Schatten über dem Ländle
„Wer gegen das System kämpft, erleidet wirtschaftliche Nachteile.“Immer mehr Betroffene berichten über den Druck, den die dominierende ÖVP Vorarlberg ausübt.
Rücktrittsaufforderung an LH Wallner
WIEN. Eidesstattliche Erklärungen, die die bekannten Vorwürfe im Vorarlberger ÖVP-Skandal massiv untermauern, bringen den Vorarlberger ÖVP-Chef und Landeshauptmann Markus Wallner immer stärker unter Druck.
Der frühere Vorarlberger ÖGBChef Norbert Loacker übermittelte den SN eine eidesstattliche Erklärung, die sich auf seine Zeit als Betriebsratsobmann eines großen Metallunternehmens bezieht. Zu dieser Zeit sei er vom damaligen Wirtschaftsbunddirektor Walter Natter unverblümt um Inserate seines Unternehmens angegangen worden. Und weiter: „Ich habe seitens mehrerer Unternehmer gehört, dass Landeshauptmann Markus Wallner selbst um Inserate im Magazin des Wirtschaftsbundes geworben hat. Es wäre aus meiner Sicht unverzeihlich, den Ball jetzt nur auf Jürgen Kessler (den kürzlich zurückgetretenen Wirtschaftsbund-Generalsekretär, Anm.) abzuschießen.“Und weiter: „Ich war früher Funktionär der Betriebskrankenkasse und da bin ich von Walter Natter am Rande auch darum gebeten worden, mich in meinem Unternehmen für Inserate in der ,Vorarlberger Wirtschaft‘ (dem Blatt des Wirtschaftsbundes, Anm.) einzusetzen.“ Von Markus Wallner sei er nie direkt angesprochen worden, aber er habe von anderen Unternehmern davon gehört, „dass auch er um Inserate wirbt. Wir reden da aber von höheren Beträgen von bis zu 30.000 Euro und nicht von Einzelinseraten.“Der damalige Wirtschaftsbund-General „hat mich nicht genötigt, aber schon mit einem gewissen Selbstverständnis agiert. Als ich mich nach der ersten Anfrage zu den Inseraten nicht gemeldet habe, fragte er mich: ,Hast du das für mich nun erledigt?‘“
Loacker erklärte den SN, er wisse von zwei Unternehmen aus der Metallbranche, bei denen LH Wallner „beim Keilen von Inseraten aktiv dabei gewesen“sei. Die Unternehmen wollen aber nicht genannt werden.
Aus dem Büro Wallners war dazu keine Stellungnahme zu erhalten. In einem Gespräch mit den „Vorarlberger Nachrichten“hatte der Landeshauptmann bereits am Freitag die Darstellung, er habe Druck auf mögliche Inserenten ausgeübt, als „glatte Lüge“zurückgewiesen.
Bereits am Freitag hatten die „Vorarlberger Nachrichten“von der eidesstattlichen Erklärung „eines der führenden Wirtschaftstreibenden im Land“berichtet. Auch in diesem Dokument sei festgehalten gewesen, dass LH Markus Wallner selbst Druck ausgeübt habe. „Der
Landeshauptmann hat (...) klar deponiert, dass er wünscht, dass man sich für die ,Vorarlberger Wirtschaft‘ engagiert und auch entsprechend Inserate bezahlt“, erklärte dieser Wirtschaftstreibende. Dabei sei es um Beträge zwischen 10.000 und 30.000 Euro gegangen. Wallner dementierte dies vehement.
Dass Wirtschaftstreibende nur anonym über Druck bei der Inseratenvergabe für das Wirtschaftsbund-Magazin berichten, wundert den ehemaligen ÖGB-Chef und intimen Kenner der Szene Norbert Loacker
nicht: Man müsse in Vorarlberg „mit allem rechnen“. „Die sind zu allem fähig. Wer gegen das System kämpft, erleidet wirtschaftliche Nachteile. Das ist die Praxis seit Jahren. Das ist die ÖVP-Linie.“Wer nicht mitspiele und keine Inserate in Auftrag gebe, habe Nachteile. „Die Stärke haben sie immer noch, das durchzusetzen. Drum traut sich fast niemand aus der Deckung. Aber jetzt werden es mehr.“
In Vorarlberg werden indes Rücktrittsaufrufe in Richtung Wallner laut. Entsprechende Forderungen gibt es von SPÖ, FPÖ und Neos.
Die Grünen, die in Vorarlberg mit der ÖVP in aufrechter Landeskoalition
leben, halten ihrem Koalitionspartner vorerst die Treue. Die beiden grünen Parteichefs – Landesrat Daniel Zadra und Klubchefin Eva Hammerer – sagten der APA in einer gemeinsamen Erklärung, dass sie von der ÖVP „hundertprozentige, lückenlose Aufklärung und Transparenz“verlangen. Die Vorwürfe wiegen schwer, das Vertrauen habe „natürlich gelitten“, so die beiden. Landeshauptmann Wallner habe sich bisher sehr defensiv verhalten, spätestens am Montag im Sonderlandtag müsse er Verantwortung übernehmen. Die Aufarbeitung habe erst begonnen.
Die aus Vorarlberg stammende Grün-Mandatarin Nina Tomaselli, die ihre Partei auch im parlamentarischen Untersuchungsausschuss vertritt, hält sich mit Kritik an den Zuständen nicht zurück. „Da sind Zehntausende Euro in bar ohne Rechnung verschoben worden. Da ist ein zinsloser Darlehensvertrag für einen eigenen Funktionär mit einem Zehnzeiler abgehandelt worden. Da haben Funktionäre Geld auf dubiose Art und Weise bei Unternehmerinnen und Unternehmern eingesammelt und dieses nicht nur an die Partei weitergeleitet, sondern auch in die eigenen Taschen gestopft“, kritisiert sie.
Und Tomaselli resümiert: „Das ist keine Interessenvertretung, das ist eine Interessen-Zertretung.“