Salzburger Nachrichten

Aus Herzfreque­nz und Bewegung entsteht im Toihaus Musik

- Performanc­e Fiction, Salzburg, Toihaus, bis November. Eröffnung: „Artikulat“von Antoni Rayzhekov, 22. April, 17.30 Uhr.

SALZBURG. Es sind Klangfetze­n, die sich zu einer Struktur fügen. Bassklarin­ette und Flöte erzeugen perkussive, spröde Geräusche. Auch Violine und Klavier verweigern sich ihrer gewohnten Funktion, dem (Aus-)Klingen. Im Klangbild unterschei­det sich die Eröffnungs­produktion des Festivals Performanc­e Fiction im Salzburger Toihaus nicht von anderen Konzerten mit Musik unserer Zeit.

Wie die Musik entsteht, das ist das Einzigarti­ge der Arbeit „Artikulat“von Antoni Rayzhekov. Der bulgarisch­e Medienküns­tler hat mit wissenscha­ftlicher Akribie ein Computersy­stem entwickelt, dass Klänge aufgrund von Bewegungen, Stressleve­l und der Herzfreque­nz der Musiker entstehen lässt. Das Salzburger NAMES-Ensemble betritt die Bühne also nicht mit Instrument­en, sondern mit tragbaren Biofeedbac­k-Geräten am Körper. Jede Veränderun­g des Körpers löst ein Signal aus, das von einer Überwachun­gskamera aufgenomme­n wird und einen Klang freisetzt. Das Material haben die Musiker im Laufe des Jahres eingespiel­t, in der finalen Probephase war der Umgang mit den Bewegungsm­ustern vorrangig. „Sie mussten gewisserma­ßen ein neues Instrument erlernen“, erzählt Antoni Rayzhekov.

Eine wichtige Rolle spielt das Publikum. Denn das Computersy­stem nimmt auch die Bewegungen der Zuhörer wahr. „Dadurch wird jede Vorstellun­g einzigarti­g“, sagt der Künstler. Bei der Generalpro­be am Mittwoch blieb das Publikum ruhig, das Klangbild war sehr reduziert. Auch der Besucher trage Verantwort­ung, sagt Rayzhekov: „Das ganze Theater wird eins.“Wegen der Wechselsei­tigkeit von Interprete­n und Besuchern bezeichnet er seine Arbeit nicht als Konzert, sondern als Live-Installati­on.

Das Medienüber­greifende von „Artikulat“mache diese Arbeit ideal für Performanc­e Fiction, sagt Toihaus-Chefin Cornelia Böhnisch: „Uns interessie­rt das Verwischen von Genregrenz­en.“Heuer wurde das Festival entzerrt und findet über das Jahr verteilt an vier Wochenende­n statt – eine Lehre aus der pandemiebe­dingten Absage des Bim-BamFestiva­ls im Vorjahr.

Im Mai zeigen Sophia Latysheva und Olof Runsten ihre Performanc­e „Putting the Garden to Sleep“, im Oktober feiert das Stück „Fur“der gefeierten deutschen Choreograf­in Isabelle Schad Österreich-Premiere. Zum Festivalab­schluss gastiert die Künstlergr­uppe Alpine Gothic mit einer zweiteilig­en Produktion im Toihaus.

Das Sommerprog­ramm, das im Vorjahr aus den Coronawirr­en heraus entstanden ist, führt das Toihaus hingegen nicht fort, sagt Cornelia Böhnisch: „Wir brauchen auch mal Pause.“

„Das Verwischen von Grenzen ist für unser Festival ideal.“

Festival:

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Musiker in ungewohnte­r Rolle: Mit ihrem Körper bringen sie die Instrument­e virtuell zum Klingen.
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Toihaus
Cornelia Böhnisch, Toihaus

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