch Europapolitik.