Aus Herzfrequenz und Bewegung entsteht im Toihaus Musik
SALZBURG. Es sind Klangfetzen, die sich zu einer Struktur fügen. Bassklarinette und Flöte erzeugen perkussive, spröde Geräusche. Auch Violine und Klavier verweigern sich ihrer gewohnten Funktion, dem (Aus-)Klingen. Im Klangbild unterscheidet sich die Eröffnungsproduktion des Festivals Performance Fiction im Salzburger Toihaus nicht von anderen Konzerten mit Musik unserer Zeit.
Wie die Musik entsteht, das ist das Einzigartige der Arbeit „Artikulat“von Antoni Rayzhekov. Der bulgarische Medienkünstler hat mit wissenschaftlicher Akribie ein Computersystem entwickelt, dass Klänge aufgrund von Bewegungen, Stresslevel und der Herzfrequenz der Musiker entstehen lässt. Das Salzburger NAMES-Ensemble betritt die Bühne also nicht mit Instrumenten, sondern mit tragbaren Biofeedback-Geräten am Körper. Jede Veränderung des Körpers löst ein Signal aus, das von einer Überwachungskamera aufgenommen wird und einen Klang freisetzt. Das Material haben die Musiker im Laufe des Jahres eingespielt, in der finalen Probephase war der Umgang mit den Bewegungsmustern vorrangig. „Sie mussten gewissermaßen ein neues Instrument erlernen“, erzählt Antoni Rayzhekov.
Eine wichtige Rolle spielt das Publikum. Denn das Computersystem nimmt auch die Bewegungen der Zuhörer wahr. „Dadurch wird jede Vorstellung einzigartig“, sagt der Künstler. Bei der Generalprobe am Mittwoch blieb das Publikum ruhig, das Klangbild war sehr reduziert. Auch der Besucher trage Verantwortung, sagt Rayzhekov: „Das ganze Theater wird eins.“Wegen der Wechselseitigkeit von Interpreten und Besuchern bezeichnet er seine Arbeit nicht als Konzert, sondern als Live-Installation.
Das Medienübergreifende von „Artikulat“mache diese Arbeit ideal für Performance Fiction, sagt Toihaus-Chefin Cornelia Böhnisch: „Uns interessiert das Verwischen von Genregrenzen.“Heuer wurde das Festival entzerrt und findet über das Jahr verteilt an vier Wochenenden statt – eine Lehre aus der pandemiebedingten Absage des Bim-BamFestivals im Vorjahr.
Im Mai zeigen Sophia Latysheva und Olof Runsten ihre Performance „Putting the Garden to Sleep“, im Oktober feiert das Stück „Fur“der gefeierten deutschen Choreografin Isabelle Schad Österreich-Premiere. Zum Festivalabschluss gastiert die Künstlergruppe Alpine Gothic mit einer zweiteiligen Produktion im Toihaus.
Das Sommerprogramm, das im Vorjahr aus den Coronawirren heraus entstanden ist, führt das Toihaus hingegen nicht fort, sagt Cornelia Böhnisch: „Wir brauchen auch mal Pause.“
„Das Verwischen von Grenzen ist für unser Festival ideal.“
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