Wertvolle Gehirndaten für neue Forschung nutzbar machen
Dafür braucht es eine zentrale Datenbank und rechtliche Klarheit. Ein neues Projekt sorgt nun für beides.
SALZBURG. Eine vielseitigere Nutzung von neurowissenschaftlichen Daten klingt vielversprechend, vor allem, wenn sie mit teuren wie selten verfügbaren bildgebenden Geräten erhoben wurden. So benötigt es neun Stunden, um die Daten einer Versuchsperson, aufgezeichnet mit einem funktionellen Kernspintomographen, auszuwerten. Diese Daten verbleiben meist am Ort der Aufzeichnung und sind anderen Forschenden nicht zugänglich. Sie könnten aber für neue Auswertungen zur Verfügung stehen, zentral, um anderen Wissenschaftern den Zugriff zu ermöglichen. Aber war da nicht noch etwas?
Die gefürchtete DatenschutzGrundverordnung (DSGVO)! Als Folge nahm man gerade in der Forschung bislang lieber Abstand von einer Nachnutzung von Daten, um die in der Regel recht hohen Strafen in der Verordnung zu vermeiden. Bei der Digital Neuroscience Initiative der Uni Salzburg will man diese Herausforderung interdisziplinär lösen: Neurowissenschafter sorgen für die Grundlagen einer Gehirndatenbank, in der alle österreichweit stationär vorhandenen Daten gespeichert werden sollen. Juristen um Sebastian Schmid klären die Frage, wie diese Daten rechtlich nutzbar gemacht werden können. Zu guter Letzt prüft das Computerwissenschafter-Team um Nikolaus Augsten, wie mit den enormen Datenmengen am effizientesten verfahren werden soll.
Der Projektleiter und Neurowissenschafter Florian Hutzler betont: „Was wir brauchen, ist vor allem rechtliche Sicherheit und Klarheit.“Die Einbindung der Rechtswissenschaften werde neue Erkenntnisse bringen, wie mit Humandaten generell umzugehen ist. Dabei könnte die Situation einfach sein: Der Datenspender muss nur sein Einverständnis zur weiteren Nutzung geben. Damit wäre eine umfangreiche Nachnutzung jener Daten, die in einem sehr teuren und aufwendigen Prozess entstanden sind, möglich. Doch so einfach ist es meist nicht. Hutzler sieht die Nachnutzung der Daten aber als unabdingbar für die Gehirnforschung: Auch wenn einiges über das grundsätzliche Erleben und Verhalten von Menschen über Gehirndaten bekannt ist, sei über die Komplexität des Gehirns noch vieles unerforscht.
Der Forschungstrend geht in Richtung größerer Stichproben, die wiederum auch aus Nachnutzung entstehen. Ein Beispiel: Eine Psychologin führt ein Experiment zur Gedächtnisleistung durch, die Daten könnten aber genauso gut zu Forschungen zur Wortverarbeitung verwendet werden; das ist technisch wie methodisch möglich. Zwar lässt ein Gehirn wie der Fingerabdruck prinzipiell die Identifikation der jeweiligen Person zu. Individuelle Merkmale lassen sich aber entfernen und die Aufnahmen so verformen, dass sie einem durchschnittlichen Gehirn entsprechen und nicht mehr auf eine Person zurückgeführt werden können.
Das Projekt könnte zudem einer besseren Vernetzung des wissenschaftlichen Personals dienen: Neben dem Aufbau einer Datenbank wäre es möglich, der Community Geräte wie Expertise zur Verfügung zu stellen und Ergebnisse besser zu verknüpfen. So gibt es in Österreich nur ein Gerät für Magnetoenzephalographie, und zwar in Salzburg. Hutzler hofft, dass das Wissen über ein zentrales Repository, in dem die Gehirndaten gesammelt sind, die Hemmschwelle für wissenschaftlichen Austausch senkt. Zur Speicherung der Salzburger Daten wird demnächst ein Server angeschafft, zu dem das Land Salzburg 106.000 Euro zuschießt; rund 50.000 Euro wurden über Drittmittel lukriert.
„Wir brauchen rechtliche Sicherheit.“Florian Hutzler, Neurowissenschafter