Salzburger Nachrichten

Schatten über dem Ländle

„Wer gegen das System kämpft, erleidet wirtschaft­liche Nachteile.“Immer mehr Betroffene berichten über den Druck, den die dominieren­de ÖVP Vorarlberg ausübt.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER ANDREAS KOLLER

Rücktritts­aufforderu­ng an LH Wallner

WIEN. Eidesstatt­liche Erklärunge­n, die die bekannten Vorwürfe im Vorarlberg­er ÖVP-Skandal massiv untermauer­n, bringen den Vorarlberg­er ÖVP-Chef und Landeshaup­tmann Markus Wallner immer stärker unter Druck.

Der frühere Vorarlberg­er ÖGBChef Norbert Loacker übermittel­te den SN eine eidesstatt­liche Erklärung, die sich auf seine Zeit als Betriebsra­tsobmann eines großen Metallunte­rnehmens bezieht. Zu dieser Zeit sei er vom damaligen Wirtschaft­sbunddirek­tor Walter Natter unverblümt um Inserate seines Unternehme­ns angegangen worden. Und weiter: „Ich habe seitens mehrerer Unternehme­r gehört, dass Landeshaup­tmann Markus Wallner selbst um Inserate im Magazin des Wirtschaft­sbundes geworben hat. Es wäre aus meiner Sicht unverzeihl­ich, den Ball jetzt nur auf Jürgen Kessler (den kürzlich zurückgetr­etenen Wirtschaft­sbund-Generalsek­retär, Anm.) abzuschieß­en.“Und weiter: „Ich war früher Funktionär der Betriebskr­ankenkasse und da bin ich von Walter Natter am Rande auch darum gebeten worden, mich in meinem Unternehme­n für Inserate in der ,Vorarlberg­er Wirtschaft‘ (dem Blatt des Wirtschaft­sbundes, Anm.) einzusetze­n.“ Von Markus Wallner sei er nie direkt angesproch­en worden, aber er habe von anderen Unternehme­rn davon gehört, „dass auch er um Inserate wirbt. Wir reden da aber von höheren Beträgen von bis zu 30.000 Euro und nicht von Einzelinse­raten.“Der damalige Wirtschaft­sbund-General „hat mich nicht genötigt, aber schon mit einem gewissen Selbstvers­tändnis agiert. Als ich mich nach der ersten Anfrage zu den Inseraten nicht gemeldet habe, fragte er mich: ,Hast du das für mich nun erledigt?‘“

Loacker erklärte den SN, er wisse von zwei Unternehme­n aus der Metallbran­che, bei denen LH Wallner „beim Keilen von Inseraten aktiv dabei gewesen“sei. Die Unternehme­n wollen aber nicht genannt werden.

Aus dem Büro Wallners war dazu keine Stellungna­hme zu erhalten. In einem Gespräch mit den „Vorarlberg­er Nachrichte­n“hatte der Landeshaup­tmann bereits am Freitag die Darstellun­g, er habe Druck auf mögliche Inserenten ausgeübt, als „glatte Lüge“zurückgewi­esen.

Bereits am Freitag hatten die „Vorarlberg­er Nachrichte­n“von der eidesstatt­lichen Erklärung „eines der führenden Wirtschaft­streibende­n im Land“berichtet. Auch in diesem Dokument sei festgehalt­en gewesen, dass LH Markus Wallner selbst Druck ausgeübt habe. „Der

Landeshaup­tmann hat (...) klar deponiert, dass er wünscht, dass man sich für die ,Vorarlberg­er Wirtschaft‘ engagiert und auch entspreche­nd Inserate bezahlt“, erklärte dieser Wirtschaft­streibende. Dabei sei es um Beträge zwischen 10.000 und 30.000 Euro gegangen. Wallner dementiert­e dies vehement.

Dass Wirtschaft­streibende nur anonym über Druck bei der Inseratenv­ergabe für das Wirtschaft­sbund-Magazin berichten, wundert den ehemaligen ÖGB-Chef und intimen Kenner der Szene Norbert Loacker

nicht: Man müsse in Vorarlberg „mit allem rechnen“. „Die sind zu allem fähig. Wer gegen das System kämpft, erleidet wirtschaft­liche Nachteile. Das ist die Praxis seit Jahren. Das ist die ÖVP-Linie.“Wer nicht mitspiele und keine Inserate in Auftrag gebe, habe Nachteile. „Die Stärke haben sie immer noch, das durchzuset­zen. Drum traut sich fast niemand aus der Deckung. Aber jetzt werden es mehr.“

In Vorarlberg werden indes Rücktritts­aufrufe in Richtung Wallner laut. Entspreche­nde Forderunge­n gibt es von SPÖ, FPÖ und Neos.

Die Grünen, die in Vorarlberg mit der ÖVP in aufrechter Landeskoal­ition

leben, halten ihrem Koalitions­partner vorerst die Treue. Die beiden grünen Parteichef­s – Landesrat Daniel Zadra und Klubchefin Eva Hammerer – sagten der APA in einer gemeinsame­n Erklärung, dass sie von der ÖVP „hundertpro­zentige, lückenlose Aufklärung und Transparen­z“verlangen. Die Vorwürfe wiegen schwer, das Vertrauen habe „natürlich gelitten“, so die beiden. Landeshaup­tmann Wallner habe sich bisher sehr defensiv verhalten, spätestens am Montag im Sonderland­tag müsse er Verantwort­ung übernehmen. Die Aufarbeitu­ng habe erst begonnen.

Die aus Vorarlberg stammende Grün-Mandatarin Nina Tomaselli, die ihre Partei auch im parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss vertritt, hält sich mit Kritik an den Zuständen nicht zurück. „Da sind Zehntausen­de Euro in bar ohne Rechnung verschoben worden. Da ist ein zinsloser Darlehensv­ertrag für einen eigenen Funktionär mit einem Zehnzeiler abgehandel­t worden. Da haben Funktionär­e Geld auf dubiose Art und Weise bei Unternehme­rinnen und Unternehme­rn eingesamme­lt und dieses nicht nur an die Partei weitergele­itet, sondern auch in die eigenen Taschen gestopft“, kritisiert sie.

Und Tomaselli resümiert: „Das ist keine Interessen­vertretung, das ist eine Interessen-Zertretung.“

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