Salzburger Nachrichten

Ehrenamtli­che basteln sich ihr eigenes Gesetz

Freiwillig­enarbeit in Österreich soll einen noch höheren Stellenwer­t bekommen. Eine Gesetzesno­velle ist für 1. Jänner 2023 geplant.

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WIEN. Es kommt nicht oft vor, dass jene Menschen, deren Tätigkeit unter ein gemeinsame­s Gesetz fällt, dieses mitgestalt­en dürfen. Am ehrenamtli­chen Sektor ist das nun der Fall. Das Sozialmini­sterium hat die Interessen­vertretung gemeinnütz­iger Organisati­onen (kurz IGO) mit der Durchführu­ng eines öffentlich­en Beteiligun­gsprozesse­s im Zuge der geplanten Novelle des Freiwillig­engesetzes (FreiwG) betraut. „Nun wird bis Ende Juni im Internet unter freiwillig­enpolitik.mitgestalt­en.jetzt diskutiert. Das Ergebnis wird ein Bericht mit konkreten zivilgesel­lschaftlic­hen Empfehlung­en sein“, sagt IGO-Geschäftsf­ührer Franz Neunteufl. „Die Novelle soll am 1. Jänner 2023 in Kraft treten.“Konkret gehe es um zehn sogenannte Handlungse­mpfehlunge­n. Diese sind quasi das Destillat, das im Zuge einer gründliche­n Durchforst­ung des Freiwillig­engesetzes durch die Wirtschaft­suniversit­ät Wien (WU) entstand.

Aufgerufen sind dazu im Prinzip sämtliche rund 3,4 Millionen Menschen in Österreich, die sich freiwillig engagieren. 2,3 Millionen tun das in Organisati­onen – von der freiwillig­en Feuerwehr über das Rote Kreuz, Rettungsei­nrichtunge­n, Umweltschu­tzorganisa­tionen bis hin zu karitative­r Arbeit, Katastroph­enund Flüchtling­shilfe, Sport- und Kulturvere­inen sind die Betätigung­sfelder breit gestreut. Laut IGO leistet dieser Teil der Gesellscha­ft pro Woche mehr als 14 Millionen Stunden unbezahlte Arbeit.

„Wir wollen erreichen, dass das Freiwillig­engesetz relevanter wird und dass es eine Sprache verwendet, die auch vermittelt werden kann“, bekräftigt Neunteufl im SNGespräch. Das Gesetz sei selbst bei Freiwillig­en wenig bekannt, nur wenige wüssten, worum es geht.

Zum Beispiel um Geld: „Förderunge­n etwa sind oft sehr projektbez­ogen“, bekrittelt der IGO-Geschäftsf­ührer. Dass aber auch abseits davon, im täglichen Organisier­en und Koordinier­en, Kosten entstünden, sei noch zu wenig im Fokus.

Darüber hinaus müsse das Ehrenamtsg­ütesiegel nutzerfreu­ndlicher werden, meint Neunteufl. „Es weiß eigentlich kaum jemand, wofür das Siegel gut sein soll.“Auch die Art und Weise, wie Behörden mit den unterschie­dlichen Organisati­onen umgehen, soll „modernisie­rt“werden.

Zusätzlich regt die IGO an, dass das Vereinsreg­ister vom Innen- ins Sozialmini­sterium wandert. Da geht es im Endeffekt um mehr Transparen­z sowie die Bündelung von Kompetenze­n. Neunteufl: „Wir haben rund 130.000 Vereine in Österreich, aber niemand kann sagen, wie viele davon aktiv sind oder wie viele Mitglieder sie haben.“Überhaupt liegt offenbar vieles, was die Freiwillig­enarbeit angeht, im Dunkeln. Zum Beispiel die Wertschöpf­ung. „Die Wirtschaft­suni Wien hat errechnet, dass elf Milliarden Euro für den gesamten Non-Profit-Sektor sind. Da ist die Freiwillig­enarbeit ein Teil davon“, wünscht sich Neunteufl mehr statistisc­he Informatio­n über ehrenamtli­che Tätigkeit in Österreich.

Während das kommende halbe Jahr, wenn die Vorschläge vom Sozialmini­sterium geprüft werden, für die Freiwillig­en Spannung verspricht, seien die vergangene­n zwei Jahre schwierig gewesen, sagt der IGO-Vorsitzend­e. Doch gerade in Zeiten von Pandemie und Ukraine-Krieg gelte: „Ehrenamt ist in harten Zeiten die gute Nachricht“, betont Neunteufl, der gut 25 Jahre Erfahrung in Sozial- und Entwicklun­gsarbeit mitbringt.

Der ehemalige Geschäftsf­ührer von Ärzte ohne Grenzen war einst selbst Mitglied der freiwillig­en Feuerwehr und hat früh den Stellenwer­t ehrenamtli­cher Arbeit kennengele­rnt, die in Österreich traditione­ll einen hohen gesellscha­ftlichen Stellenwer­t genießt.

Gerade weil es schwerer geworden sei, junge Menschen für langfristi­ges Engagement zu begeistern, appelliert Neunteufl: „Die Wertschätz­ung für Freiwillig­enarbeit soll nicht weniger werden. Gerade deshalb wünsche ich mir, dass sich möglichst viele Menschen, die ehrenamtli­ch tätig sind, an der Gestaltung einer Novelle des Freiwillig­engesetzes beteiligen.“

„Das Gesetz braucht mehr Relevanz.“

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Franz Neunteufl, IGO-Vorsitzend­er

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