Das Theater, das nie das angekündigte Stück aufführt
Warum funktioniert die Politik so schlecht? Weil sie auf einem fundamentalen Missverständnis beruht.
Ganze Zeitungsseiten wurden in den vergangenen Tagen der weltbewegenden Frage gewidmet, ob der Laptop eines ehemaligen Finanzministers in einem Kinderwagen oder in einer Wickeltasche transportiert wurde. Man muss für diese Artikel dankbar sein, enthüllen sie doch, auf welch fundamentalem Missverständnis die Politik heutzutage beruht.
Würden Sie ein Theater besuchen, das zwar sein Gebäude in Stand hält, die internen Abläufe in den Griff zu bekommen versucht und mächtig Eintrittsgelder kassiert, aber nie das angekündigte Stück aufführt? – Wohl kaum. Genauso läuft aber die Politik ab.
Das Stück, das beim Antritt jeder neuen Regierung angekündigt wird, sind Reformen mit dem Zweck, das Land fit für die Zukunft zu machen. Werden diese Reformen dann auch wirklich durchgeführt? Gehen wir die wichtigsten Punkte durch: grundlegende Sanierung des Budgets? Fehlanzeige. Sachgerechte Organisation des Bundesstaates? Fehlanzeige. Echte Senkung der leistungsfeindlichen Steuerlast? Fehlanzeige. Pensions- und Pflegereform? Fehlanzeige. Wiederherstellung einer ernst zu nehmenden Landesverteidigung? Fehlanzeige. Schritte gegen den eigentümlichen Zustand, dass zwar Hunderttausende Menschen in diesem Land Arbeitslosengeld kassieren, für die notwendigsten Tätigkeiten aber keine Arbeitskräfte vorhanden sind? Fehlanzeige.
Die einzige echte Reform, die von der Regierung bisher durchgeführt wurde, war die Einführung einer neuen Steuer auf CO2. Aber leider: Im Lichte von Spritpreisanstieg und Teuerungsausgleich erscheint auch diese Reform jetzt in einem kuriosen Licht.
Ansonsten ist die Politik ausschließlich mit der Bewältigung des Alltags und mit sich selbst beschäftigt. Zugegeben: Zum Alltag zählten und zählen in dieser Legislaturperiode die größte Pandemie seit 100 Jahren und die Folgen des Ukraine-Kriegs. Das kann eine Regierung schon fordern. Aber 75 Prozent der politischen Energie fließen in dieser Legislaturperiode in Korruptionsdebatten.
So notwendig die Reinigung des politischen Systems ist (oder leider richtiger gesagt: wäre), muss man doch festhalten: Dafür halten wir uns keine Politik, dass sie sich praktisch ausschließlich mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten beschäftigt. Das wäre ja wie eingangs angeführt so, als würde ein Theater nichts anderes produzieren als den erbitterten Streit der Bühnenarbeiter hinter der Kulisse.
Schon klar: Dieser Streit muss geschlichtet werden, ehe die Bühne hergerichtet werden und die Aufführung beginnen kann. Aber in der Politik wird der Streit der Bühnenarbeiter schon für das aufzuführende Stück gehalten. Das ist das fundamentale Missverständnis.