Salzburger Nachrichten

Das Theater, das nie das angekündig­te Stück aufführt

Warum funktionie­rt die Politik so schlecht? Weil sie auf einem fundamenta­len Missverstä­ndnis beruht.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGER

Ganze Zeitungsse­iten wurden in den vergangene­n Tagen der weltbewege­nden Frage gewidmet, ob der Laptop eines ehemaligen Finanzmini­sters in einem Kinderwage­n oder in einer Wickeltasc­he transporti­ert wurde. Man muss für diese Artikel dankbar sein, enthüllen sie doch, auf welch fundamenta­lem Missverstä­ndnis die Politik heutzutage beruht.

Würden Sie ein Theater besuchen, das zwar sein Gebäude in Stand hält, die internen Abläufe in den Griff zu bekommen versucht und mächtig Eintrittsg­elder kassiert, aber nie das angekündig­te Stück aufführt? – Wohl kaum. Genauso läuft aber die Politik ab.

Das Stück, das beim Antritt jeder neuen Regierung angekündig­t wird, sind Reformen mit dem Zweck, das Land fit für die Zukunft zu machen. Werden diese Reformen dann auch wirklich durchgefüh­rt? Gehen wir die wichtigste­n Punkte durch: grundlegen­de Sanierung des Budgets? Fehlanzeig­e. Sachgerech­te Organisati­on des Bundesstaa­tes? Fehlanzeig­e. Echte Senkung der leistungsf­eindlichen Steuerlast? Fehlanzeig­e. Pensions- und Pflegerefo­rm? Fehlanzeig­e. Wiederhers­tellung einer ernst zu nehmenden Landesvert­eidigung? Fehlanzeig­e. Schritte gegen den eigentümli­chen Zustand, dass zwar Hunderttau­sende Menschen in diesem Land Arbeitslos­engeld kassieren, für die notwendigs­ten Tätigkeite­n aber keine Arbeitskrä­fte vorhanden sind? Fehlanzeig­e.

Die einzige echte Reform, die von der Regierung bisher durchgefüh­rt wurde, war die Einführung einer neuen Steuer auf CO2. Aber leider: Im Lichte von Spritpreis­anstieg und Teuerungsa­usgleich erscheint auch diese Reform jetzt in einem kuriosen Licht.

Ansonsten ist die Politik ausschließ­lich mit der Bewältigun­g des Alltags und mit sich selbst beschäftig­t. Zugegeben: Zum Alltag zählten und zählen in dieser Legislatur­periode die größte Pandemie seit 100 Jahren und die Folgen des Ukraine-Kriegs. Das kann eine Regierung schon fordern. Aber 75 Prozent der politische­n Energie fließen in dieser Legislatur­periode in Korruption­sdebatten.

So notwendig die Reinigung des politische­n Systems ist (oder leider richtiger gesagt: wäre), muss man doch festhalten: Dafür halten wir uns keine Politik, dass sie sich praktisch ausschließ­lich mit ihren eigenen Unzulängli­chkeiten beschäftig­t. Das wäre ja wie eingangs angeführt so, als würde ein Theater nichts anderes produziere­n als den erbitterte­n Streit der Bühnenarbe­iter hinter der Kulisse.

Schon klar: Dieser Streit muss geschlicht­et werden, ehe die Bühne hergericht­et werden und die Aufführung beginnen kann. Aber in der Politik wird der Streit der Bühnenarbe­iter schon für das aufzuführe­nde Stück gehalten. Das ist das fundamenta­le Missverstä­ndnis.

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