Serbien vor Abkehr von Moskau?
Der Druck zur Übernahme der EU-Sanktionen nimmt zu.
Freudig sieht der Gast aus Belgrad seinem Antrittsbesuch beim deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz keineswegs entgegen. „Wir haben nichts Gutes von den Gesprächen zu erwarten“, sagte Serbiens Präsident Aleksandar Vučić vor seiner Berlin-Visite am Mittwoch.
Der völlig festgefahrene „Nachbarschaftsdialog“mit dem Kosovo sowie die von Belgrad bislang abgelehnten EU-Sanktionen gegen Russland werden im Mittelpunkt der Gespräche stehen. Obwohl auch Kosovos Premier Albin Kurti sowie der EU-Sonderbeauftragte Miroslav Lajčák in Berlin sein werden, sind neue Impulse für die problematische Beziehung der Nachbarn kaum zu erwarten. Anders sieht es in der Frage der EU-Sanktionen gegen Russland aus: Der bisher zwischen Ost und West lavierende EUAnwärter Serbien wird sich um deren Übernahme nicht mehr lange herumdrücken können.
Ein offener Bruch von Vučić mit dem von ihm jahrelang hofierten Kremlchef Wladimir Putin ist kaum zu erwarten, eine mit Sachzwängen begründete Kurswende – möglicherweise auf Raten – schon: Es mehren sich die Hinweise, dass sich Serbiens Drahtseilakt zwischen Ost und West dem Ende nähert.
Letzte Woche warteten die von der regierenden SNS kontrollierten Medien mit einer überraschenden Kehrtwende auf. „Putin stößt das Messer in den Rücken der Serben“, titelte der „Srpski Telegraf“, „Putin spielt mit Kosovo – Weltpolitik auf unserem Rücken“, vermeldete der „Informer“. Der Grund: Putin hatte die „Unabhängigkeit“der ukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk mit der Eigenstaatlichkeit des Kosovo gerechtfertigt.
Auch die medial verbreiteten Schreckensszenarien, dass die EU die Visafreiheit bei Reisen in den Schengenraum aussetzen oder selbst Sanktionen gegen Serbien verhängen könnte, scheint Belgrad derzeit als Drohkulisse gegenüber der eigenen, russophilen Wahlklientel zu dienen.