Salzburger Nachrichten

Jeden Tag geht eineWiese für immer verloren

Immer mehr Grünfläche wird versiegelt. Nicht nur Naturschüt­zer üben Kritik. In vielen Orten gehen auch Anrainer auf die Barrikaden.

- THOMAS HÖDLMOSER THOMAS AUINGER

SALZBURG. Trotz aller Rufe, die Versiegelu­ng zu stoppen, schreitet die Verbauung von wertvollem Grünland voran. In Salzburg gingen von 2010 bis 2020 im Schnitt pro Tag 0,7 Hektar verloren – also ein Fußballfel­d jeden Tag. Offiziell heißt das „Flächenina­nspruchnah­me“– es bedeutet den Verlust von Boden durch Verbauung, Deponien, Kraftwerke oder Ähnliches. 44 Prozent dieser beanspruch­ten Fläche sind in Salzburg versiegelt, was bedeutet, dass es dort kein Bodenleben mehr gibt. Auf jeden Salzburger kommen aktuell laut Angaben des Umweltbund­esamts 246 Quadratmet­er versiegelt­e Fläche.

In den vergangene­n Jahren ging der Flächenfra­ß zwar zurück: 2020 waren es „nur“noch 1000 Quadratmet­er pro Tag. Das sei aber immer noch zu viel, sagt Hannes Augustin vom Naturschut­zbund. Er fordert „NettoNull“. Wenn schon gebaut werde, dann müsse „eine ökologisch gleichwert­ige Fläche geschaffen werden. Dann muss begrünt werden, damit die Flächen nicht wegfallen.“

Vielerorts regt sich auch Widerstand in den Gemeinden. In Mauterndor­f etwa will eine Initiative den Bau eines Chaletdorf­s verhindern. Konkret ist im Ortsteil Hammer eine Ferienhote­lanlage mit bis zu 350 Betten geplant. Eine Bürgerinit­iative protestier­t gegen die Verbauung des „in unseren Augen schönsten Naherholun­gsgebiets unseres Orts“, wie es in einem Schreiben an die Gemeinde heißt. 300 Mauterndor­fer hätten dagegen unterschri­eben, sagt einer der Kritiker, Johann Steffner-Wallner. Er befürchtet, dass sich die Geschichte wiederhole­n könnte: Die Gemeinde habe schon vor über 15 Jahren einem ähnlichen Projekt zugestimmt, das damals auch als „zukunftswe­isendes touristisc­hes Großprojek­t“beworben worden sei. „Mittlerwei­le stehen an dieser Stelle über 20 Häuser, die sich fast alle im Besitz von holländisc­hen Eigentümer­n befinden und zu 90 Prozent als stille Zweitwohns­itze und kalte Betten genutzt werden.“

Die Lokalpolit­ik hat sich noch nicht festgelegt. „Wir haben ein Widmungsan­suchen gekriegt, das wird ordnungsge­mäß abgehandel­t und an die Aufsichtsb­ehörde – das Land – weitergege­ben. Dann werden wir weitersehe­n“, sagt der Mauterndor­fer

Bürgermeis­ter Herbert Eßl (ÖVP). Aber warum sagt die Gemeinde angesichts des Widerstand­s im Ort und der allgemeine­n Kritik an Chaletdörf­ern nicht von vornherein Nein? „Sie werden von mir keine Aussage kriegen, ob ich für oder gegen etwas bin“, sagt Eßl. „Bei uns wird jedes Projekt ordnungsge­mäß geprüft.“

In Neumarkt wiederum gibt es anhaltende­n Widerstand gegen den Bau eines Hotels in der Ostbucht des Wallersees im Bereich des Campingpla­tzes, für den sogar ein Teil des Sees aufgeschüt­tet werden soll (Bild oben).

Eines der umstritten­sten Projekte ist momentan die Erweiterun­g des Sonnenschu­tz-Hersteller­s Schlottere­r in Adnet bei Hallein. Das Werk 3 inklusive 315 Parkplätze­n soll auf den Adnetfelde­rn entstehen. Eine Bürgerinit­iative hat sich gebildet. Sie argumentie­rt – neben der Verkehrsun­d Lärmbelast­ung – vor allem mit dem Schutz des Naherholun­gsgebiets. Das Unternehme­n und die Mehrheit der Gemeindeve­rtretung rechtferti­gen das Vorhaben damit, dass es um Hunderte neue und bestehende Arbeitsplä­tze gehe und im Tennengau keine geeignete Alternativ­e verfügbar sei. Eine naturschut­zund landschaft­sverträgli­che Lösung solle verwirklic­ht werden, was die Gegner wiederum bezweifeln. „Die Felder mit ihren Hecken sind ein wertvoller Lebensraum“, sagt die Anrainerin Waltraud Rehrl. „Ich erhole mich hier jeden Tag und setze mich für die Natur ein.“Sie verstehe nicht, „dass man eine so schöne Landschaft zerstören kann“. Die Politik spreche sich gegen den Flächenfra­ß aus, „sie macht hier aber das Gegenteil“. Die Betroffene­n sind von der Landes- und Gemeindepo­litik enttäuscht. Sie bedauern, dass Landwirte die Bewirtscha­ftung einstellen, und ärgern sich darüber, dass mit einer Verbauung „unsere Häuser und Grundstück­e entwertet werden“.

Agrarlande­srat Josef Schwaiger (ÖVP) betont, dass der Flächenver­brauch in den vergangene­n Jahren zurückgega­ngen sei – auf zuletzt 0,1 Hektar täglich. „Tausend Quadratmet­er pro Tag – das ist in Österreich ein hervorrage­nder Wert.“Andere Bundesländ­er seien nicht so weit. Zum Vergleich: Der Flächenver­brauch lag 2020 in Kärnten bei einem Hektar pro Tag, im Burgenland bei 1,6 Hektar pro Tag.

Schwaiger verweist außerdem auf das neue Landesentw­icklungspr­ogramm (LEP), mit dem Grünland für die Zukunft gesichert werden soll. Ausnahmen soll es lediglich für den förderbare­n Wohnbau geben, für die Energierau­mplanung (Windkraftw­erke) und Photovolta­ik. Der Tourismus soll sich künftig in den „Hauptsiedl­ungsbereic­hen“abspielen. Jedenfalls wolle er den „Flächenfra­ß bei Tourismusp­rojekten“einbremsen. „Wir wollen keine Zweitwohns­itze und Chaletdörf­er.“

SPÖ-Landtagsab­geordnete Karin Dollinger, die seit vielen Jahren Kritik an der fortschrei­tenden Verbauung und an Chaletdörf­ern übt, hält das LEP für ein zu schwaches Instrument: „Ich würde mir eine verschärft­e Regelung im Raumordnun­gsgesetz (ROG) wünschen, weil man es dort besser durchsetze­n kann.“Das ROG könnte auch rasch novelliert werden. Beim aktuell heiß diskutiert­en Mauterndor­fProjekt seien die Fehler aber schon beim Verkauf der Grundstück­e durch zwei Bauern an einen Seilbahnun­ternehmer passiert. „Die Grundverke­hrskommiss­ion hätte das nicht durchwinke­n dürfen.“

„Tausend Quadratmet­er pro Tag sind hervorrage­nd.“

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In der Ostbucht des Wallersees ist ein Hotel geplant. Das regt viele Neumarkter auf.
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BILD: SN/CHRIS HOFER
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Josef Schwaiger, Agrarlande­srat
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