Der Geruch der parteipolitischen Einflussnahme
Höchste Zeit für eine Entpolitisierung der Justiz: Die Justizministerin darf nicht gleichzeitig oberste Staatsanwältin sein.
Die reichlich abgedroschene Weisheit, dass gut Ding Weile brauche, wird in Österreich stets aufs Neue dem Wahrheitsbeweis unterzogen. Beispiel Bundesstaatsanwaltschaft: Am 15. Februar des Vorjahres kam die ÖVP zur Erkenntnis, dass eine solche unabhängige Weisungsspitze für die Justiz bestellt werden solle. SPÖ, Grüne und Neos freuten sich, denn sie hatten jahrelang vergeblich nach einer solchen gerufen. Eine gute Woche später, am 24. Februar 2021, fixierten ÖVP und Grüne die Bundesstaatsanwaltschaft in einem gemeinsamen Ministerratsvortrag. Am 10. November 2021 legte eine Arbeitsgruppe – ohne eine solche geht’s offenbar nicht – einen „ersten Zwischenbericht“vor. Mittlerweile ist der Mai 2022 ins Land gezogen und den Bundesstaatsanwalt gibt es immer noch nicht.
Dabei bräuchten wir ihn dringend. Denn immer wieder und seit vielen Jahren stellt sich heraus, dass die derzeitige Konstruktion – Justizminister oder -ministerin als oberste Entscheidungsinstanz über Anklage oder Nichtanklage, Einstellung oder Nichteinstellung von Verfahren – ein Einfallstor für Parteipolitik ist. Ein Minister, eine Ministerin ist im Regelfall zu sehr Politiker/-in, um bei Verfahren mit politischer Schlagseite wirklich unbefangene Entscheidungen zu treffen. Und auch die Spitzenbeamten des
Hauses standen nicht immer im Ruf, der unabhängigen Justiz zum Durchbruch zu verhelfen – Christian Pilnacek steht hier in einer langen Tradition. Die Geschichte der Zweiten Republik ist eine Geschichte der politisch „derschlagenen“oder anderweitig zweckentfremdeten Verfahren. Zuletzt hat sich Ministerin Alma Zadić diesbezüglich verheddert. Der zu ihrer Beratung eingesetzte Weisungsrat wollte keine Anklage gegen den in Ungnade gefallenen Leitenden Oberstaatsanwalt Johann Fuchs erheben, die Sache wurde wieder nach unten delegiert und die Ministerin verhinderte in der Folge eine weitere Befassung des Weisungsrats mit dieser Angelegenheit. Und wird fortan mit dem Verdacht leben müssen, aus politischen Gründen ein Verfahren gegen den ungeliebten Beamten durchführen zu wollen.
Der Ausweg? Die Schaffung einer Bundesstaatsanwaltschaft. Also einer kleinen, feinen, unabhängigen Behörde, deren Leiter oder Leiterin – ähnlich wie die Rechnungshofpräsidentin – vom Parlament für zwölf Jahre bestellt wird. Vielleicht sogar mit Zweidrittelmehrheit. Und die bei heiklen Fällen über Anklage oder Nichtanklage entscheidet. Ganz ohne den üblen Geruch der parteipolitischen Einflussnahme.