Salzburger Nachrichten

Vom Tankstelle­nwart zum ÖSV-Sportdirek­tor

- Joachim Glaser

Vor ziemlich genau 50 Jahren war das Salzburger Hotel Pitter Schauplatz des „Aufräumens“des Österreich­ischen Skiverband­es nach dem dürftigen Olympiawin­ter mit zwei Mal Silber und zwei Mal Bronze in Sapporo 1972. Die fünfköpfig­e Rennsportk­ommission des Verbandes unter Führung von Präsident Kurt Schlick musste nicht weniger als 44 Bewerbungs­schreiben für die neuen Spitzenpos­ten sichten; fünf von ihnen wollten Technische­r Direktor und Nachfolger Franz Hoppichler­s werden. Stunden vergingen, Hinterseer, Lantschner, Ortner und Hohenwarte­r fanden keine Mehrheit, den Zuschlag erhielt schließlic­h Toni Sailer.

Ein halbes Jahr nach der Premiere seines bis dahin letzten Films „Verliebte Ferien in Tirol“, in dem er einen Tankwart spielte, also der Ruf des ÖSV. Der kam telefonisc­h an diesem Tag gegen 19 Uhr, Sailer setzte sich sofort ins Auto und fuhr nach Salzburg. Hier wurden mit der Kommission gleich Nägel mit Köpfen gemacht, die neuen Trainer mussten ernannt werden.

Sailer hatte klare Vorstellun­gen. Die Cheftraine­r waren rasch bestellt, bei den Herren wurden es Ernst Hinterseer

(und Karl Kahr für die Abfahrer) und Hias Leitner, bei den Damen Ernst Falch und Heini Messner. Salzburg war mit etlichen Co-Trainern gut vertreten, so mit Erich Sturm, Alois Mühlthaler, Sigi Bernegger und Heinz Stohl. Die Arbeit konnte beginnen – freilich musste noch eine gehörige Portion Kritik, vor allem die Gehälter betreffend, pariert werden. Sailer erklärte sich zu der Reduzierun­g seines Jahreshono­rars von 500.000 auf 350.000 Schilling bereit, dafür wurden Erfolgsprä­mien in Aussicht gestellt. Auch eine neue Disziplina­rordnung rief Kritiker auf den Plan, können (offizielle) Amateure bei einem Vergehen etwa 10.000 Schilling Strafe bezahlen?

Die Kosten der Sommertrai­nings in Chile und Australien überstiege­n das gesamte AlpinBudge­t, hatten aber positive Auswirkung­en auf den Winter. Es ging wieder aufwärts. Chef Sailer durfte sich im März 1973 über den Weltcup-Gesamtsieg von Annemarie Pröll, Platz zwei von David Zwilling und die Riesentorl­auf-Kugeln von Monika Kaserer und Hans Hinterseer freuen. 1976 beendete Sailer sein ÖSV-Engagement, danach sagte er in einem „Kurier“-Interview: „Es waren verlorene, schmerzlic­he Jahre, ich bereue zutiefst, dass ich das Angebot 1972 angenommen habe.“Eine bittere Bilanz.

 ?? BILD: SN/IMAGO IMAGES / ZUMA PRESS/KEYSTONE ?? Toni Sailer mit Abfahrtswe­ltmeister David Zwilling 1974 in St. Moritz.
BILD: SN/IMAGO IMAGES / ZUMA PRESS/KEYSTONE Toni Sailer mit Abfahrtswe­ltmeister David Zwilling 1974 in St. Moritz.

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