Mit App und Sensoren zum besten Lauftempo
Wer neu zu laufen beginnt, startet oft zu schnell – und verausgabt sich. Das schadet der Motivation. Wie smarte Textilien und eine App helfen, gemütlich in Bewegung zu bleiben.
HALLEIN-RIF, SALZBURG. Die Rollen im Universitäts- und Landessportzentrum Rif sind klar verteilt: Severin Bernhart, Data Engineer bei Salzburg Research, hat an diesem Vormittag die Technik vor dem Laufband im Griff. Sein Blick haftet auf dem Laptopbildschirm, in seinen Händen hält er stets einen kleinen Schraubenzieher. Sophia Hensler ist Expertin in Sport- und Bewegungswissenschaften sowie in Biomechanik. Sie weiß, wie Masken zum Messen der Atmung angelegt und Körper vermessen werden. Die beiden nehmen nach einem motivierten „Griaß di, willkommen!“die Daten der 21 Jahre alten Lena Neureiter aus Kuchl auf. Flott ist sie als 20. Teilnehmerin einer groß angelegten Studie umgezogen, hat Laufhose sowie -shirt an und sich die Schuhe zugebunden.
Ziel der Untersuchung: Moderne Sensortechnologie und smarte Ausrüstung sollen zu mehr Freude an Bewegung führen und den inneren Schweinehund, Schuld an mangelnder Motivation, ausschalten. Wie das gelingen kann? Indem die Atmung und die individuelle Laufgeschwindigkeit angepasst und auf den ganz eigenen Laufstil ausgerichtet werden. Statt Auspowern und Anstrengung geht es um wohltuende Regeneration. Damit alles auf die jeweilige Person abgestimmt ist, sitzen die Sensoren des Prototyps in Textilien nahe am Körper. Sie zeichnen Atem- und Schrittfrequenz auf. Aus den Daten entsteht unmittelbar Feedback auf Severin Bernharts Bildschirm. Dadurch einen natürlichen Laufrhythmus zu finden wäre ideal. Auch in Lena Neureiters Fall. „Die meisten Menschen sind viel zu schnell unterwegs“, sagt Bernhart. Weil vor allem
Anfängerinnen und Anfänger zu rasch an ihr Limit kämen, sinke die Motivation, das Laufen zu einem festen Bestandteil des Bewegungsalltags zu machen. Dagegen soll die Versuchsreihe in Rif helfen.
Zuerst ist aber Sophia Hensler an der Reihe: Sie nimmt bei der bereits lauferfahrenen Kuchlerin die sogenannte Anthropometrie-Vermessung vor. Sie gibt Aufschluss über den Körperfettanteil. Die Forscherin misst also die Hautfaltendicke mit ihren Geräten und notiert, wie viel Fett über diesem oder jenem Muskel sitzt.
Nachdem diese grundlegenden Daten in eine Tabelle eingetragen sind, wird Lena Neureiter auf dem Laufband verkabelt, um ihre Daten abzufragen. Sie kommen unter anderem dadurch zustande, dass Hensler der sportlichen Probandin eine Maske zur Spiroergometrie aufsetzt. „Die hat einen Sensor. So kann ich die Atemgase messen und Daten über die Atmung entwickeln, damit das Textil, für dessen Entwicklung wir forschen, optimal entwickelt werden kann“, sagt Hensler.
Lena Neureiter steht bereits auf dem Laufband, als Bernhart ihr noch einige Schrittsensoren am Schienbein mit Tape festklebt. „Ja … die Einstellungen schauen perfekt aus“, sagt er. Ein Mal noch kalibrieren (dafür hat er den feinen Schraubenzieher stets griffbereit) – und es kann losgehen. „Wir wollen die Leute nicht ans Limit bringen, weil es wichtig ist, die vorgegebene Atmung einzuhalten. Also: Ein gemütlicher Lauf steht an“, sagt er der Probandin. Dafür, dass sie sich nicht doch verausgabt, stellt Bernhart ihr eine App vor. Töne sorgen dafür, dass sie richtig atmet und nicht zu schnell läuft.
Vier Läufe sind vorgesehen, zwei bei höherer und zwei bei niedrigerer Geschwindigkeit. Passend zu den Vorgaben gibt die App helle und dunkle Töne von sich. Wie das Atmen in diesem Rhythmus funktioniert, zeigt Bernhart ihr vor. Gemeinsam schnaufen und schnauben sie deutlich hörbar, um ein Gefühl für die digitale Anleitung zu bekommen. Fünf Minuten wird ein Lauf dauern.
„Bist du bereit?“, fragt Bernhart. Die 21 Jahre alte Kuchlerin nickt, das Laufband beginnt, regelmäßig zu rollen. Schritt für Schritt wärmt Neureiter sich auf, das halbe Gesicht hat sie unter der Maske, damit aufgezeichnet werden kann, wie sie atmet. Dann startet sie ihren ersten der vier Läufe, den ersten von zwei mit flottem Tempo. Der Wissenschafter blickt zufrieden auf den Bildschirm. In rasender Geschwindigkeit läuft dort einiges – nämlich unzählige Zahlenreihen, die festhalten, was oben am Laufband gerade vor sich geht.
Dank der Zusammenarbeit der drei Laufbegeisterten und weiterer Probandinnen und Probanden im Alter zwischen 18 und 30, die nicht regelmäßig laufen, wird weiter am Prototyp gefeilt: Dieser soll als smarte Unterstützung dafür da sein, Freude an entspannender Bewegung zu haben. Und zwar nicht am Laufband, sondern draußen – auf Laufstrecken mit schönen Aussichten.
„Der Sensor misst die Atemgase.“Sophia Hensler, Sportwissenschafterin