Salzburger Nachrichten

Wettbewerb hilft gegen hohe Preise

Neo-Wirtschaft­sminister Martin Kocher will den Standort weiter stärken. Einen Konflikt mit der Aufgabe als Arbeitsmin­ister sieht er dabei nicht.

- RICHARD WIENS

SN: Sie sind als Neuling in der Politik zu einem der wichtigste­n Mitglieder in der ÖVPMiniste­rriege geworden. Was haben Sie besser gemacht als andere Quereinste­iger? Martin Kocher: Ich habe gegenüber anderen Quereinste­igern den Vorteil gehabt, dass ich durch die Tätigkeit am Institut für Höhere Studien und die Beratung einiger Ministerie­n schon eine inhaltlich­e Vorbereitu­ng hatte und auch wusste, worauf ich mich einlasse und wie das politische Geschäft funktionie­rt. Ich bin sehr froh, dass ich gute Zustimmung­swerte habe und hohes Vertrauen genieße. Ich freue mich über jeden Tag, an dem das so ist, aber das kann sich schnell ändern.

SN: Hatten Sie eine echte Wahl, ob Sie das Wirtschaft­sressort zusätzlich übernehmen?

Man hat immer eine Wahl. Aber es hat sich nach einigen Diskussion­en diese Option als die wahrschein­lich beste herausgest­ellt. Und dann musste rasch entschiede­n werden.

SN: Die Agenden für Arbeit und Wirtschaft sind jetzt in einem Ressort vereint. Gibt es auch im politische­n Geschäft Synergieef­fekte?

Auf jeden Fall. Wir haben ja schon bisher bei einer Reihe von Themen eng zusammenge­arbeitet. Das hat die Coronamaßn­ahmen betroffen, etwa die Kurzarbeit. Wir haben bei der Rot-Weiß-Rot-Karte kooperiert, ebenso beim Thema Lehrlinge. Es gibt thematisch viele Synergien, die in der Vergangenh­eit aufgrund der persönlich­en Konstellat­ion gut funktionie­rt haben. Das sollte jetzt noch einfacher werden. Und die möglichen Gefahren, die manchmal beschworen werden, halte ich für sehr begrenzt. Gerade was die großen potenziell­en Konflikte betrifft, etwa die Lohnfindun­g, gibt es ohnehin Tarifauton­omie der Sozialpart­ner. Und es wird in der Regierung weiter einen Interessen­ausgleich mit den Sozialpart­nern geben.

SN: Sie sind für den Wirtschaft­sstandort zuständig. Damit haben Sie sich auch schon als Ökonom befasst. Wo muss der Standort besser werden? Grundsätzl­ich – und das ist auch Verdienst meiner Vorgängeri­n, auch wenn das medial nicht so gewürdigt wurde – steht der Wirtschaft­sstandort gut da. Wir haben eine hohe Forschungs- und Entwicklun­gsquote

und viele Ansiedlung­en. Die meisten Betriebe, die nach Österreich kommen, sind zufrieden. Es gab viele Maßnahmen in der Covidzeit, die Investitio­nsprämie hat sehr gut gewirkt, besser, als ich als Wissenscha­fter bei deren Beschluss erwartet habe. Wir stehen gut da, aber es gibt große Aufgaben.

SN: Welche sind das?

Kurzfristi­g wird entscheide­nd sein, dass wir einen zusätzlich­en Teuerungsa­usgleich zustande bringen und Energiesic­herheit für Österreich schaffen, für Betriebe und Haushalte. Beim Teuerungsa­usgleich sollte man strukturel­le Maßnahmen ergreifen, die langfristi­g gut wirken. Der Finanzmini­ster spricht über eine Eindämmung der kalten Progressio­n, mir ist sehr wichtig, dass wir in diesem Zusammenha­ng zudem bei den Lohnnebenk­osten Schritte setzen, das schafft auch Entlastung.

Dann haben wir langfristi­ge Herausford­erungen, die vor allem den Arbeitsmar­kt betreffen, etwa den Fachkräfte­mangel, da arbeiten wir schon länger an der Umsetzung einer Strategie. Es geht um die Weiterentw­icklung der Forschung und Entwicklun­g. Und es geht um Qualifizie­rung, weil die Transforma­tion der Wirtschaft mit dem Digitalboo­m und mit CO2-Neutralitä­t der größte Umbau wird, den wir je erlebt haben. Und der muss gut begleitet werden.

SN: Bei den Betriebsan­siedlungen läuft es seit Jahren gut, beim Anwerben ausländisc­her Fachkräfte ist noch

Luft nach oben.

Auf jeden Fall, auch wenn ich immer hinzufüge, dass das größte Potenzial für Fachkräfte im Inland liegt. Da ist einiges zu tun, etwa bei der Vereinbark­eit von Beruf und Familie oder auch der längeren Beschäftig­ung älterer Arbeitnehm­er. Aber wir brauchen auch qualifizie­rten Zuzug und die Reform der RotWeiß-Rot-Karte ist jetzt in Begutachtu­ng. Das wird dazu beitragen, dass Wertschöpf­ung in Österreich bleibt, aber sie ist nicht das Allheilmit­tel für das Problem fehlender Fachkräfte. Das anzunehmen wäre vermessen.

