Wettbewerb hilft gegen hohe Preise
Neo-Wirtschaftsminister Martin Kocher will den Standort weiter stärken. Einen Konflikt mit der Aufgabe als Arbeitsminister sieht er dabei nicht.
SN: Sie sind als Neuling in der Politik zu einem der wichtigsten Mitglieder in der ÖVPMinisterriege geworden. Was haben Sie besser gemacht als andere Quereinsteiger? Martin Kocher: Ich habe gegenüber anderen Quereinsteigern den Vorteil gehabt, dass ich durch die Tätigkeit am Institut für Höhere Studien und die Beratung einiger Ministerien schon eine inhaltliche Vorbereitung hatte und auch wusste, worauf ich mich einlasse und wie das politische Geschäft funktioniert. Ich bin sehr froh, dass ich gute Zustimmungswerte habe und hohes Vertrauen genieße. Ich freue mich über jeden Tag, an dem das so ist, aber das kann sich schnell ändern.
SN: Hatten Sie eine echte Wahl, ob Sie das Wirtschaftsressort zusätzlich übernehmen?
Man hat immer eine Wahl. Aber es hat sich nach einigen Diskussionen diese Option als die wahrscheinlich beste herausgestellt. Und dann musste rasch entschieden werden.
SN: Die Agenden für Arbeit und Wirtschaft sind jetzt in einem Ressort vereint. Gibt es auch im politischen Geschäft Synergieeffekte?
Auf jeden Fall. Wir haben ja schon bisher bei einer Reihe von Themen eng zusammengearbeitet. Das hat die Coronamaßnahmen betroffen, etwa die Kurzarbeit. Wir haben bei der Rot-Weiß-Rot-Karte kooperiert, ebenso beim Thema Lehrlinge. Es gibt thematisch viele Synergien, die in der Vergangenheit aufgrund der persönlichen Konstellation gut funktioniert haben. Das sollte jetzt noch einfacher werden. Und die möglichen Gefahren, die manchmal beschworen werden, halte ich für sehr begrenzt. Gerade was die großen potenziellen Konflikte betrifft, etwa die Lohnfindung, gibt es ohnehin Tarifautonomie der Sozialpartner. Und es wird in der Regierung weiter einen Interessenausgleich mit den Sozialpartnern geben.
SN: Sie sind für den Wirtschaftsstandort zuständig. Damit haben Sie sich auch schon als Ökonom befasst. Wo muss der Standort besser werden? Grundsätzlich – und das ist auch Verdienst meiner Vorgängerin, auch wenn das medial nicht so gewürdigt wurde – steht der Wirtschaftsstandort gut da. Wir haben eine hohe Forschungs- und Entwicklungsquote
und viele Ansiedlungen. Die meisten Betriebe, die nach Österreich kommen, sind zufrieden. Es gab viele Maßnahmen in der Covidzeit, die Investitionsprämie hat sehr gut gewirkt, besser, als ich als Wissenschafter bei deren Beschluss erwartet habe. Wir stehen gut da, aber es gibt große Aufgaben.
SN: Welche sind das?
Kurzfristig wird entscheidend sein, dass wir einen zusätzlichen Teuerungsausgleich zustande bringen und Energiesicherheit für Österreich schaffen, für Betriebe und Haushalte. Beim Teuerungsausgleich sollte man strukturelle Maßnahmen ergreifen, die langfristig gut wirken. Der Finanzminister spricht über eine Eindämmung der kalten Progression, mir ist sehr wichtig, dass wir in diesem Zusammenhang zudem bei den Lohnnebenkosten Schritte setzen, das schafft auch Entlastung.
Dann haben wir langfristige Herausforderungen, die vor allem den Arbeitsmarkt betreffen, etwa den Fachkräftemangel, da arbeiten wir schon länger an der Umsetzung einer Strategie. Es geht um die Weiterentwicklung der Forschung und Entwicklung. Und es geht um Qualifizierung, weil die Transformation der Wirtschaft mit dem Digitalboom und mit CO2-Neutralität der größte Umbau wird, den wir je erlebt haben. Und der muss gut begleitet werden.
SN: Bei den Betriebsansiedlungen läuft es seit Jahren gut, beim Anwerben ausländischer Fachkräfte ist noch
Luft nach oben.
Auf jeden Fall, auch wenn ich immer hinzufüge, dass das größte Potenzial für Fachkräfte im Inland liegt. Da ist einiges zu tun, etwa bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder auch der längeren Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Aber wir brauchen auch qualifizierten Zuzug und die Reform der RotWeiß-Rot-Karte ist jetzt in Begutachtung. Das wird dazu beitragen, dass Wertschöpfung in Österreich bleibt, aber sie ist nicht das Allheilmittel für das Problem fehlender Fachkräfte. Das anzunehmen wäre vermessen.
