Alter Mann macht Tempo
Joe Biden verteidigt die Demokratie in der Ukraine und in den USA. Er kann jede Hilfe gebrauchen.
Joe Biden machte bisher keine gute Figur im Oval Office. Seine Pläne für die Infrastruktur in den USA musste er scheibchenweise zerlegen, um sie durch den Kongress zu bringen, der Abzug aus Afghanistan verlief chaotisch und Donald Trump lauert auf ein Comeback im Weißen Haus – dabei war Biden mit dem Versprechen angetreten, das Land zu heilen.
Im Ukraine-Krieg aber macht „Sleepy Joe“erstaunlich viel richtig. Der mit 79 Jahren älteste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten hat der totgesagten NATO wieder Leben eingehaucht und mit viel diplomatischem Geschick erreicht, dass der Westen so geeint ist wie lange nicht mehr. Sogar das zögerliche Deutschland hat er auf Kurs gebracht. Nord Stream II ist tot.
Der deutsche Kanzler hat es mit seiner Zurückhaltung bereits in den englischen Wortschatz geschafft: „Don’t Scholz around“gilt als Synonym für Abwarten. Biden wartet nicht, er agiert auch in puncto Informationspolitik vorausschauend: Die amerikanischen Geheimdienste teilen ihre Informationen in Echtzeit den Ukrainern mit, die damit bestens über die russischen Truppenbewegungen informiert sind. Mit seinem neuen Milliardenversprechen signalisiert der US-Präsident nun, dass sein Ziel über eine Verteidigung der angegriffenen Ukraine hinausgeht.
33 Milliarden Dollar will er mobilisieren, davon 20 Milliarden für militärisches Gerät. Er trifft Vorsorge für künftige Konflikte. „Wir wollen Russland in einem Maße geschwächt sehen, dass es so etwas wie den Einmarsch in der Ukraine nicht mehr machen kann.“Biden sendet damit nicht nur eine klare Botschaft nach Moskau, sondern auch nach Peking. Demokratien gegen Autokratien, das ist der Streit, den er bei seinem Amtsantritt ausgerufen hat. Eigentlich hatte er damit China gemeint, es kam anders. Der Ukraine-Krieg testet seine Konsequenz.
Dass Biden nun mit aller Entschlossenheit und allen Mitteln – Manpower ausgenommen, es werden keine US-Soldaten ukrainischen Boden betreten – für die Demokratie eintritt, ist nicht nur ein Zeichen für die Welt, sondern auch eines für die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger.
Nach vier Jahren Trump ist die Gesellschaft in den Vereinigten Staaten fragil und Teile davon sind geneigt, jenem Mann, der die Verwundbarkeit der Demokratie offengelegt hat, noch eine Chance zu geben. Hier fallen Joe Bidens Außen- und Innenpolitik zusammen. Das gemeinsame Ziel lautet: die belagerte Demokratie stärken. Um jeden Preis.