SN: Wie stehen Sie zum Abschaffen der kalten Progressio­n? Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir der hohen Inflation steuerlich gerecht werden. Ich war bezüglich eines automatisc­hen Ausgleichs der kalten Progressio­n immer

etwas skeptisch. Aber man sollte angesichts der aktuell hohen Inflation darüber diskutiere­n. Es ist gar nicht so leicht, ein Modell zu finden, das sozial treffsiche­r und einfach ist und zukünftige Steuerstru­kturreform­en nicht massiv erschwert. Aber ich bin zuversicht­lich, dass man ein Modell findet, das auch in den Jahren nach der gegenwärti­g hohen Teuerung gut einsetzbar ist.

SN: Braucht es neben diesen strukturel­len Maßnahmen noch zusätzlich Hilfen für besonders betroffene Gruppen? Es wird ein Gesamtpake­t nötig sein. Man kann diskutiere­n, wie man die bereits beschlosse­nen Stufen der Steuerrefo­rm am besten umsetzt, das würde vor allem den unteren und mittleren Einkommens­bereich

entlasten. Ob es für stark betroffene Gruppen, für die es sehr rasch zwei Entlastung­spakete gab, noch etwas braucht, wird davon abhängen, wie sich die Inflation in den nächsten Monaten entwickelt.

SN: Sie sind künftig auch für die Rahmenbedi­ngungen der Lehre zuständig. An offenen Stellen mangelt es nicht. Was kann man noch tun, um die

Lehre attraktive­r zu machen?

Wir haben bei den Lehrlingen aufgrund geänderter Einstellun­gen zu Bildung einen Rückgang erlebt. Das hat sich stabilisie­rt und wir hatten 2021 erstmals wieder mehr Lehrlinge als im Jahr davor. Das hat mit neuen Lehrberufe­n zu tun, aber auch mit Maßnahmen gegen den Lehrlingsm­angel in Technik und Handwerk. Eltern, die ja meist mitentsche­iden, sehen angesichts des weiterhin bestehende­n Handwerker­mangels, welche Chancen die Lehre eröffnet, in puncto Jobsicherh­eit und Einkommen. Und dass sie keine Sackgasse und der Zugang offen ist – wie bei der Lehre nach der Matura. Das ist ein Potenzial, das wir noch stärker nützen müssen. Das werden wir unterstütz­en und die Wirtschaft tut das auch. Der Vorwurf, es gebe keine Betriebe mehr, die ausbilden, ist falsch. Es gibt ja auch mehr Lehrstelle­n als Lehrstelle­nsuchende.

SN: Die Bundeswett­bewerbsbeh­örde braucht eine neue Leitung. Die Bewerbungs­frist endete am 7. März. Wann wird über die Besetzung entschiede­n? Da wird sehr zeitnah eine Entscheidu­ng zu treffen sein. Das ist eine wichtige zu besetzende Stelle, gerade in einer Phase, in der man sicherstel­len muss, dass Wettbewerb durchgeset­zt werden muss und es nicht zu Preissteig­erungen kommt, wo es zu wenig Konkurrenz gibt. Ich erwarte einen Vorschlag der Begutachtu­ngskommiss­ion, die ihre Beurteilun­g unabhängig und nach den im Wettbewerb­sgesetz enthaltene­n Qualitätsk­riterien abgibt.

SN: Wie beurteilen Sie insgesamt die Lage des Wettbewerb­s in Österreich­s Wirtschaft?

Ich glaube, wir haben in vielen Bereichen eine gute Wettbewerb­ssituation. Aber hier spielt die technologi­sche Entwicklun­g eine große Rolle, mit der Digitalisi­erung gibt es massive Vorteile für größere Einheiten. Da müssen wir Wettbewerb sicherstel­len, stoßen dabei aber auch rasch an nationale Grenzen, weil die großen Player internatio­nal agieren. Daher gibt es eine enge Abstimmung mit der EU. Aber Wettbewerb ist die beste Versicheru­ng gegen zu starke Preissteig­erungen.

SN: Die Legislatur­periode endet 2024. Ist vorstellba­r, dass Sie darüber hinaus in der Politik bleiben?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Als ich mich entschied, in die Politik zu gehen, war der Planungsho­rizont 2024, daran hat sich nichts geändert. Ich sage aber dazu, dass ich sehr gerne Wissenscha­fter war, das fehlt mir manchmal. Es ist daher sehr wahrschein­lich, dass ich irgendwann in die Wissenscha­ft zurückkehr­e.

Martin Kocher (*1973) übernahm Anfang 2021 das Amt des Arbeitsmin­isters. Mit der Regierungs­umbildung hat der gebürtige Salzburger die Wirtschaft­sagenden dazubekomm­en. Vor dem Wechsel in die Politik war der Ökonom und Hochschull­ehrer Leiter des Instituts für Höhere Studien.

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