SN: Wie stehen Sie zum Abschaffen der kalten Progression? Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir der hohen Inflation steuerlich gerecht werden. Ich war bezüglich eines automatischen Ausgleichs der kalten Progression immer
etwas skeptisch. Aber man sollte angesichts der aktuell hohen Inflation darüber diskutieren. Es ist gar nicht so leicht, ein Modell zu finden, das sozial treffsicher und einfach ist und zukünftige Steuerstrukturreformen nicht massiv erschwert. Aber ich bin zuversichtlich, dass man ein Modell findet, das auch in den Jahren nach der gegenwärtig hohen Teuerung gut einsetzbar ist.
SN: Braucht es neben diesen strukturellen Maßnahmen noch zusätzlich Hilfen für besonders betroffene Gruppen? Es wird ein Gesamtpaket nötig sein. Man kann diskutieren, wie man die bereits beschlossenen Stufen der Steuerreform am besten umsetzt, das würde vor allem den unteren und mittleren Einkommensbereich
entlasten. Ob es für stark betroffene Gruppen, für die es sehr rasch zwei Entlastungspakete gab, noch etwas braucht, wird davon abhängen, wie sich die Inflation in den nächsten Monaten entwickelt.
SN: Sie sind künftig auch für die Rahmenbedingungen der Lehre zuständig. An offenen Stellen mangelt es nicht. Was kann man noch tun, um die
Lehre attraktiver zu machen?
Wir haben bei den Lehrlingen aufgrund geänderter Einstellungen zu Bildung einen Rückgang erlebt. Das hat sich stabilisiert und wir hatten 2021 erstmals wieder mehr Lehrlinge als im Jahr davor. Das hat mit neuen Lehrberufen zu tun, aber auch mit Maßnahmen gegen den Lehrlingsmangel in Technik und Handwerk. Eltern, die ja meist mitentscheiden, sehen angesichts des weiterhin bestehenden Handwerkermangels, welche Chancen die Lehre eröffnet, in puncto Jobsicherheit und Einkommen. Und dass sie keine Sackgasse und der Zugang offen ist – wie bei der Lehre nach der Matura. Das ist ein Potenzial, das wir noch stärker nützen müssen. Das werden wir unterstützen und die Wirtschaft tut das auch. Der Vorwurf, es gebe keine Betriebe mehr, die ausbilden, ist falsch. Es gibt ja auch mehr Lehrstellen als Lehrstellensuchende.
SN: Die Bundeswettbewerbsbehörde braucht eine neue Leitung. Die Bewerbungsfrist endete am 7. März. Wann wird über die Besetzung entschieden? Da wird sehr zeitnah eine Entscheidung zu treffen sein. Das ist eine wichtige zu besetzende Stelle, gerade in einer Phase, in der man sicherstellen muss, dass Wettbewerb durchgesetzt werden muss und es nicht zu Preissteigerungen kommt, wo es zu wenig Konkurrenz gibt. Ich erwarte einen Vorschlag der Begutachtungskommission, die ihre Beurteilung unabhängig und nach den im Wettbewerbsgesetz enthaltenen Qualitätskriterien abgibt.
SN: Wie beurteilen Sie insgesamt die Lage des Wettbewerbs in Österreichs Wirtschaft?
Ich glaube, wir haben in vielen Bereichen eine gute Wettbewerbssituation. Aber hier spielt die technologische Entwicklung eine große Rolle, mit der Digitalisierung gibt es massive Vorteile für größere Einheiten. Da müssen wir Wettbewerb sicherstellen, stoßen dabei aber auch rasch an nationale Grenzen, weil die großen Player international agieren. Daher gibt es eine enge Abstimmung mit der EU. Aber Wettbewerb ist die beste Versicherung gegen zu starke Preissteigerungen.
SN: Die Legislaturperiode endet 2024. Ist vorstellbar, dass Sie darüber hinaus in der Politik bleiben?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Als ich mich entschied, in die Politik zu gehen, war der Planungshorizont 2024, daran hat sich nichts geändert. Ich sage aber dazu, dass ich sehr gerne Wissenschafter war, das fehlt mir manchmal. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass ich irgendwann in die Wissenschaft zurückkehre.
Martin Kocher (*1973) übernahm Anfang 2021 das Amt des Arbeitsministers. Mit der Regierungsumbildung hat der gebürtige Salzburger die Wirtschaftsagenden dazubekommen. Vor dem Wechsel in die Politik war der Ökonom und Hochschullehrer Leiter des Instituts für Höhere Studien.