Frei bei Regelschmerzen? Spanien plant Gesetz
Unter dem „Feministen“Pedro Sánchez führt die weiblichste Regierung Europas Reformen für die Frauen durch.
MADRID. „Ich bin Feminist“, bekennt Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez. Der 50-jährige Sozialist, der mit 14 Frauen im Kabinett die weiblichste Regierung ganz Europas anführt, kämpft seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren für eine Stärkung der Frauenrechte und der Gleichberechtigung.
Nun beschließt der Premier mit seiner Koalition aus Sozialisten und der Linkspartei Podemos eine weitere feministische Reform, die in Europa bislang einzigartig ist: Den Spanierinnen wird per Gesetz das Recht auf Krankschreibung wegen Menstruationsbeschwerden zugestanden – eine Freistellung von drei, bei starken Schmerzen sogar fünf Tagen mit Lohnfortzahlung durch den Staat.
Es ist ein großer Schritt, weil mit diesem Vorstoß im konservativ geprägten Spanien ein Tabu gebrochen wird. „Die Monatsblutung existiert nicht am Arbeitsplatz“, schreibt die Journalistin Nuria Labari in der Zeitung „El País“. In vielen Köpfen herrschten die Bilder aus der Werbung der Tampon- oder Bindenhersteller vor, auf denen man glückliche Frauen sehe, die während ihrer Periode „wie Gazellen herumspringen“. Die Wirklichkeit sieht für viele Frauen anders aus. Sie leiden unter Unterleibsschmerzen, gegen die Schmerzmittel oft nicht helfen.
„Von uns wird erwartet, dass wir die Zähne zusammenbeißen und das irgendwie durchstehen“, klagt eine Hörerin im spanischen Rundfunk. Theoretisch könne man sich mit Menstruationsschmerzen krankschreiben lassen. Doch die meisten Frauen schrecken davor zurück, weil sie glauben, dass dies im Betrieb nicht gerne gesehen werde und ihnen Nachteile bringe.
Diese Situation sei unwürdig, findet Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero. Sie setzte durch, dass sich Frauen mit starken Regelbeschwerden von der Arbeit freistellen lassen können. Ihr Vorstoß ist Teil eines gerade beschlossenen Gesetzesentwurfs, in dem es um „reproduktive und sexuelle Gesundheit“von Frauen geht – und um eine weitere Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Abtreibung ist in Spanien bis zur 14. Schwangerschaftswoche erlaubt. Neu ist, dass nun Minderjährige ab 16 Jahren eine unerwünschte Schwangerschaft ohne Zustimmung der Eltern beenden können.
Doch nicht alle in der Regierung sind mit dem Gesetz glücklich. Etwa die parteiunabhängige Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. Sie sorgt sich, dass durch den Menstruationserlass Frauen bei der Jobsuche diskriminiert werden könnten. Ähnliche Bedenken äußerte Spaniens große Gewerkschaft UGT. Deutliche Kritik kommt auch von der konservativen Opposition. Sie bezeichnet die Möglichkeit einer Krankschreibung abfällig als „Menstruationsurlaub“, der den Frauen künftig zusätzliche freie Tage verschaffe.
Eine Interpretation, die Gleichstellungsministerin Montero zurückweist. Eine generelle Freistellung gebe es nicht. Vielmehr sollen jene Frauen unterstützt werden, die unter so heftigen Schmerzen leiden, dass sie vorübergehend nicht arbeitsfähig sind. Dies könnte nach Einschätzung von Montero auf bis zu ein Viertel aller Frauen im fruchtbaren Alter zutreffen.
„Es darf nicht normal sein, dass wir mit Schmerzen zur Arbeit gehen.“