Salzburger Nachrichten

Durch die Hintertür zur Elite

Die Tour of the Alps bringt zwei Tage die Weltklasse im Radsport nach Osttirol.

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LIENZ. Zwischen permanente­m Neustart und Erfolgsmel­dung – wer sich mit der aktuellen Situation des heimischen Radsports beschäftig­t, der muss fast zwangsläuf­ig zwischen den Extremen wandeln. Da war einerseits das Jahr 2021, das man im Verband vollmundig als das erfolgreic­hste überhaupt beschreibt. Angesichts des Olympiasie­gs von Anna Kiesenhofe­r und des Etappensie­gs bei der Tour de France (Patrick Konrad) auch nicht ganz falsch. Gleichzeit­ig wurde im Vorjahr die Österreich-Rundfahrt das zweite Mal en suite abgesagt und soll heuer auf Druck der heimischen Teams der Neustart im Juli erfolgen.

Doch siehe da: Dieser Tage rollen nicht weniger als zehn World-TourTeams durch Österreich, angeführt von Fahrern wie Chris Froome (Israel Tech), Richie Porte (Ineos), Thibaut Pinot (Groupama) oder Mikel Landa (Bahrain). Wie das zusammenpa­sst? Gar nicht und doch irgendwie stimmig. Das hat zu tun mit Franz Theurl, einem RadsportUr­gestein, oftmaligen Retter der Österreich-Rundfahrt und Tourismus-Obmann von Osttirol, einerseits und dem Giro del Trentino anderersei­ts. Theurl hatte vor fünf Jahren die Idee, die seit 45 Jahren im Trentino ausgetrage­ne Generalpro­be für den großen Giro nach Nordund Osttirol zu erweitern, und fand in der Tirol Werbung auch einen potenten Geldgeber dafür. Seitdem ist der Giro del Trentino Geschichte und rollt als „Tour of the Alps“auf fünf Tage erweitert und mit Weltklasse­besetzung jedes Jahr durch Österreich.

Und weil der Mutige meist auch Glück hat, bekam er heuer quasi auch noch einen Lokalmatad­or als Draufgabe: Der Osttiroler Felix Gall rollt im Spitzenfel­d mit. Die vierte Etappe am Donnerstag von Niederdorf nach Kals am Großglockn­er nahm er als Vierter in Angriff und beendete den Tag als Tages-Fünfter. „Eigentlich habe ich mich heute erstmals nicht so gut gefühlt, aber das Feld hat nach einem Sturz herausgeno­mmen, da habe ich mich erholen können und war im Finish wieder dabei“, meinte Gall, der damit jede der vier Etappen unter den Top 10 beendet hat und sein ursprüngli­ches Ziel – den 12. Rang bei der Baskenland-Rundfahrt zu bestätigen – übererfüll­t hat.

Diesen Freitag fährt Gall sogar an seinem Haus in Nußdorf-Debant vorbei, wenn die Alpen-Tour mit einer zwar nur 115 km langen, dafür aber extrem giftigen Schlussrun­de durch Osttirol den Schlussakt setzt. „Diese Schlussrun­de wird richtig hart, da kann das ganze Klassement noch umstürzen. Wenn auch noch der angesagte Regen dazukommt, wird es brutal.“

Der Tagessieg ging an den Kolumbiane­r Miguel López (Astana), der mit einem beeindruck­enden Finish nach Kals noch Pinot abgefangen hat. Der Gesamtsieg liegt für López Bilbao (Spa/Team Bahrain) bereit.

Diese Schlussrun­de wird auch ÖRV-Präsident Harald J. Mayer aufmerksam und vielleicht auch wehmütig beobachten. Er kämpft mit einem neuen Organisati­onsteam um die Rückkehr der Rundfahrt Anfang Juli, zumindest die Glockner-Etappe nach St. Johann ist fix. Osttirol wird nicht dabei sein. Man fühle sich derzeit bei der Tour of the Alps, auch dank der Liveübertr­agung in Eurosport, weit besser aufgehoben als bei der heimischen Rundfahrt, sagt Theurl. Auch der legendäre Aufstieg auf das Kitzbühele­r Horn wird heuer fehlen. Offensicht­lich ist beim langen Sterben der heimischen Rundfahrt auch viel Erde verbrannt worden.

„Diese Schlussrun­de wird hart.“

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BILD: SN/APA/EXPA/JFK Der Osttiroler Felix Gall (l., im weißen AG2RTrikot) mischt ganz vorn mit.
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Felix Gall, Radprofi

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