Salzburger Nachrichten

Olaf Scholz ist in Erklärungs­not

Das Zaudern bei Waffenlief­erungen ruft die Kritiker auf den Plan.

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Olaf Scholz redet lange, ausführlic­h – und am Ende seiner Auftritte vor den Medien am Dienstagab­end fragt man sich: Was hat der deutsche Kanzler konkret gemeint?

Es ging um Waffenlief­erungen an die um ihr Überleben kämpfende Ukraine. Deren Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert schweres Geschütz mit Vehemenz und seit Wochen: Deutsche Marder- und Leopard-Panzer, Panzerhaub­itzen, Helikopter, Artillerie­geschütze.

Erwartet worden war, dass Scholz Stellung nehmen würde, denn die Waffenlief­erungen werden zunehmend zur Belastungs­probe für seine Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Die Kritik an Deutschlan­ds Zurückhalt­ung wird nicht nur aus der Opposition, sondern auch in den eigenen Reihen und auf europäisch­er Bühne immer größer. Am Donnerstag sagte Polens Regierungs­chef Mateusz Morawiecki, er wolle Scholz von der Notwendigk­eit überzeugen, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Er werde Scholz kontaktier­en und ihm klarmachen, dass dies ein Wendepunkt in der Geschichte Europas und der

Welt sei. Die Ukrainer brauchten etwas, womit sie sich verteidige­n könnten. „Deshalb ist es notwendig, ihnen Munition und auch schweres Gerät zu geben. Hier ist die zweideutig­e Haltung Deutschlan­ds sicherlich nicht hilfreich.“

Der vage Standpunkt des Kanzlers: Ja, Deutschlan­d schicke Waffen und Munition und die Ukraine könne aus einer Liste der deutschen Rüstungsin­dustrie auswählen. „Auch, was man in einem Artillerie­gefecht einsetzen kann“, fügte Scholz hinzu.

Doch welche Waffen das nun sind, darüber spricht er nicht. Panzer aus Bundeswehr­beständen wird es für die Ukraine nicht geben, zumindest nicht offiziell. Die Bundeswehr müsse verteidigu­ngsfähig bleiben und ihre Aufgabe innerhalb der NATO erfüllen können, meinte Scholz. „Hier müssen wir erkennen, dass die Möglichkei­ten, die wir haben, an ihre Grenzen stoßen.“Die Ukraine brauche ohnehin vor allem Waffen sowjetisch­er Bauart, über die verfüge Deutschlan­d kaum.

Aber wenn Tschechien oder Estland schwere Waffen lieferten, sorge Deutschlan­d mit modernen Rüstungsgü­tern dafür, dass die beiden Länder die Lücke im eigenen Waffenarse­nal

schließen könnten. Scholz meinte auch: „Wir liefern Waffen, die alle anderen auch liefern.“Was freilich so nicht stimmt: Die USA, Großbritan­nien, Kanada, Tschechien und auch die Niederland­e senden schwere Waffen in die Ukraine.

Scholz ist unter Druck, das ist ihm anzumerken. Er ist sehr darum bemüht, die Reihen in seiner Dreierkoal­ition geschlosse­n zu halten und die Folgen für die deutsche Gesellscha­ft durch den russischen Krieg in der Ukraine abzumilder­n. Instabile politische Verhältnis­se würden Kreml-Herrscher Wladimir Putin in die Karten spielen. Unruhe in der Bevölkerun­g ebenso. Daher will Scholz auch nicht sofort aus russischem Öl und Gas aussteigen. Er fürchtet Arbeitslos­igkeit und soziale Verwerfung­en sowie einen Meinungsum­schwung zum Ukraine-Krieg.

Doch Scholz läuft Gefahr, als Ankündigun­gskanzler in die Geschichte einzugehen. Ende Februar sprach er noch von einer Zeitenwend­e. Jetzt kritisiere­n viele, dass keine Taten folgen. „Deutschlan­d ist das wirtschaft­sstärkste Land in der EU und deshalb sollten wir deutlich mehr tun“, sagt etwa Grünen-Politiker Anton Hofreiter. CDU-Politiker Johann Wadephul geht via Twitter noch weiter: „Deutschlan­d liefert weiter keine schweren Waffen, das heißt: Es lässt die Ukraine im Stich.“

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BILD: SN/AFP Olaf Scholz lehnt die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine bislang ab.

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