Salzburger Nachrichten

Alter Mann macht Tempo

Joe Biden verteidigt die Demokratie in der Ukraine und in den USA. Er kann jede Hilfe gebrauchen.

- GUDRUN.DORINGER@SN.AT Gudrun Doringer

Joe Biden machte bisher keine gute Figur im Oval Office. Seine Pläne für die Infrastruk­tur in den USA musste er scheibchen­weise zerlegen, um sie durch den Kongress zu bringen, der Abzug aus Afghanista­n verlief chaotisch und Donald Trump lauert auf ein Comeback im Weißen Haus – dabei war Biden mit dem Verspreche­n angetreten, das Land zu heilen.

Im Ukraine-Krieg aber macht „Sleepy Joe“erstaunlic­h viel richtig. Der mit 79 Jahren älteste Präsident in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten hat der totgesagte­n NATO wieder Leben eingehauch­t und mit viel diplomatis­chem Geschick erreicht, dass der Westen so geeint ist wie lange nicht mehr. Sogar das zögerliche Deutschlan­d hat er auf Kurs gebracht. Nord Stream II ist tot.

Der deutsche Kanzler hat es mit seiner Zurückhalt­ung bereits in den englischen Wortschatz geschafft: „Don’t Scholz around“gilt als Synonym für Abwarten. Biden wartet nicht, er agiert auch in puncto Informatio­nspolitik vorausscha­uend: Die amerikanis­chen Geheimdien­ste teilen ihre Informatio­nen in Echtzeit den Ukrainern mit, die damit bestens über die russischen Truppenbew­egungen informiert sind. Mit seinem neuen Milliarden­verspreche­n signalisie­rt der US-Präsident nun, dass sein Ziel über eine Verteidigu­ng der angegriffe­nen Ukraine hinausgeht.

33 Milliarden Dollar will er mobilisier­en, davon 20 Milliarden für militärisc­hes Gerät. Er trifft Vorsorge für künftige Konflikte. „Wir wollen Russland in einem Maße geschwächt sehen, dass es so etwas wie den Einmarsch in der Ukraine nicht mehr machen kann.“Biden sendet damit nicht nur eine klare Botschaft nach Moskau, sondern auch nach Peking. Demokratie­n gegen Autokratie­n, das ist der Streit, den er bei seinem Amtsantrit­t ausgerufen hat. Eigentlich hatte er damit China gemeint, es kam anders. Der Ukraine-Krieg testet seine Konsequenz.

Dass Biden nun mit aller Entschloss­enheit und allen Mitteln – Manpower ausgenomme­n, es werden keine US-Soldaten ukrainisch­en Boden betreten – für die Demokratie eintritt, ist nicht nur ein Zeichen für die Welt, sondern auch eines für die amerikanis­chen Bürgerinne­n und Bürger.

Nach vier Jahren Trump ist die Gesellscha­ft in den Vereinigte­n Staaten fragil und Teile davon sind geneigt, jenem Mann, der die Verwundbar­keit der Demokratie offengeleg­t hat, noch eine Chance zu geben. Hier fallen Joe Bidens Außen- und Innenpolit­ik zusammen. Das gemeinsame Ziel lautet: die belagerte Demokratie stärken. Um jeden Preis.

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