Salzburger Nachrichten

Tilly, Juli und der Präsident

- Maria Zimmermann

ICHweiß, ich setz mich jetzt in die Nesseln. Aber ich mag Haustiere nicht besonders. Bitte mich nicht falsch zu verstehen. Ich mag Tiere. Im Wald, auf der Wiese, auf einem Bauernhof. Aber mit Hund, Katz und Kanarienvo­gel in der Wohnung fange ich wenig an. Wobei ich als Kind selbst einen Wellensitt­ich namens Uschi hatte, dem ich mit einer Eselsgedul­d versuchte, das Sprechen beizubring­en. Vergebens. Aber wie gesagt, das ist lange her.

Der Ausgleich zu meiner ... nennen wir es Reserviert­heit Haustieren gegenüber wurde 2017 geboren. Meine Tochter ist das komplette Gegenteil von mir. Sie liebt jedes Tier, vor allem Haustiere – und ganz besonders Hunde. Egal ob groß oder klein, schön oder hässlich, dick oder dünn. Sobald sie einen Hund sieht, ist es um sie geschehen. „Ich will auch so einen Hund!“, ruft sie dann in ohrenbetäu­bender Lautstärke. Kommt keine Reaktion, dreht sie weiter auf: „Ich will auch so einen Hund! Genau so einen!!!“Erst wenn die verbale Empfangsbe­stätigung da ist: „Hab ich mir gedacht, Tilly!“– ist wieder Ruhe.

Da Wien nicht nur die Hauptstadt Österreich­s, sondern vor allem die Hundehaupt­stadt des Landes ist, bin ich also, wenn ich mit meiner Kleinen im Park oder in der Stadt unterwegs bin, die meiste Zeit damit beschäftig­t, meiner Tochter zu versichern, dass ich eh weiß, wie sehr sie sich einen Hund wünscht. Das hat nicht nur Nachteile: Wenn ich sie aus den Augen verliere, finde ich sie relativ rasch wieder. Ich muss nur immer den Ohren nach.

Freundlich­e Hundebesit­zer, deren Vierbeiner sie streicheln darf, lädt sie neuerdings zu ihrem Geburtstag­sfest ein. Das ist zwar erst im November. Aber wenn es so weitergeht, werden wir dafür die Wiener Messehalle anmieten müssen. Denn zuletzt ist sie dazu übergegang­en, jedem Hundebesit­zer mit ihrem Roller nachzuflit­zen und zu fragen: „Darf ich deinen Hund streicheln?“Ich laufe dann immer hinterher, um zu verhindern, dass sie sich auf Hund und Besitzer stürzt. So wie neulich, als sie direkt vor einem älteren Herrn mit Hund an der Leine wild abbremste und rief: „Darf ich deinen Hund streicheln?“Ich kam (wie immer) nachgehech­elt, um zu erklären, dass meine Tochter Hunde liebt und ... da fragte sie schon: „Wie heißt dein Hund?“Ich schaute das Herrchen an und sagte: „Juli!“Weil den Hund vom Bundespräs­identen, den kenn sogar ich. Die Kleine durfte Österreich­s First Dog natürlich streicheln, Alexander Van der Bellen nickte wohlwollen­d. Und Juli? Sie ertrug es mit ebensolche­r Gelassenhe­it. Ein echter Profi. Tilly will jetzt übrigens auch so einen Hund. Und ich denke, zur Not würde ich ihre Geburtstag­sparty auch in die Hofburg verlegen.

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