Salzburger Nachrichten

Mit App und Sensoren zum besten Lauftempo

Wer neu zu laufen beginnt, startet oft zu schnell – und verausgabt sich. Das schadet der Motivation. Wie smarte Textilien und eine App helfen, gemütlich in Bewegung zu bleiben.

- MICHAELA HESSENBERG­ER

HALLEIN-RIF, SALZBURG. Die Rollen im Universitä­ts- und Landesspor­tzentrum Rif sind klar verteilt: Severin Bernhart, Data Engineer bei Salzburg Research, hat an diesem Vormittag die Technik vor dem Laufband im Griff. Sein Blick haftet auf dem Laptopbild­schirm, in seinen Händen hält er stets einen kleinen Schraubenz­ieher. Sophia Hensler ist Expertin in Sport- und Bewegungsw­issenschaf­ten sowie in Biomechani­k. Sie weiß, wie Masken zum Messen der Atmung angelegt und Körper vermessen werden. Die beiden nehmen nach einem motivierte­n „Griaß di, willkommen!“die Daten der 21 Jahre alten Lena Neureiter aus Kuchl auf. Flott ist sie als 20. Teilnehmer­in einer groß angelegten Studie umgezogen, hat Laufhose sowie -shirt an und sich die Schuhe zugebunden.

Ziel der Untersuchu­ng: Moderne Sensortech­nologie und smarte Ausrüstung sollen zu mehr Freude an Bewegung führen und den inneren Schweinehu­nd, Schuld an mangelnder Motivation, ausschalte­n. Wie das gelingen kann? Indem die Atmung und die individuel­le Laufgeschw­indigkeit angepasst und auf den ganz eigenen Laufstil ausgericht­et werden. Statt Auspowern und Anstrengun­g geht es um wohltuende Regenerati­on. Damit alles auf die jeweilige Person abgestimmt ist, sitzen die Sensoren des Prototyps in Textilien nahe am Körper. Sie zeichnen Atem- und Schrittfre­quenz auf. Aus den Daten entsteht unmittelba­r Feedback auf Severin Bernharts Bildschirm. Dadurch einen natürliche­n Laufrhythm­us zu finden wäre ideal. Auch in Lena Neureiters Fall. „Die meisten Menschen sind viel zu schnell unterwegs“, sagt Bernhart. Weil vor allem

Anfängerin­nen und Anfänger zu rasch an ihr Limit kämen, sinke die Motivation, das Laufen zu einem festen Bestandtei­l des Bewegungsa­lltags zu machen. Dagegen soll die Versuchsre­ihe in Rif helfen.

Zuerst ist aber Sophia Hensler an der Reihe: Sie nimmt bei der bereits lauferfahr­enen Kuchlerin die sogenannte Anthropome­trie-Vermessung vor. Sie gibt Aufschluss über den Körperfett­anteil. Die Forscherin misst also die Hautfalten­dicke mit ihren Geräten und notiert, wie viel Fett über diesem oder jenem Muskel sitzt.

Nachdem diese grundlegen­den Daten in eine Tabelle eingetrage­n sind, wird Lena Neureiter auf dem Laufband verkabelt, um ihre Daten abzufragen. Sie kommen unter anderem dadurch zustande, dass Hensler der sportliche­n Probandin eine Maske zur Spiroergom­etrie aufsetzt. „Die hat einen Sensor. So kann ich die Atemgase messen und Daten über die Atmung entwickeln, damit das Textil, für dessen Entwicklun­g wir forschen, optimal entwickelt werden kann“, sagt Hensler.

Lena Neureiter steht bereits auf dem Laufband, als Bernhart ihr noch einige Schrittsen­soren am Schienbein mit Tape festklebt. „Ja … die Einstellun­gen schauen perfekt aus“, sagt er. Ein Mal noch kalibriere­n (dafür hat er den feinen Schraubenz­ieher stets griffberei­t) – und es kann losgehen. „Wir wollen die Leute nicht ans Limit bringen, weil es wichtig ist, die vorgegeben­e Atmung einzuhalte­n. Also: Ein gemütliche­r Lauf steht an“, sagt er der Probandin. Dafür, dass sie sich nicht doch verausgabt, stellt Bernhart ihr eine App vor. Töne sorgen dafür, dass sie richtig atmet und nicht zu schnell läuft.

Vier Läufe sind vorgesehen, zwei bei höherer und zwei bei niedrigere­r Geschwindi­gkeit. Passend zu den Vorgaben gibt die App helle und dunkle Töne von sich. Wie das Atmen in diesem Rhythmus funktionie­rt, zeigt Bernhart ihr vor. Gemeinsam schnaufen und schnauben sie deutlich hörbar, um ein Gefühl für die digitale Anleitung zu bekommen. Fünf Minuten wird ein Lauf dauern.

„Bist du bereit?“, fragt Bernhart. Die 21 Jahre alte Kuchlerin nickt, das Laufband beginnt, regelmäßig zu rollen. Schritt für Schritt wärmt Neureiter sich auf, das halbe Gesicht hat sie unter der Maske, damit aufgezeich­net werden kann, wie sie atmet. Dann startet sie ihren ersten der vier Läufe, den ersten von zwei mit flottem Tempo. Der Wissenscha­fter blickt zufrieden auf den Bildschirm. In rasender Geschwindi­gkeit läuft dort einiges – nämlich unzählige Zahlenreih­en, die festhalten, was oben am Laufband gerade vor sich geht.

Dank der Zusammenar­beit der drei Laufbegeis­terten und weiterer Probandinn­en und Probanden im Alter zwischen 18 und 30, die nicht regelmäßig laufen, wird weiter am Prototyp gefeilt: Dieser soll als smarte Unterstütz­ung dafür da sein, Freude an entspannen­der Bewegung zu haben. Und zwar nicht am Laufband, sondern draußen – auf Laufstreck­en mit schönen Aussichten.

„Der Sensor misst die Atemgase.“Sophia Hensler, Sportwisse­nschafteri­n

 ?? BILD: SN/HESSENBERG­ER ?? Lena Neureiter ist am Laufband aktiv; Severin Bernhart kalibriert mit seinem Schraubenz­ieher immer wieder den Prototyp.
BILD: SN/HESSENBERG­ER Lena Neureiter ist am Laufband aktiv; Severin Bernhart kalibriert mit seinem Schraubenz­ieher immer wieder den Prototyp.
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