Auch aus dem Atelier von Matisse taucht Vergessenes auf
In Salzburg bewahrt ein Sammler Werke der „verlorenen Generation“vor dem Vergessen. Eine neue Schau führt nach Paris.
SALZBURG. Auf der Kinoleinwand hat der Satz seinen tröstlichen Klang nie verloren: „Uns bleibt immer noch Paris“, sagte Humphrey Bogart 1942 im Film „Casablanca“zu Ingrid Bergman. Für viele Künstlerinnen und Künstler war die französische Hauptstadt zu der Zeit jedoch kein Ort mehr, an dem sie sicher leben und arbeiten konnten.
Wenige Jahre davor war die Atmosphäre noch eine andere gewesen: „Paris, das war in den 1920erund 30er-Jahren das pulsierende Zentrum des künstlerischen Lebens“, sagt Heinz R. Böhme. Ab 1933 sei die Metropole auch zum Zufluchtsort für Maler geworden, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland verließen. „Aber auch diese Illusion war mit der Besetzung von Paris durch das NS-Regime 1940 schnell vorbei“, sagt der Sammler.
Der Titel einer neuen Sonderausstellung in seinem Salzburger Museum verweist auf die Zeit vor der Desillusionierung: „Wir sehen uns in Paris!“heißt die Schau, in der Böhme ein Stück der Vielfalt zeigt, die durch Vertreibung oder Deportation zunichtegemacht wurde.
„Dieses Bild ist etwa im Atelier von Henri Matisse entstanden“, erzählt Böhme beim Rundgang durch die Räume in der Sigmund-HaffnerGasse. Rudolf Levy, der Maler des „Liegenden Akts“von 1910, sei ein Matisse-Schüler gewesen und habe zeitweise dessen Atelier geleitet. 1943 lockten als Kunsthändler getarnte SS-Männer den Maler in eine Falle: Levy starb auf dem Transport nach Auschwitz.
In Böhmes Museum geht es stets auch um die Geschichten hinter den Bildern: Mit seinem „Museum Kunst der verlorenen Generation“will der Sammler Künstlern und ihren Werken, die unter dem NS-Regime verfemt waren und später von der Kunstgeschichte übersehen wurden, zu später Anerkennung verhelfen. Gesammelt hat er schon in den 1980er-Jahren, seit der Eröffnung des Museums 2017 sei die Kollektion „stetig weiter gewachsen“, erzählt der Initiator. Mittlerweile umfasse sie rund 500 Werke, „davon sind 99 Prozent Ölgemälde“.
Wie Bilder von beinahe vergessenen Malerinnen und Malern ihren Weg in die Privatstiftung finden, ist oft eine eigene, spannende Geschichte: In einer Scheune lagerten etwa Gemälde von Heinrich Esser, die der pensionierte Internist Böhme für das Museum ankaufte. Und bei einem der jüngsten Neuzugänge zeigte die Arbeit des kleinen, engagierten Museumsteams eine indirekte Wirkung: „Kurz vor Weihnachten kontaktierte uns ein privater Schenker“, erzählt Böhme. „Er hatte, angeregt durch einen Besuch in unserem Museum, einer Künstler-Witwe mehrere Werke abgekauft, die er der Sammlung übergeben wollte.“Deshalb ist nun in der ebenfalls neuen Dauerausstellung „Verboten schön“ein prominentes Ölporträt zu sehen: Es zeigt den Komponisten Paul Hindemith beim Bratschespiel. Das Gemälde habe es ursprünglich in drei Varianten gegeben, erläutert Heinz R. Böhme: Eine Version befinde sich in der Schweizer Hindemith-Stiftung. Und eine weitere „haben die Nationalsozialisten 1937 in der Ausstellung ,Entartete Kunst‘ in München gezeigt und danach vernichtet“.