Hitze und Tierwohl: Fiaker fürchten um ihr Dasein
Sind Pferdefuhrwerke in aufgeheizten Großstädten noch zeitgemäß? Der „Fiakerbaron“gewährt den SN Einblick in seine Stallungen und erzählt, warum Wien ohne Fiaker ein „No-Go“ist.
Er ist eine schillernde Persönlichkeit in der Kutscherszene in Wien: Wolfgang Fasching, der sich und sein Unternehmen „Fiakerbaron“nennt. Die SN treffen den 56Jährigen in seinem Stall in der Simmeringer Haide. Dort, im Grüngürtel der Stadt, werden die Kutschen poliert und die Pferde für ihren Einsatz in der Innenstadt aufgezäumt.
„Ich hoffe, Sie haben meine politische Gesinnung schon erkannt“, sagt der Mann mit seinem auffälligen, grauen Zylinderhut. Er trägt ein rotes Jackett mit roter Krawatte. Mit den Grünen und den Tierschützern ist er sich nicht so grün. „Wien ohne Fiaker ist ein ,No-Go‘. Ein Verbot der Fiaker will niemand außer den Grünen“, erzählt Fasching. Bei Touristen kämen die Fiaker gleich nach Stephansdom und Riesenrad, noch vor den traditionellen Kaffeehäusern, Theatern und der Oper.
Und die Aussage von Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne), dass der Einsatz von Fiakern in einer Großstadt aus Tierschutzgründen nicht mehr zeitgemäß sei, hält er für „ein Polittheater“. „Seine Aussagen zeugen von Inkompetenz. Er hat keine Ahnung von Pferden. Die Leute sollen dort hinschauen, wo wirklich Tierleid passiert, und nicht in ein streng reglementiertes Gewerbe, das öfter kontrolliert wird als jedes Freizeitpferd.“Fasching versteht nicht, dass die Tradition des Wildvögelfangens im Salzkammergut 2010 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde, die Tradition des Fiakerfahrens hingegen bis heute nicht.
Längst habe die Stadt Wien im Jahr 2008 eine Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien eingeholt. Mit dem Ergebnis, dass bei 400 Testungen keine Gefährdung für die Pferde durch Stress und Hitze gegeben sei. „Es ist eine Mär, dass ein Pferd unter Hitze leidet – nicht mehr oder weniger als Menschen“, erzählt der 56-Jährige.
„Ich mache mir an heißen Tagen mehr Sorgen um meine Mitarbeiter als um die Pferde. Bei den Tieren bin ich mir sicher, dass sie wieder gesund nach Hause kommen, zwei Kutscher sind infolge der Hitze schon gestorben.“
Zudem würden die Standplätze mit Wasser gekühlt und die Rundfahrten fänden zumeist im Schatten der hohen Innenstadthäuser statt. Und die Belastung der Tiere durch das ständige Gehen auf Asphalt? „Die Sehnen der Pferde sind abgehärtet. Wir haben weniger Knöchelverletzungen als Dressurpferde.“
Jedenfalls hat Minister Rauch mit seinem Anstoß, Fiaker verbieten zu wollen, erreicht, was er wollte: Das Thema sorgt wieder für breite Aufregung. Geht es nach dem für Tierschutz zuständigen Wiener Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ), werde weiter darüber geredet, die Hitzegrenze für Fiakerpferde von 35 auf 30 Grad herabzusetzen. Ein Verbot der Fuhrwerke sei nie Thema gewesen. Und dabei soll es bleiben.
Für die Wirtschaftskammer Wien (WK) sind die Kutschen mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Seit über 300 Jahren zieren die Fiaker das Stadtbild. Sie seien als Attraktion der Stadt weltweit bekannt und trügen zum Image Wiens bei. „In Venedig fährt auch nicht jeder Tourist mit einer Gondel. Dennoch erwarten alle Gäste, sie in den Kanälen zu sehen. Wien ohne Fiaker wäre wie Venedig ohne Gondeln“, sagt Markus Grießler, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft.
Der Salzburger Bürgerlisten-Gemeinderat
Bernhard Carl nutzt die Diskussion, um auch auf ein Verbot der Fiaker in der Mozartstadt zu drängen. „Aus einem falschen Traditionsbewusstsein heraus wurde in Salzburg bisher viel zu wenig über zeitgemäße Alternativen zur Pferdekutsche nachgedacht. Im Sinne des Tierwohls ist ein Aus für die Fiaker die einzig ehrliche Lösung.“
„Fiakerbaron“Fasching kann sich ein Leben ohne seine 17 Pferde nicht mehr vorstellen. Er habe zu allen seinen Rössern einen speziellen Bezug. „Die Symbiose von Mensch und Tier ist faszinierend. Ich erkenne sofort die Gemütslage jedes Pferdes. Sophie beispielsweise täte am liebsten Tag und Nacht arbeiten“, sagt der 56-Jährige über seine weiße Stute. Dann gesteht er, dass er gerade die Taxikonzession macht – „aus Angst, dass sie die Fiakerei abschaffen könnten“.
„Ein Pferd leidet nicht mehr oder weniger unter Hitze als die Menschen.“
Wolfgang Fasching, Fiaker