Salzburger Nachrichten

Politik ohne Anstand

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

So setzt eben jedes Land seine Prioritäte­n. Während Russland einen mörderisch­en Vernichtun­gskrieg führt und die Nachkriegs­ordnung in Stücke schießt, lähmt der Premiermin­ister des Vereinigte­n Königreich­s sein Land und sich selbst durch sein unangemess­enes Verhalten in der Coronakris­e. Frankreich hat alle Hände voll zu tun, die Übernahme des Präsidente­namts durch eine europafein­dliche Putin-Freundin zu verhindern. Und Österreich muss seine Energien der Aufarbeitu­ng all der Affären widmen, die da fast im Wochentakt aufpoppen. Wobei man sich aussuchen kann, ob man sich lieber an die Vorstadtpo­ssen hält (betrunkene Personensc­hützer in der Küche der Kanzlergat­tin) oder an die Hardcore-Korruption, die derzeit in Gerichtssä­len und im U-Ausschuss abgehandel­t wird.

Und jetzt also: Vorarlberg. Die in Österreich endemische Verquickun­g der öffentlich­en Verwaltung mit der jeweiligen Mehrheitsp­artei, die Unverschäm­theit, mit der sich politische Parteien mit dem Staat verwechsel­n, und das fehlende Gespür für politische­n Anstand haben in der seit Jahrzehnte­n tonangeben­den Landespart­ei, der ÖVP, ein selbst für österreich­ische Verhältnis­se erschrecke­ndes Ausmaß angenommen. In Kurzfassun­g lautet der Vorwurf, dass Unternehme­r über viele Jahre genötigt wurden, in einem Blatt des ÖVP-Wirtschaft­sbundes zu inserieren, welcher das lukrierte Geld an seine Mutterpart­ei, die Landes-ÖVP, weiterreic­hte; beziehungs­weise damit ÖVP-Wahlkämpfe finanziert­e. Der schwer unter Druck geratene LH Markus Wallner bestätigt Geldflüsse, behauptet aber – Geld hat im Ländle ein Mascherl –, es habe sich nicht um das Geld aus den Inserateng­eschäften gehandelt. Abgesehen von der Fragwürdig­keit des Vorgangs drohen erhebliche Steuernach­zahlungen. Und einige Funktionär­e haben sich bereichert. Dass Wallner und die schwarz-grüne Landeskoal­ition die Angelegenh­eit unbeschade­t überstehen, scheint zweifelhaf­t.

Übrigens: Die Stadt Wien hat soeben das Wiener Oktoberfes­t an einen Veranstalt­er vergeben, der der Wiener SPÖ nahesteht. Ohne Ausschreib­ung. Vorarlberg ist überall.

Newspapers in German

Newspapers from Austria