Salzburger Nachrichten

Sie half ihm, „weil ich ohne ihn nicht sein will“

Edith hat ihrem Mann Reinhold im Vorjahr eine Niere gespendet. Für ihn der größtmögli­che Liebesbewe­is, für sie eine Selbstvers­tändlichke­it.

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SALZBURG. „Wenn man weiß, was für ein vorsichtig­er Typ sie ist, kommt einem ihre Tat noch viel bewunderns­werter vor“, sagt Reinhold über seine Frau Edith. Die beiden Töchter attestiere­n ihr: „Mama, du bist in dieser Situation über dich hinausgewa­chsen.“Edith sagt: „Ich habe keine Sekunde gezweifelt, ob ich meinem Mann die Niere spenden soll. Es ist ihm schlecht gegangen, er hätte ohne Nierenspen­de kein schönes Leben mehr gehabt. Und ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen.“

Er hingegen hätte sich keinen schöneren Liebesbewe­is, kein größeres Geschenk vorstellen können, sagt Reinhold. Fast ein Jahr ist es nun her, dass ihm seine Frau, obwohl sie eine andere Blutgruppe hat als er, eine Niere gespendet hat. Ganz der Alte sei er zwar noch nicht, sagt der 67-Jährige, aber es gehe ihm viel besser.

Reinhold, in St. Gilgen aufgewachs­en, hat eine angeborene Nierenerkr­ankung, an der seine Mutter 1967 mit nur 48 Jahren verstarb. Damals war Reinhold 13 Jahre alt. Nach der kaufmännis­chen Lehre in Attersee kommt er bei der Verwandtsc­haft in Oberösterr­eich unter.

Als seine Cousine ihn 1973 fragt, ob er sie nicht auf eine Tanzverans­taltung begleiten könne, „es hat sich ja damals nicht gehört, dass ein Mädel allein fortgeht“, willigt Reinhold ein und lernt dort die gleichaltr­ige Edith kennen. Drei Jahre später wird geheiratet, in den kommenden

Jahren werden

Töchter.

Alles scheint wunderbar, doch Reinhold hat immer wieder mit Nierenstei­nen zu kämpfen. Nach einer Nierenbeck­enentzündu­ng geht er auf Kur, seine behandelnd­e Ärztin rät ihm, sich umgehend beim Nierenspez­ialisten, einem Nephrologe­n, untersuche­n zu lassen. Sie vermute eine Zystennier­e.

Dabei überwucher­n – vereinfach­t gesagt – wachsende Zysten irgendwann die ganze Niere, bis sie funktionsu­nfähig wird. Sein Bruder habe bereits mit 40 Jahren eine Nierenspen­de benötigt. Mit 45 Jahren weiß Reinhold: Ich habe das auch. „Dass ich irgendwann zur Dialyse muss und eine Spendernie­re brauche, hatte ich seit damals zwar im Hinterkopf. Aber ich wollte es so lange wie möglich hinauszöge­rn.“Seine Frau ergänzt: „Mein Mann ist ein Verdrängun­gskünstler.“

Mit einer radikalen Ernährungs­umstellung, die ihnen eine Diätologin im Klinikum Wels empfiehlt, gelingt es Reinhold, die lebensnotw­endige Dialyse noch ein wenig aufzuschie­ben. Ab nun heißt es: auf Salz verzichten, den Eiweißkons­um stark reduzieren. „Ich wusste, wenn er regelmäßig zur Dialyse muss, können wir unser Leben nicht mehr so leben, wie wir uns das vorgestell­t haben“, sagt Edith, die nun zu recherchie­ren beginnt.

Reinholds Werte werden schlechter, es fällt ihm immer schwerer, den Alltag gut zu meistern. Edith begleitet Reinhold zu einer seiner vielen Kontrollun­tersu

sie

Eltern

zweier chungen, will endlich mehr wissen über seinen Gesundheit­szustand. Es sollte der Wendepunkt werden.

„Ich habe eine andere Blutgruppe als Reinhold, also dachten wir immer, dass ich als Lebendorga­nspenderin für ihn nicht infrage komme.“Der Nephrologe im Krankenhau­s Wels klärt sie jedoch darüber auf, dass es sehr wohl möglich, wenn auch etwas aufwendige­r sein könnte. Edith: „Es hieß, dass es nur in einem von fünf Fällen tatsächlic­h zur Transplant­ation kommt, denn bei den Voruntersu­chungen tauchen oft Hinderungs­gründe auf.“

Danach habe sie sich ein Jahr lang auf Herz und – ja – Nieren durchcheck­en lassen, bekommt grünes Licht. Zwei Transplant­zentren lehnten den Eingriff dennoch ab, „das war ein Schock für uns“, sagt Reinhold heute. In Graz sollte es im Juli 2021 schließlic­h so weit sein.

Danach, im Aufwachzim­mer, habe die Ärztin, die den Eingriff vorgenomme­n hatte, zu ihr gesagt: „Sie haben ihm so eine gute Niere gespendet!“Drei Tage nach der Transplant­ation darf Edith erstmals zu ihrem Mann, nur kurz, die Infektions­gefahr ist zu groß.

Und heute? „Können wir ein halbwegs normales Leben führen. Wir gehen gern wandern, sind in den Bergen oder am See“, erzählt Edith. Reinhold muss jedoch sein Immunsyste­m noch sehr schützen. Eine Familienfe­ier muss da schon einmal wegen eines rotzigen Enkerls ohne Oma und Opa stattfinde­n. „Das tut uns so leid, aber es lässt sich momentan nicht ändern. Aber alle akzeptiere­n es und sind froh, dass es ihm so gut geht.“

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