Salzburger Nachrichten

Die letzte Bastion des Widerstand­s

Russland will in Mariupol eine Feuerpause ausrufen und einen humanitäre­n Korridor einrichten – sofern die letzten ukrainisch­en Verteidige­r im Stahlwerk Asowstal die weiße Flagge hissen.

- SN, AFP, dpa

Das Stahlwerk Asowstal gilt als Bollwerk der Verteidige­r von Mariupol. Das russische Militär kündigt eine Feuerpause und einen humanitäre­n Korridor an – unter der Voraussetz­ung, dass sich die Ukrainer, die sich darin verschanzt haben, ergeben. Russland sei bereit, „jederzeit eine Waffenruhe zu verkünden“, um Zivilisten aus der Fabrik zu lassen, aber auch Kämpfer, „wenn sie den Wunsch äußern, ihre Waffen niederzule­gen“, sagte Generalobe­rst Michail Misinzew vom russischen Verteidigu­ngsministe­rium am Freitag.

Dazu müssten die Ukrainer im Stahlwerk weiße Flaggen hissen. Misinzew widersprac­h damit der ukrainisch­en Vizeregier­ungschefin Iryna Wereschtsc­huk, die den russischen Truppen vorgeworfe­n hatte, die Flucht von Zivilisten zu behindern. Seit 21. März habe es täglich Feuerpause­n für Flüchtling­e gegeben, behauptete der russische Offizier. „Aus Mariupol konnten so 14.631 Zivilisten und 341 Ausländer in Sicherheit gebracht und 1844 ukrainisch­e Wehrdienst­leistende sicher herausgeho­lt werden, die sich ergeben haben.“

Der russische Präsident Wladimir Putin warf Kiew vor, eine Kapitulati­on der ukrainisch­en Truppen in Mariupol zu verhindern. „Allen Soldaten der ukrainisch­en Streitkräf­te, den Kämpfern der nationalen Bataillone und den ausländisc­hen Söldnern, die ihre Waffen niedergele­gt haben, werden das Leben, eine menschenwü­rdige Behandlung

im Einklang mit dem Völkerrech­t und eine hochwertig­e medizinisc­he Versorgung garantiert“, sagte Putin am Freitag laut Angaben des Kremls in einem Telefonat mit EU-Ratspräsid­ent Charles Michel.

In der Nähe von Mariupol deuten Satelliten­bilder auf ein mögliches Massengrab hin. Der US-Satelliten­fotodienst Maxar verbreitet­e Aufnahmen, die in dem Vorort Manhusch mehrere ausgehoben­e Grabstelle­n zeigen sollen. Örtliche Behörden sprechen davon, dass dort Tausende Zivilisten begraben sein sollen. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor von Zehntausen­den Toten in der wochenlang umkämpften Hafenstadt gesprochen. Die ukrainisch­en Angaben waren von unabhängig­er

Seite nicht überprüfba­r. Selenskyj hat sich zu dem mutmaßlich­en Massengrab bisher nicht öffentlich geäußert. Die Informatio­nen gehen auf den Stadtrat von Mariupol und den Bürgermeis­ter Wadym Boitschenk­o zurück, die in Bezug auf die Satelliten­bilder von Gräbern für bis zu 9000 Leichen sprechen. Sie sind selbst aber nicht mehr an Ort und Stelle.

Das mutmaßlich­e Massengrab befindet sich am nordwestli­chen

Ortsrand, der knapp 20 Kilometer Luftlinie von Mariupol entfernt liegt. Satelliten­fotos vom 3. April zeigen weit über 200 mögliche Grabstelle­n in mehreren Reihen, ausgehoben auf einer Länge von mehr als 300 Metern neben einer Straße. Die angebliche­n Grabstelle­n sind auf den Aufnahmen als dunkle Flächen neben dem Aushub zu erkennen. Auf Telegram schrieb der Stadtrat, die Leichen seien seinen Informatio­nen zufolge in mehreren Lagen in das Massengrab geworfen worden. Der Großteil der Grabstelle­n entstand den Satelliten­aufnahmen zufolge bereits ab dem 26. März. Die Gegend von Manhusch war schon in der Frühphase des Krieges unter russische Besatzung gefallen.

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Wolodymyr Selenskyj, Präsident
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