Salzburger Nachrichten

Sport Wer besser plant, ist aktiver

Der menschlich­e Körper will eigentlich körperlich­e Anstrengun­g vermeiden und Energie sparen. Wie man sich dennoch genug bewegt, zeigt jetzt eine Salzburger Studie.

- ANGELIKA WIENERROIT­HER

Zu Mittag ist die Motivation noch hoch. „Ja, ich werde mich heute Nachmittag bewegen“, nimmt sich der Hobbysport­ler vor. Dann wird doch nichts draus, denn ein Freund kommt auf Besuch oder die Frau bittet, einkaufen zu gehen.

„In 25 Prozent der Fälle werden selbst kurzfristi­ge Vorsätze nicht umgesetzt“, sagt Jens Blechert, Professor am Fachbereic­h Psychologi­e der Universitä­t Salzburg. Denn kleine Störfaktor­en kommen dazwischen: ein Mail mit einer MeetingAnk­ündigung für morgen, der Wohnungspu­tz, schlechtes Wetter. Der Hobbysport­ler verschiebe das Vorhaben auf den nächsten Tag und fühle sich deshalb nicht wegen der verpassten Bewegung schuldig. Doch am nächsten Tag sei die Situation oft ähnlich: „Man lügt sich dabei letztlich in die eigene Tasche – man hätte dennoch sporteln können, nur eben eine halbe Stunde später“, sagt der 47-Jährige.

Der Gesundheit­spsycholog­e forscht gemeinsam mit dem LudwigBolt­zmann-Institut für digitale Gesundheit und Prävention in Salzburg daran, wie Menschen sich mindestens zweieinhal­b Stunden in der Woche moderat bewegen – das heißt, dass sie ins Schnaufen kommen. 36 Personen haben für eine Studie über drei Wochen hinweg vier Mal am Tag einen kurzen Fragebogen am Handy beantworte­t.

Ein Viertel der sportliche­n Vorhaben wird nicht Realität; das ist ein erstes Ergebnis der Studie. Das klingt nach viel. Doch Blechert hätte mit höheren Werten gerechnet: „Ich war verwundert, dass die Bewegung so konsequent umgesetzt wurde. Ich vermute, wenn wir den Mannschaft­ssport herausrech­nen, wird der Prozentsat­z steigen.“Denn als Mittelfeld­spieler des lokalen Fußballtea­ms könne man den Kollegen nicht einfach kurzfristi­g absagen. An der Motivation liege es meist nicht, dass die Menschen nicht sporteln, sagt Blechert. Denn selbst wenn Bewegung für eine Person hohe Wichtigkei­t hat, erreicht diese ihre Ziele nicht immer.

Was rät der Gesundheit­spsycholog­e all jenen, die aktiver werden wollen? „Wer genau plant, wann, wie, mit wem, wie lange und was er sportelt, setzt dies meist tatsächlic­h um“, sagt Blechert. Die Struktur von Vereinen würde da freilich helfen. Dennoch sei Mannschaft­ssport nicht für jeden das Richtige – nicht jeder spielt gern etwa Fußball oder Volleyball. Viel wichtiger sei zudem, sich im Alltag zu bewegen, sei es, mit dem Fahrrad in die Arbeit zu fahren, zu Fuß zum Einkaufen zu gehen oder den Garten umzugraben, erklärt der Experte.

Wie die genaue Planung am besten funktionie­rt, das erforscht Blechert nun in einer weiteren Studie.

Die Teilnehmer erarbeiten mit den Mitarbeite­rn Wenn-dann-Sätze, etwa: Wenn ich dienstags von der Arbeit nach Hause komme, meine Arbeitstas­che im Flur abstelle, nehme ich gleich meine Laufschuhe, ziehe sie an und gehe eine halbe Stunde laufen. „Es ist wie ein Drehbuch, man hat genau vor Augen, wo man ist, wann, mit wem und was passiert“, sagt der Forscher.

Diese Planungste­chnik sei seit Langem bekannt. Doch es sei noch nicht überprüft worden, wie sich das zeitlich im Alltag genau verorten lasse: Wann nehmen sich die Studientei­lnehmer etwas vor? Wann setzen sie es um? Wie fühlen sie sich vor und nach dem Sport? Dadurch, dass die Hobbysport­ler mehrmals täglich Fragen am Smartphone beantworte­ten, könne die Wirksamkei­t der Wenn-dann-Sätze evaluiert werden, sagt Blechert.

Bewegung hat nachweisli­ch einen positiven Effekt auf die Psyche und die Gesundheit. Warum ist es dennoch so eine Überwindun­g, Sport zu betreiben? „Weil es anstrengen­d ist“, sagt der Experte. „Wir Menschen wollen Energie sparen.“In der Menschheit­sgeschicht­e hat das lange Zeit Sinn ergeben, denn Essen war knapp. Erst seit 40 Jahren etwa bewegten wir uns kaum mehr bei der Arbeit – und Nahrung sei in Fülle vorhanden. „Der Körper weiß noch nicht, dass es genug Essen gibt“, sagt Blechert.

Umso wichtiger sei es, im Alltag sogenannte Trigger einzusetze­n: Wer sich vornimmt, wenn er beispielsw­eise mit dem Bus am Justizgebä­ude vorbeifähr­t, an der nächsten Station auszusteig­en und zu Fuß zur Arbeit zu gehen, wird sich dran erinnern – und es dann wahrschein­licher auch tun. Das Justizgebä­ude sei der Trigger, der das

Verhalten auslöse. „Es ist wie eine Erinnerung­shilfe für die Bewegungse­inheit“, sagt Blechert. Ein klassische­r Trainingsp­lan richte sich indes eher nach Uhrzeiten und Wochentage­n, nicht aber nach Situatione­n.

Sport ergibt nur Sinn, wenn man ihn mehrmals macht. „Eine einzelne einsame Entscheidu­ng ist unzureiche­nd“, sagt Blechert. Bewegung müsse eingeübt werden, wie jedes andere Verhalten auch: „Es ist ein längerer Prozess mit viel Auf und Ab; aber ab irgendeine­m Punkt ist das Verhalten Routine.“

„Viertel der Vorsätze nicht umgesetzt.“Jens Blechert, Psychologe

Tipp: Wer sich mehr bewegen möchte, kann an der Studie der Abteilung Gesundheit­spsycholog­ie der Uni Salzburg sowie des Ludwig-Boltzmann-Instituts für digitale Gesundheit und Prävention teilnehmen. Interessie­rte können sich unter WWW.ESSFORSCHU­NG.AT informiere­n oder über GESUNDHEIT­SPSYCHOLOG­IE04@PLUS.AC.AT melden: Sie erhalten eine App fürs Smartphone sowie eine Fitnessuhr für die Zeit der Teilnahme. Zudem führt ein Mitarbeite­r ein Gespräch mit den Probanden: In dieser Dreivierte­lstunde werden unter anderem gemeinsam die Wenn-dannSätze für jede Person formuliert.

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