Gesetz soll Senioren Kredite sichern
Es fehlen nicht nur Früchte fürs Joghurt, sondern auch Verpackungen. Gas, um zu pasteurisieren und zu sterilisieren, koste das Neunfache. All das mache zweistellige Preissteigerungen nötig. Pensionistenvertreter kritisieren Altersdiskriminierung durch Ban
„Das Wasser steht uns nicht bis zum Hals, sondern bis zur Unterlippe“, formuliert es SalzburgMilch-Chef Andreas Gasteiger. Alles aufzuzählen, wo derzeit die Kosten explodierten, sei kaum noch möglich. Ob Fruchtzubereitung fürs Joghurt, Karton fürs Milchpackerl oder Gas, ohne das in einer Molkerei gar nichts gehe – vom Pasteurisieren übers Sterilisieren bis zum Reinigen. Das habe dazu geführt, dass man den Milchpreis im April noch einmal habe erhöhen müssen. „Wir sind nicht nur verantwortlich für unsere 400 Mitarbeiter, sondern auch für die 2400 Bauern. Die müssen auch überleben.“Oft sei es gar nicht der Preis, der Sorgen mache, sondern die Verfügbarkeit, meint auch Josef Braunshofer, Chef von Österreichs größter Molkerei Berglandmilch. „Gerade im Verpackungsbereich leben wir derzeit von der Hand in den
Mund und zittern jeden
Tag, ob genug kommt.“
Ob Karton, Glas oder
Plastik für Milchpackerl, Flaschen oder Joghurtbecher. Von den Herstellern bekomme man derzeit nur noch Wochenpreise. Und die Qualität schwanke. „Plötzlich wölbt sich irgendwo ein Karton und die gesamte Produktion steht.“
Vor allem aber treffe die Branche der Gaspreis hart. Die gesamte Produktion basiere auf Wasserdampf – und der wird mit Gas erzeugt. Der Gaspreis habe sich zuletzt verneunfacht, sagt Braunshofer. Alternativen zu finden ist schwer. Bisher sei man zu 100 Prozent abhängig von Gas, formuliert es NÖMChef Alfred Berger drastisch: „Sollte es hier zu Ausfällen kommen, steht der Betrieb still, inklusive der Abholung der Rohmilch bei allen Bauern.“
Bei der SalzburgMilch, die ebenfalls zu 100 Prozent vom Gas abhängt, hat man für einen mögli
WIEN. Ein Treppenlift muss angeschafft werden oder die Ölheizung ausgetauscht: Viele Senioren hätten einen Finanzierungsbedarf, würden von Banken aufgrund ihres Alters bei Krediten aber abgelehnt, kritisiert der Präsident des Pensionistenverbands Österreich, Peter Kostelka (SPÖ). Gemeinsam mit SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Christian Drobits prangerte er am Freitag die Altersdiskriminierung bei Bank- und Versicherungsgeschäften an. „Ältere Menschen werden zu Bankkunden zweiter Klasse“, kritisiert Drobits. Pensionisten würden in demütigende Situationen gedrängt, in denen sie die Verwandtschaft anpumpen müssten.
Auch Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec (ÖVP) ärgert sich. „In Österreich muss der Kredit laut Gesetz zu Lebzeiten bis auf den letzten Cent zurückbezahlt werden. Das treibt viele ältere Menschen über Finanzvermittler zu deutschen Banken, wo sie zu schlechteren Konditionen, aber flexibleren Laufzeiten Geld leihen können. Den heimischen Banken geht darüber chen Lieferausfall vorgesorgt. Das kostet freilich auch viel Geld. „Wir haben vor vier Wochen Mietkessel organisiert, mit denen wir am Standort in Lamprechtshausen, aber auch in der Stadt Salzburg notfalls von Gas auf Öl umstellen könnten“, sagt Firmenchef Gasteiger. Allein die Anlagen zu reservieren koste 80.000 Euro im Monat.
In der Käserei in Lamprechtshausen hat die SalzburgMilch zwar hinaus die Kundschaft verloren.“Die Pensionistenvertreter fordern eine gesetzliche Änderung nach deutschem Vorbild: Dort ist eine solche Altersdiskriminierung bei Kreditvergaben verboten, solange die Kreditnehmer ausreichend Sicherheiten, etwa eine Immobilie, vorweisen können. Eine solche Änderung hat Justizministerin Alma Zadić (Grüne) Anfang April in Aussicht gestellt.
Zu einem vorliegenden Gesetzesentwurf äußerte sich Kostelka am Freitag positiv. Im Justizministerium bestätigt man den Entwurf, will aber keine weiteren Inhalte oder einen Zeitplan nennen.
Auch das Sterben der Bankfilialen ist den Seniorenvertretern ein Dorn im Auge. SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Drobits fordert, dass Banken in schlecht versorgten Gebieten künftig Busse schicken müssten. Als Alternative kann er sich auch Taxigutscheine für Senioren für die Fahrt zur nächsten Bank
erst im Vorjahr eine Photovoltaikanlage in Betrieb genommen, die so viel Energie erzeugt, wie 460 Privathaushalte im Jahr verbrauchen. Vom Strombedarf decke das aber selbst im Lamprechtshausner Werk gerade 23 Prozent, sagt Gasteiger. Gas könne damit nicht ersetzt werden.
