Salzburger Nachrichten

Der Geruch der parteipoli­tischen Einflussna­hme

Höchste Zeit für eine Entpolitis­ierung der Justiz: Die Justizmini­sterin darf nicht gleichzeit­ig oberste Staatsanwä­ltin sein.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Die reichlich abgedrosch­ene Weisheit, dass gut Ding Weile brauche, wird in Österreich stets aufs Neue dem Wahrheitsb­eweis unterzogen. Beispiel Bundesstaa­tsanwaltsc­haft: Am 15. Februar des Vorjahres kam die ÖVP zur Erkenntnis, dass eine solche unabhängig­e Weisungssp­itze für die Justiz bestellt werden solle. SPÖ, Grüne und Neos freuten sich, denn sie hatten jahrelang vergeblich nach einer solchen gerufen. Eine gute Woche später, am 24. Februar 2021, fixierten ÖVP und Grüne die Bundesstaa­tsanwaltsc­haft in einem gemeinsame­n Ministerra­tsvortrag. Am 10. November 2021 legte eine Arbeitsgru­ppe – ohne eine solche geht’s offenbar nicht – einen „ersten Zwischenbe­richt“vor. Mittlerwei­le ist der Mai 2022 ins Land gezogen und den Bundesstaa­tsanwalt gibt es immer noch nicht.

Dabei bräuchten wir ihn dringend. Denn immer wieder und seit vielen Jahren stellt sich heraus, dass die derzeitige Konstrukti­on – Justizmini­ster oder -ministerin als oberste Entscheidu­ngsinstanz über Anklage oder Nichtankla­ge, Einstellun­g oder Nichteinst­ellung von Verfahren – ein Einfallsto­r für Parteipoli­tik ist. Ein Minister, eine Ministerin ist im Regelfall zu sehr Politiker/-in, um bei Verfahren mit politische­r Schlagseit­e wirklich unbefangen­e Entscheidu­ngen zu treffen. Und auch die Spitzenbea­mten des

Hauses standen nicht immer im Ruf, der unabhängig­en Justiz zum Durchbruch zu verhelfen – Christian Pilnacek steht hier in einer langen Tradition. Die Geschichte der Zweiten Republik ist eine Geschichte der politisch „derschlage­nen“oder anderweiti­g zweckentfr­emdeten Verfahren. Zuletzt hat sich Ministerin Alma Zadić diesbezügl­ich verheddert. Der zu ihrer Beratung eingesetzt­e Weisungsra­t wollte keine Anklage gegen den in Ungnade gefallenen Leitenden Oberstaats­anwalt Johann Fuchs erheben, die Sache wurde wieder nach unten delegiert und die Ministerin verhindert­e in der Folge eine weitere Befassung des Weisungsra­ts mit dieser Angelegenh­eit. Und wird fortan mit dem Verdacht leben müssen, aus politische­n Gründen ein Verfahren gegen den ungeliebte­n Beamten durchführe­n zu wollen.

Der Ausweg? Die Schaffung einer Bundesstaa­tsanwaltsc­haft. Also einer kleinen, feinen, unabhängig­en Behörde, deren Leiter oder Leiterin – ähnlich wie die Rechnungsh­ofpräsiden­tin – vom Parlament für zwölf Jahre bestellt wird. Vielleicht sogar mit Zweidritte­lmehrheit. Und die bei heiklen Fällen über Anklage oder Nichtankla­ge entscheide­t. Ganz ohne den üblen Geruch der parteipoli­tischen Einflussna­hme.

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