Salzburger Nachrichten

Fiktiv sind nur die Namen – aber nicht der Skandal

Die neue Serie „Anatomie eines Skandals“beschäftig­t sich mit sexueller Gewalt und greift damit die „Me Too“-Debatten auf.

- Konstantin Schätz

Es sind schwierige Zeiten für Sophie Whitehouse (Sienna Miller). Gerade erst hat sie ihrem Mann eine fünfmonati­ge Affäre verziehen. Nun wirft die Ex-Geliebte Olivia Lytton (Naomi Scott) dem Gatten von Whitehouse vor, er habe sie vergewalti­gt. Absurd. Schließlic­h ist ihr Mann James Whitehouse (Rupert Friend) nicht nur ein liebender Familienva­ter, sondern auch ein angesehene­r Westminste­r-Abgeordnet­er. Doch als die Verhandlun­g vor Gericht beginnt, kommen Sophie Zweifel.

Die englische Miniserie „Anatomie eines Skandals“ist seit dem 15. April auf der Streamingp­lattform Netflix zu sehen. Selbst wer den gleichnami­gen Roman nicht gelesen hat, dem dürfte die Handlung bekannt vorkommen. Denn die Vergewalti­gungsvorwü­rfe während der „Me Too“-Debatten werden nicht nur mehrfach in der Produktion erwähnt, sie schwingen auch in jeder Sekunde der Serie mit. Es steht Aussage gegen Aussage.

Besonders die Tatsache, dass Olivia Lytton eine Angestellt­e des bekannten Politikers Whitehouse ist, erinnert an viele Fälle, die in den vergangene­n Jahren stark diskutiert wurden. Harvey Weinstein, Kevin Spacey, Prinz Andrew – den prominente­n und mächtigen Männern wurde vorgeworfe­n, dass sie ihre Position und Prominenz ausgenutzt haben sollen. In „Anatomie eines Skandals“wird ebendiese Dynamik deutlich.

Die Miniserie ist nicht nur deshalb sehenswert, weil das Thema kaum aktueller und brisanter sein könnte, auch die schauspiel­erische Leistung trägt dazu bei. Neben Sienna Miller, die glaubwürdi­g und mitreißend eine Frau am Rande der Verzweiflu­ng spielt, glänzt die englische Schauspiel­erin Michelle Dockery. Sie verkörpert die ehrgeizige Anwältin Kate Woodcroft, die von der Schuld des Politikers überzeugt ist.

Begleitet wird diese Leistung von eindrucksv­ollen Bildern und – klassisch im englischen Stil – reduzierte­n Farben, die Spannung erzeugen und die bedrückend­e Stimmung transporti­eren. Lediglich auf teilweise künstliche Effekte hätten die Produzente­n verzichten können – sie wirken bisweilen etwas deplatzier­t.

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BILD: SN/NETFLIX Wer sagt die Wahrheit und wer lügt?
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