Die Berglandmilch hat bereits Alternativen zu Gas. In Wörgl setze die Berglandmilch-Tochter Tirol Milch bereits seit 2007 auf eine vorstellen. Die Kosten dafür sollen die Finanzinstitute übernehmen.
Rund 1300 Filialen sind in Österreich laut Zahlen der Nationalbank in den vergangenen zehn Jahren geschlossen worden. Übrig blieben rund 4000 Bankstellen. Österreich ist mit vier Bankfilialen pro 10.000 Einwohner im EU-Vergleich aber weiter im oberen Mittelfeld. Eine Ausdünnung der Filialnetze fand in ganz Europa statt.
Laut EZB-Daten haben nordeuropäische Länder die geringste Filialdichte. In Dänemark, Finnland oder Schweden stehen nur eineinhalb Filialen pro 10.000 Einwohner zur Verfügung. In den Niederlanden sind es nur 0,7. Die meisten – fünf Filialen pro 10.000 Einwohner – gibt es in Frankreich und Spanien. Die Zahl schrumpft aber auch dort markant, weshalb in Spanien Senioren lautstark protestierten. Der 78jährige Carlos San Juan hatte heuer mit seiner Kampagne „Ich bin alt, aber kein Idiot“mehr als 640.000 Unterschriften gegen Altersdiskriminierung gesammelt. Spaniens Banken müssen nun Pläne vorlegen, wie sie auf die Bedürfnisse älterer Menschen eingehen wollen.
Hackschnitzelanlage, sagt Firmenchef Braunshofer. Auch die Schärdinger Molkerei in Feldkirchen bei Mattighofen wird bis Jahresende auf Hackschnitzel umgestellt.
Im größten BerglandmilchWerk in Aschbach entsteht derzeit eine eigene Biogasanlage. Ab Herbst werde aus den Produktionsresten der Molkerei Biogas erzeugt, erläutert Braunshofer. „Bei der Reinigung bleiben jede Menge Milch- und Käsereste übrig, das sind wertvolle Bakterien, die Biogas erzeugen.“Schließlich werden allein in Aschbach täglich zwei Millionen Liter Milch verarbeitet. 30 Prozent des Gasbedarfs werde die neue Biogasanlage abdecken. Mittelfristig werde auch hier – wie künftig wohl in allen zehn Werken der Berglandmilch – zusätzlich noch auf Hackschnitzel gesetzt. Das gehe aber frühestens in fünf Jahren. „Kurzfristig brauchen wir nichts zu beschönigen, wenn das russische Gas ausbleibt, stehen wir morgen“, räumt auch der Berglandmilch-Chef ein.
Kräftig gestiegen sind auch die Rohmilchpreise. Um 30 Prozent hätten sich hier die Kosten erhöht, sagt NÖM-Vorstand Berger. Grund seien nicht nur die steigenden Kosten bei den österreichischen Bauern, sondern auch eine europaweite Milchknappheit.
Gerade in Deutschland und Holland, aber auch in Frankreich und Italien drosselten Landwirte angesichts massiv steigender Futterkosten und Energiepreise die Produktion oder stellten diese ganz ein, erklärt Gasteiger. In Österreich werde zwar nicht weniger Milch erzeugt und auch deutlich mehr auf Heu- und Grünfutter als auf Kraftfutter gesetzt. Die Kosten für die Bauern stiegen dennoch rasant. „Mir hat ein Bauer erzählt, dass er bisher monatlich 300 Euro an Strom- und Gaskosten zu zahlen hatte, jetzt sind es 1500“, sagt Gasteiger. Auch den Bauern habe man seit Jahren gesagt, sie müssten als Unternehmer agieren und auch bei den Energiekosten günstige Anbieter suchen. Das habe sich für manche jetzt gerächt. Um den Bauern ihre Kosten zu decken, musste die SalzburgMilch „in Vorleistung“gehen. Österreichweit hatten die Molkereien zuletzt nur noch eine Marge von 0,8 Prozent. „Um weiter investieren zu können, müssen wir aber verdienen“, sagt Gasteiger.
Auch NÖM-Chef Berger warnt den Handel angesichts fehlender Verpackung, aber auch Fruchtzubereitung „vorsorglich“vor Lieferstopps
„Ohne Gas aus Russland stehen wir.“
bei gewissen Produkten. „Bei Himbeeren etwa gibt es den drei- bis fünffachen Preis, aber keine Garantie für die Ware“, sagt Berger. Für Früchte und Fruchtzubereitung ist die Ukraine einer der größten Produzenten. Auch der heimische Marktführer Agrana betreibt dort zwei Werke für die Fruchtzubereitung.
Berglandmilch hat dafür ein eigenes Werk. „Zum Glück nicht in der Ukraine, sondern in Tschechien“, sagt Braunshofer. Früchte beziehe man großteils aus Spanien, Polen, aber auch Ägypten. Die Ukraine sei der größte Player, was Tiefkühlobst betrifft, das es das ganze Jahr gibt. Und die Fruchtpreise steigen weltweit. „Im Mai startet die neue Erdbeerernte, wir werden sehen, was kommt.“
Mit dem Handel wird derzeit intensiv über Preiserhöhungen verhandelt. Eine erste leichte Preiserhöhung im März sei nicht genug gewesen. Zahlen will in der Molkereibranche niemand nennen. „Es muss aber eine zweistellige Preiserhöhung geben“, betont SalzburgMilch-Chef Gasteiger.